Die Gefahren der Wut: Wie negative Emotionen das Herz-Kreislauf-System beeinflussen können

 

Negative Emotionen können unser Herz und unsere Blutgefäße belasten – aber warum? Forschende vom Columbia University Irving Medical Center in New York haben in einer aktuellen Studie einen entscheidenden Hinweis gefunden. Die Ergebnisse der PUME-Studie („Putative Mechanisms Underlying Myocardial Infarction Onset and Emotions“), einer randomisierten kontrollierten Untersuchung, wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Journal of the American Heart Association publiziert.1

Von:

Dr. Omar Hahad

Universitätsmedizin Mainz

 

08.05.2024

 

Bildquelle (Bild oben):  Yuri Hoyda / Shutterstock.com

 

Wenn Wut hochkocht, beeinträchtigt dies anscheinend das Endothel – ein vaskuläres Schlüsselelement in der Blutdruckregulation und der Hemmung von Thrombosen. Eine endotheliale Dysfunktion ist ein früher Risikomarker für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkte und Schlaganfälle, aber auch von metabolischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus.2

Um dies zu untersuchen, verwendeten die Forschenden das EndoPAT2000-Gerät, welches den peripheren arteriellen Tonus und den Blutfluss in den Fingern misst, um den reaktiven Hyperämieindex (RHI) als Marker für die endotheliale Funktion zu bestimmen. Insgesamt wurden 280 jüngere und gesunde Teilnehmende, davon 145 weiblich, zufällig einer von vier Bedingungen zugeteilt: Wut (n = 72), Angst (n = 70), Traurigkeit (n = 69) oder einer neutralen Bedingung (n = 69) als Kontrolle. Dabei wurden die Teilnehmenden instruiert 8 Minuten lang starke Gefühle wie Wut, Angst oder Traurigkeit zu empfinden, während der RHI-Wert kontinuierlich gemessen wurde (Anfangswert, nach 3 Minuten, nach 40 Minuten, nach 70 Minuten und nach 100 Minuten). In der neutralen Bedingung wurden die Teilnehmenden gebeten, laut von 1 bis 100 zu zählen, bis 8 Minuten vergangen waren, wobei sie das Tempo selbst bestimmten.

Einfluss von Emotionen auf die Endothelfunktion

 

Die wichtigsten Ergebnisse:

 

  • Nach jeder Intervention zur Induktion negativer Emotionen wurde der stärkste Anstieg in der entsprechenden selbstbewerteten negativen Emotion beobachtet (ermittelt durch visuelle Analogskala (VAS)). Dies deutet darauf hin, dass die angewandten Methoden erfolgreich waren, um die beabsichtigten negativen Gefühle zu induzieren.
  • Wut führte im Vergleich zur neutralen Bedingung innerhalb von 0 bis 40 Minuten nach der Induktion zu einer Verschlechterung des RHI-Werts. Diese Verschlechterung war jedoch nach 40 Minuten nicht mehr zu beobachten, was vermuten lässt, dass die Wutauslösung kurzfristige Auswirkungen auf den RHI-Wert hat.
  • Im Vergleich zur neutralen Bedingung gab es keine statistisch signifikanten Veränderungen im RHI-Wert bei den Angst- und Traurigkeitsbedingungen.
  • Die Ergebnisse blieben auch nach Kontrolle für nicht bedingungsbezogene VAS-Bewertungen unverändert, was darauf hindeutet, dass die Auswirkungen der Wut gegenüber der neutralen Bedingung auf den RHI-Wert nicht durch unspezifische Zunahmen von Angst und Traurigkeit beeinflusst wurden.
  • Es gab es keine Veränderungen bei zirkulierender Endothelzellen aufgrund der Induktionsaufgaben.

 

Laut den Forschenden legen diese Ergebnisse nahe, dass negative Emotionen, insbesondere Wut, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen können, indem sie das Endothel schädigen.

Bedeutung der Emotionsregulation für die körperliche Gesundheit

 

Diese Studie liefert wichtige Einblicke in die pathophysiologischen Auswirkungen von negativen Emotionen auf das Herz-Kreislauf-System, vor allem hinsichtlich Wut. Es zeigt, dass die Regulation von Emotionen nicht nur für die psychische Gesundheit, sondern auch für die körperliche Gesundheit von entscheidender Bedeutung ist.

