Natrium-Restriktion oder Kalium-Substitution?

 

Der weltweite durchschnittliche Salzkonsum ist mehr als doppelt so hoch (10,8 g/Tag) wie von der WHO empfohlen, und schätzungsweise rund 2 Millionen Todesfälle pro Jahr sind allein auf eine salzreiche Ernährung zurückzuführen. Recht wenig Beachtung findet die derzeitige Salz-Awareness-Woche (12.03.-18.03.), die von dem globalen Experten-Netzwerk WASSH (World Action on Salt, Sugar and Health) initiiert wurde, um auf die Risiken von hohem Salzkonsum hinzuweisen.1

 

Kalium-Substitution und gesetzliche NaCl-Höchstgrenzen von Lebensmitteln könnten einfache und wirksame Strategien darstellen, um den Salzkonsum zu reduzieren, wie aktuelle Studiendaten aus China und Südafrika zeigen.2,3 Doch wie ist der Nutzen einzuschätzen und lassen sich die Daten auf Deutschland übertragen?


Prof. Ulrich Laufs (Uniklinikum Leipzig) kommentiert.

Von:

Dr. Heidi Schörken

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

Expertenkommentar

Prof. Ulrich Laufs

Rubrikleiter Prävention

 

11.03.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Cozy Home / Shutterstock.com

Kalium-Substitution als Schutz vor Schlaganfall-Rezidiven?

Bereits vor 4 Jahren lieferte die chinesische SSaSS-Studie mit 20.995 Personen und einem mittleren Follow-up von 4,7 Jahren Hinweise darauf, dass die Substitution von Kochsalz durch 25 % Kaliumchlorid zur deutlichen Risikoreduktion von kardiovaskulären Ereignissen, vorzeitigem Tod und Schlaganfällen beiträgt. In der vorliegenden Sekundäranalyse wurden die Effekte auf Schlaganfall-Rezidive untersucht.2

Methodik

Die randomisierte SSASS-Studie wurde in 600 Dörfern aus 6 Provinzen im Norden Chinas durchgeführt, einer Region mit der weltweit höchsten Schlaganfall-Inzidenz. In jeweils der Hälfte der Dörfer erhielten die Personen entweder das substituierte Salz (75 % NaCl und 25 % KCl) oder normales Kochsalz. In die Sekundäranalyse wurden nur Personen mit einer Schlaganfall-Diagnose in der Vorgeschichte einbezogen. Durch jährliche Messungen der Kalium- und Natrium-Werte von 24h-Sammelurin-Proben wurde die Adhärenz zum substituierten Salz kontrolliert. Schlaganfall-Rezidive wurden durch ein unabhängiges Experten-Komitee bewertet. 

Ergebnisse

15.249 Personen mit einer Schlaganfall-Diagnose in der Vorgeschichte wurden eingeschlossen (mittleres Alter 64,1 Jahre und 45,9 % Frauen), darunter 7.703 Personen der Substitutions- und 7.546 Personen der Kontrollgruppe. Der mittlere systolische/diastolische Blutdruck betrug 148,2/87,1 mmHg. 11.616 (76,2 %) Personen nahmen mindestens ein blutdrucksenkendes Medikament ein. Die Baseline-Charakteristika beider Gruppen waren vergleichbar. Die mittleren Unterschiede beider Gruppen betrugen -7,96 mmol Natrium und 16,93 mmol Kalium für die Urinwerte sowie -2,05 mmHg für den systolischen Blutdruck (jeweils Substitutionsgruppe vs. Kontrollgruppe).

21 % weniger Schlaganfall-bedingte Todesfälle

Über ein medianes Follow-up von 61,2 Monaten traten insgesamt 2.735 Schlaganfall-Rezidive auf (691 tödliche und 2.044 nicht-tödliche), sowie 3.242 Todesfälle. Die kumulative Rezidivrate der Substitutionsgruppe war niedriger gegenüber der Kontrollgruppe: 16,8 % vs. 19,1 %. Das relative Risiko eines Schlaganfall-Rezidivs reduzierte sich durch die Salzsubstitution um 14 %: RR 0,86; 95%KI (0,77;0,95); p=0,005. Die Risikoreduktion war für hämorrhagische (30 %) und unbestimmte Schlaganfälle (21 %) höher gegenüber ischämischen Schlaganfällen (8 %).


