Bluthochdruck – ein Paarproblem? Studie zu konkordanter Hypertonie

 

In Partnerschaften wird vieles geteilt – anscheinend auch oft die Hypertonie. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie, die Daten von Paaren mittleren und hohen Alters aus den USA, England, Indien und China verglich und im Journal of the American Heart Association veröffentlicht wurde.1 Die Forschenden betonen das Potenzial paarbezogener Diagnose- und Therapiemaßnahmen.

Von:

Martin Nölke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

07.12.2023

 

Bildquelle (Bild oben): ARZTSAMUI / Shutterstock.com

Hypertonie gehört zu den wichtigsten veränderbaren kardiovaskulären Risikofaktoren. Doch trotz der hohen Prävalenz wird Bluthochdruck häufig unzureichend diagnostiziert und kontrolliert. Dabei setzen Diagnose und Therapie in der Regel auf der individuellen Ebene an. Ob auch ein Paar- bzw. Haushalt-basierter Managementansatz zielführend sein könnte, untersuchte nun eine große multinationale Studie.


Die Forschenden analysierten die Konkordanz von Bluthochdruck bei heterosexuellen Paaren, also ob die Partnerinnen und Partner den Bluthochdruckstatus der jeweils anderen Person spiegelten. Frühere Studien zur konkordanten Hypertonie bei Paaren berichteten über widersprüchliche Ergebnisse, waren jedoch nur auf kleinere und regionale Stichproben beschränkt. Die neue internationale Vergleichsstudie berücksichtigte dagegen bevölkerungsrepräsentative Daten für Paare mittleren und höheren Alters aus 4 Ländern (USA, England, China und Indien) mit sehr unterschiedlichen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und gesundheitlich-epidemiologischen Rahmenbedingungen.

Ländervergleich: Hypertonie-Konkordanz bei Paaren

 

Laut Studiendaten ist Bluthochdruck in den USA und England weiterverbreitet als in China und Indien, allerdings war der Zusammenhang beim Blutdruckstatus innerhalb der Paare in China und Indien stärker als in den USA und England.

 

Die Prävalenz der konkordanten Hypertonie bei Paaren betrug:

 

  • USA 37,9 % (95%-KI  35,8–40,0)
  • England 47,1 % (95%-KI 43,2–50,9)
  • China 20,8 % (95%-KI, 19,6–21,9)
  • Indien 19,8 % (95%-KI, 19,0-20,5)

 

Die Wahrscheinlichkeit einer Hypertonie war bei Partnerinnen von Bluthochdruck-Betroffenen im Vergleich zu Partnerinnen von Unbetroffenen folgendermaßen erhöht:

 

  • USA um 9 % (95%-KI 1,01–1,17)
  • England um 9 % (95%-KI, 0,98–1,21)
  • China um 26 % (95%-KI, 1,17–1,35)
  • Indien um 19 % (95%-KI, 1,15–1,24)


Für die Partner wurden innerhalb der einzelnen Länder ähnliche Zusammenhänge beobachtet. Auch bei Stratifizierung nach sozioökonomischen Faktoren wie Wohnort, Bildung, Wohlstand, Altersgruppe und Dauer der Partnerschaft blieben die Zusammenhänge bestehen.


Im Ländervergleich waren die Assoziationen in den USA und England ähnlich, während sie in China und Indien größer waren. Als einen Grund dafür vermuten die Forschenden kulturelle Unterschiede. In kollektivistisch geprägten Gesellschaften wie in China und Indien könnte auch die Gesundheit zwischen Partnerinnen und Partnern stärker miteinander verbunden sein.

Daten von fast 34.000 Paaren aus 4 Altersstudien

 

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten die Blutdruckwerte von 3.989 US-amerikanischen Paaren, 1.086 englischen Paaren, 6.514 chinesischen Paaren und 22.389 indischen Paaren. Grundlage waren 4 nationale Erhebungen: die US Health and Retirement Study 2016/2017, die English Longitudinal Study on Aging 2016/2017, die China Health and Retirement Longitudinal Study 2015/2016 sowie die Longitudinal Aging Study in Indien, 2017–2019.


Die teilnehmenden Paare lebten im selben Haushalt und gaben an, miteinander verheiratet oder verpartnert zu sein. Das Durchschnittsalter der Partner in der Studie lag bei 65,7 Jahren in den USA, 74,2 Jahren in England, 61,5 Jahren in China und 57,2 Jahren in Indien. Das Durchschnittsalter der Partnerinnen betrug 62,9 Jahre in den USA, 72,5 Jahre in England, 59,2 Jahre in China und 51,1 Jahre in Indien.


Zu den Limitationen der Studie gehört, dass der Bluthochdruckstatus nur auf Basis eines einzigen Erfassungszeitpunkts definiert wurde. Die Teilnehmenden wurden mit Hypertonie eingestuft, wenn sie einen der folgenden Indikatoren aufwiesen: systolischer Blutdruck ≥ 140 mmHg, diastolischer Blutdruck ≥ 90 mmHg – jeweils auf Basis von 3 Messungen – oder Bluthochdruck in der Vorgeschichte. Eine weitere Einschränkung ist, dass nur heterosexuelle Paare berücksichtigt wurden.

Paarzentrierte Ansätze im Hypertonie-Management

 

Aufgrund der hohen Prävalenz von Bluthochdruck und der beobachteten Konkordanz bei heterosexuellen Paaren mittleren und hohen Alters betonen die Studienautoren und -autorinnen den potenziellen Nutzen paarbezogener Maßnahmen zur Diagnose und Behandlung von Bluthochdruck. Das könnten beispielsweise paarbezogene Vorsorgeuntersuchungen, Schulungen oder die gemeinsame Teilnahme an Behandlungsprogrammen sein.

Referenzen

 

  1. Varghese JS et al. Spousal Concordance of Hypertension Among Middle-Aged and Older Heterosexual Couples Around the World: Evidence From Studies of Aging in the United States, England, China, and India. J Am Heart Assoc. 2023 Dec 6:e030765. doi: 10.1161/JAHA.123.030765. Epub ahead of print. PMID: 38054385.

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