Es ist bemerkenswert zu sehen, wie schnell sich die Endothelfunktion verschlechtern kann, selbst nach einer akuten Episode von Wut. Dies unterstreicht die Dringlichkeit, Strategien zur Stressbewältigung und Emotionsregulation auch mit Hinblick auf die Herzgesundheit zu entwickeln. Es ist klar, dass ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich ist, der nicht nur die traditionellen Risikofaktoren, sondern auch psychosoziale Faktoren wie Emotionen und Stress berücksichtigt, um individuelle Resilienz zu fördern.

Zusammenhang mit psychosozialen Stressoren und Vorerkrankungen

 

Interessanterweise konnten unser Forschungsteam in Mainz in eigenen Studien zeigen, dass eine einmalige nächtliche Exposition mit simuliertem Verkehrslärm in den Schlafzimmern der Probanden eine massive endotheliale Dysfunktion induzieren kann, gemessen anhand der flussvermittelten Vasodilatation (FMD).3 Da Verkehrslärm ein psychosozialer Stressor ist, der mit verschiedenen Emotionen wie Belästigung, Wut sowie depressiver und ängstlicher Symptomatik verbunden ist, sind unsere Ergebnisse im Zusammenhang mit den Ergebnissen unserer Kolleginnen und Kollegen aus den USA sehr interessant.

 

Die Forschenden verweisen zudem darauf, dass ihre Studie durch die Einschlusskriterien von gesunden und jüngeren Probanden begrenzt war, wodurch keine Schlussfolgerungen über Personen mit bestehenden Erkrankungen gezogen werden können. Unser Team in Mainz hat diese Frage näher untersucht und festgestellt, dass die schädlichen Auswirkungen von Lärm auf die Endothelfunktion bei Patientinnen und Patienten mit koronarer Herzkrankheit sogar noch ausgeprägter waren als bei gesunden Probanden.4

Limitationen

 

Limitierend ist zu beachten, dass einige Studien darauf hindeuten, dass die Endo-PAT-Technik zur non-invasiven Bestimmung der Endothelfunktion durch den RHI hauptsächlich Informationen über die Funktion der Widerstandsgefäße liefert und nicht der konduktiven Gefäße, wie es bei der FMD der Fall ist, die eher die Funktion der Koronararterien reflektiert. Darüber hinaus ist die Aussagekraft der Endo-PAT-Technik bei bestimmten Populationen begrenzt und es gibt keine einheitlichen Richtlinien für die Durchführung der Messung und Interpretation der RHI-Werte.2,5

Zur Person

Dr. Omar Hahad

Dr. Omar Hahad ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Kardiologie an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen umweltbedingte Risikofaktoren für Herz-Kreislauf- und neuropsychiatrische Erkrankungen. Er ist Mitglied des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) und Gastwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz.

Bildquelle: Peter Pullkowski

Referenzen

 

  1. Shimbo D, Cohen MT, McGoldrick M, et al. Translational Research of the Acute Effects of Negative Emotions on Vascular Endothelial Health: Findings From a Randomized Controlled Study. J Am Heart Assoc. Published online May 1, 2024. doi:10.1161/JAHA.123.032698
  2. Hahad O, Wild PS, Prochaska JH, et al. Endothelial Function Assessed by Digital Volume Plethysmography Predicts the Development and Progression of Type 2 Diabetes Mellitus. J Am Heart Assoc. 2019;8(20):e012509. doi:10.1161/JAHA.119.012509
  3. Hahad O, Schmidt FP, Hübner J, et al. Acute exposure to simulated nocturnal traffic noise and cardiovascular complications and sleep disturbance-results from a pooled analysis of human field studies [published correction appears in Clin Res Cardiol. 2023 Sep 26;:]. Clin Res Cardiol. 2023;112(11):1690-1698. doi:10.1007/s00392-023-02297-y
  4. Schmidt F, Kolle K, Kreuder K, et al. Nighttime aircraft noise impairs endothelial function and increases blood pressure in patients with or at high risk for coronary artery disease. Clin Res Cardiol. 2015;104(1):23-30. doi:10.1007/s00392-014-0751-x
  5. Moerland M, Kales AJ, Schrier L, van Dongen MG, Bradnock D, Burggraaf J. Evaluation of the EndoPAT as a Tool to Assess Endothelial Function. Int J Vasc Med. 2012;2012:904141. doi:10.1155/2012/904141

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