Die Gesamtmortalität wurde in der Substitutionsgruppe um 12 % signifikant gesenkt, wobei die Reduktion der Todesfälle aus vaskulären Ursachen am stärksten ausgeprägt war (RR 0,88; 95%KI [0,82;0,96]; p=0,003). Besonders bemerkenswert war die signifikante Reduktion des relativen Risikos für Schlaganfall-bedingte Todesfälle um 21 %.

Fazit

Insgesamt zeigte diese Sekundäranalyse, dass Überlebende nach einem Schlaganfall von der Salzsubstitution profitieren: Die Schlaganfall-Rezidivrate und die Mortalität wurde signifikant gesenkt, ohne das Risiko einer Hyperkaliämie zu erhöhen. Somit könnte die Salzsubstitution eine einfache und kostengünstige Option zur Prävention von Schlaganfall-Rezidiven darstellen.  

Natrium-Restriktion zur Blutdrucksenkung?

 

Als eines der ersten Länder weltweit führte Südafrika im Jahr 2013 gesetzliche Regelungen zur Reduktion der Salzhöchstmengen um 25 % bis 80 % ein, die 13 Lebensmittel-Kategorien umfassten. Bis heute sind in Südafrika mehr verarbeitete Lebensmittel-Kategorien eingeschlossen als in jedem anderen Land. Das Gesetz zur Salzrestriktion wurde in 2 Schritten umgesetzt: 2016 wurden die Salzhöchstmengen um 20 % bis 70 % reduziert und 2019 nochmals um 5 % bis 46 % in den denselben Kategorien.


Bisher gab es noch keine Daten darüber, wie sich Urin-Natriumwerte und Blutdruck seit Einführung der gesetzlichen Salzrestriktionen in der Bevölkerung veränderten.

Methodik

Die vorliegende Analyse basierte auf Daten der HAALSI-Studie mit 5.059 Personen (Alter ≥40 Jahren) aus dem ländlichen Raum von Südafrika.3 Natriumexkretion im Sammelurin und Blutdruckwerte wurden zu 3 Zeitpunkten analysiert: vor Inkrafttreten (2014), nach Inkrafttreten (2018) und nach Verschärfung der Regulierungen (2021).


Die Gesetzgebung umfasste Salzhöchstgrenzen für folgende 13 Lebensmittel-Kategorien: Brot, Frühstücksflocken, Butter und fetthaltige Brotaufstriche, 3 Sorten Chips und herzhafte Snacks, Rohwurst, 2 Sorten verarbeitetes Fleisch, 3 Sorten Tütensuppen und -Soßen sowie Brühkonzentrate.

Ergebnisse

Personen, von denen Urinproben vorlagen, waren etwas jünger gegenüber der HAALSI-Gesamtkohorte (mittleres Alter 63 Jahre und 53,6 % Frauen). Urinproben lagen in den Jahren 2014, 2019 und 2021 jeweils von 1.918; 1.002 und 1.064 Personen vor sowie systolische/diastolische Blutdruckwerte jeweils von 1.899; 895 und 1.039 Personen.


Die mittlere Natrium-Exkretion im 24h-Urin betrug 3,08 g im Jahr 2014. Bis 2019 sank die mittlere Natrium-Exkretion signifikant um 0,22 g bzw. um 0,23 g im Jahr 2021. Für Personen mit Urinproben zu allen 3 Zeitpunkten (n=659) war die Natrium-Reduktion größer: jeweils 0,26 g für 2019 und 2021. Der Anteil der Personen, die den idealen Natriumkonsum laut WHO (<2 g pro Tag) erreichte, stieg von 7 % im Jahr 2013 auf 17 % im Jahr 2021.   

Zusammenhang zwischen Natrium-Reduktionen im Urin und Blutdruck

Ein Gramm Natriumreduktion war mit einer signifikanten Reduktion des systolischen Blutdrucks um 1,44 mmHg (95%KI [0,93;1,94]; p<0,001) assoziiert. Dieser Zusammenhang wurde nur geringfügig abgeschwächt (1,30 mmHg pro Gramm Natrium) bei Adjustierung nach Alter, Geschlecht, Alkoholkonsum, Raucherstatus, BMI und Blutdruckmedikation. Der diastolische Blutdruck nahm um 0,5 mmHg pro Gramm Natrium ab. Bei Personen mit Urinproben zu allen 3 Zeitpunkten (n=659) war die Reduktion des systolischen Blutdrucks größer: -1,75 mmHg pro Gramm Natrium (95%KI [0,95;2,55]; p<0,001).


Die Untersuchung von Lebensmittel-Stichproben (Brot, Tütensuppe, Butter oder Aufstriche und Snacks) aus lokalen Supermärkten im Einzugsgebiet ergab, dass der Natriumgehalt in den Produkten zwischen 2016 und 2021 den gesetzlichen Vorgaben entsprach.

Fazit

In Südafrika machen verarbeitete Lebensmittel etwa 55 % der konsumierten Gesamtnahrung aus. In dieser Studie wurde nachgewiesen, dass durch gesetzliche Vorgaben zu Salzhöchstmengen von verarbeiteten Lebensmitteln signifikante Reduktionen der Natriumwerte im Urin und der Blutdruckwerte erreicht werden können. Diese Ergebnisse befürworten gesundheitspolitische Maßnahmen, wie gesetzliche Salzrestriktionen in Lebensmitteln, als sinnvolle und hilfreiche Strategien zur Verbesserung der Gesundheit in der Bevölkerung.

Expertenkommentar

Natrium-Restriktion oder Kalium-Substitution?

Kein klinischer Wirksamkeitsbeweis für die Natrium-Restriktion

Die Datenlage zur Natrium-Restriktion bleibt komplex. Mehrere große Beobachtungsstudien wie die Prospective Urban Rural Epidemiology (PURE) Studie zeigen für die Assoziation der Natriumausscheidung mit kardiovaskulären Ereignissen eine U-Kurve mit einem erhöhten Risiko bei einer hohen Ausscheidung (6 g/Tag), insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit Hypertonie, aber auch einem erhöhten Risiko bei einer niedrigen Natriumausscheidung (<3 g/Tag).4,5 Es besteht eine interindividuelle Heterogenität der Salz-Sensitivität und es wurde diskutiert, dass eine zu starke Salzrestriktion im Einzelfall, z.B. durch eine Aktivierung des RAAS, unvorteilhaft sein könnte. Die PURE-Studie wurde methodisch u.a. aufgrund der Verwendung von Spot-Urin und der Kawasaki-Formel kritisiert, andere Studien mit 24h-Urin zeigten eine positive Korrelation von NaCl mit Blutdruck ab ca. 3 g/Tag.6 Der entscheidende Punkt ist jedoch, dass nach Jahrzehnten der Diskussionen zu NaCl keine prospektive Studie vorliegt, die eine Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen durch eine NaCl-Reduktion zeigen kann.7

Konsistente Datenlage für die Kalium-Substitution

Für die Kalium-Substitution ist die Datenlage deutlich homogener. Auch PURE und andere Studien zeigten eine kontinuierliche inverse Assoziation, im Vergleich zu einer Kaliumausscheidung von <1,5 g/Tag war eine höhere Kaliumausscheidung mit einem reduzierten kardiovaskulären Risiko verbunden. Der Kalium-Gehalt der Nahrung korreliert mit dem Anteil von Gemüse, Früchten und Nüssen. Eine kaliumreiche Ernährung ist unabhängig von der Natriumaufnahme mit niedrigerem Blutdruck assoziiert, mechanistisch werden für die Kaliumaufnahme u.a. eigenständige blutdrucksenkende Mechanismen durch Vasodilatation, Natriurese („potassium switch“) und RAAS-Hemmung beschrieben. In der DASH-Natrium-Studie war eine kaliumreiche Ernährung insgesamt - und auch bei Personen mit hoher NaCl-Aufnahme - mit niedrigerem Blutdruck assoziiert.8 Es liegen mehrere positive prospektive Interventions-Studien zur Kalium-Substitution mit klinischen Endpunkten vor. Die wichtigen Daten der oben beschriebenen SSaSS-Studie werden unter anderem durch die Ergebnisse der DECIDE-Salt-Studie unterstützt.9,10 In Zusammenschau sprechen zur kardiovaskulären Prävention daher mehr Argumente für eine Substitution von NaCl durch KCl als für eine Mengenbegrenzung von NaCl.

Lässt sich die Kalium-Substitution umsetzen?

Der Geschmack von Speisesalz verändert sich kaum merklich, wenn 25 % Kaliumchlorid (KCl) anstelle von Natriumchlorid (NaCl) verwendet wird. Ab ca. 30–40 % KCl wird ein metallischer oder bitterer Nachgeschmack beschrieben. Für den Einzelnen ist eine quantitativ relevante Substitution nicht einfach umzusetzen, da in Deutschland der Großteil (über 80 %) der täglichen Salzzufuhr durch verarbeitete Lebensmittel erfolgt. Dabei entfällt etwa ein Drittel des Salzkonsums auf Backwaren wie Brot und Brötchen. Nur ein sehr kleiner Anteil des täglichen Salzkonsums erfolgt im Rahmen der eigenen Speisezubereitung oder aus dem Salzstreuer am Tisch - hier liegt ein entscheidender Unterschied zu den Gewohnheiten der Teilnehmenden der Studie im ländlichen China, die einen großen Anteil der Speisen selber zubereiten. Für eine Verhältnisprävention durch relevanten NaCl->KCl-Ersatz in Deutschland müsste also die Lebensmittelindustrie grundlegend ihre Rezepturen umstellen.

 

Ein NaCl->KCl-Ersatz im Rahmen einer individuellen Verhaltensprävention erfordert aktuell eigenes Backen und Kochen. Kaliumsalz-Mischungen mit einem relevanten KCl-Anteil sind verfügbar, aber nicht weit verbreitet und kosten um 20 Euro pro Kilogramm. Eigenes Zubereiten von Produkten aus Feld und Garten ist auch unabhängig von der Auswahl des Salzes mit höherer Kalium-Zufuhr und verschiedenen weiteren positiven Effekten assoziiert.

Zum Autor

Prof. Ulrich Laufs

Prof. Ulrich Laufs ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig. Zu seinen Schwerpunkten gehören u. a. kardiovaskuläre Prävention und Lipoprotein-Stoffwechselstörungen. Im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) vertritt er den Bereich der Universitätskliniken.

Referenzen

 

  1. https://www.worldactiononsalt.com/awarenessweek/salt-awareness-week/
  2. Ding X et al. Salt Substitution and Recurrent Stroke and Death: A Randomized Clinical Trial. JAMA Cardiol. 2025 Feb 5:e245417. doi: 10.1001/jamacardio.2024.5417. Epub ahead of print. PMID: 39908026; PMCID: PMC11800127.
  3. Gaziano T et al. Sodium Reduction Legislation and Urinary Sodium and Blood Pressure in South Africa. JAMA Cardiol. 2025 Feb 5:e245410. doi: 10.1001/jamacardio.2024.5410. Epub ahead of print. PMID: 39908059; PMCID: PMC11800126.
  4. O'Donnell M et al. Urinary sodium and potassium excretion, mortality, and cardiovascular events. N Engl J Med. 2014 Aug 14;371(7):612-23. doi: 10.1056/NEJMoa1311889. Erratum in: N Engl J Med. 2014 Sep 25;371(13):1267. PMID: 25119607
  5. Mente A et al. Urinary sodium excretion, blood pressure, cardiovascular disease, and mortality: a community-level prospective epidemiological cohort study. Lancet. 2018 Aug 11;392(10146):496-506.
  6. Tan M et al. Salt and cardiovascular disease in PURE: A large sample size cannot make up for erroneous estimations. J Renin Angiotensin Aldosterone Syst. 2018 Oct-Dec;19(4):1470320318810015.
  7. O'Donnell M et al. Salt and cardiovascular disease: insufficient evidence to recommend low sodium intake. Eur Heart J. 2020 Sep 14;41(35):3363-3373.
  8. Sacks FM et al. Effects on blood pressure of reduced dietary sodium and the Dietary Approaches to Stop Hypertension (DASH) diet. DASH-Sodium Collaborative Research Group. N Engl J Med. 2001 Jan 4;344(1):3-10.
  9. Chang HY et al. Effect of potassium-enriched salt on cardiovascular mortality and medical expenses of elderly men. Am J Clin Nutr. 2006 Jun;83(6):1289-96.
  10. Zhang X et al. Effect of a Salt Substitute on Incidence of Hypertension and Hypotension Among Normotensive Adults. J Am Coll Cardiol. 2024 Feb 20;83(7):711-722. doi: 10.1016/j.jacc.2023.12.013. PMID: 38355240.

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