Leitlinien Katalog

2018
DGK
ESC

Kommentar zu der Leitlinienaktualisierung (2017) der ESC zur dualen antithrombozytären Therapie (DAPT) bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit

Autoren

F.-J. Neumann · R. A. Byrne · M. Gawaz · H. M. Hoffmeister · A. Schäfer · D. Trenk · S. Massberg* * Für die Kommission für Klinische Kardiovaskuläre Medizin

Zusammenfassung

Dieser Artikel kommentiert die im September 2017 veröffentlichte Leitlinienaktualisierung zur dualen Plättchenhemmung (DAPT) der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und geht dabei v. a. auf die Änderungen im Vergleich zu vorausgegangenen Leitlinien ein. Bei Patienten mit perkutaner Koronarintervention (PCI) ist die DAPT von zentraler Bedeutung. Eine Vorbehandlung mit Clopidogrel vor PCI soll bei Patienten mit stabiler Angina pectoris nur erfolgen, wenn die Indikation zur PCI gesichert oder sehr wahrscheinlich ist. Bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom ohne ST-Hebung kann eine Vorbehandlung mit Ticagrelor erfolgen, sobald die Diagnose gesichert ist, mit Prasugrel, nur wenn bei bekannter Koronaranatomie eine PCI geplant ist. Beim Myokardinfarkt mit ST-Hebung werden sowohl Ticagrelor als auch Prasugrel mit einem Behandlungsbeginn zum Zeitpunkt der Diagnosestellung empfohlen. Ein wichtiger neuer Aspekt der Leitlinie ist die Individualisierung der Dauer der DAPT nach koronarer Stentimplantation, die sich am ischämischen Risiko und am Blutungsrisiko orientiert. Ein akutes Koronarsyndrom als Indikation für die PCI definiert als wichtigstes Kriterium ein hohes ischämisches Risiko. In diesem Fall sollte die DAPT mit potenten P2Y12-Inhibitoren (Prasugrel oder Ticagrelor) in der Regel für 12 Monate fortgesetzt werden. Bei hohem Blutungsrisiko kann eine Verkürzung auf 6 Monate erwogen werden. Umgekehrt sollte bei niedrigem Blutungsrisiko und guter Verträglichkeit der DAPT eine Verlängerung über 12 Monate hinaus erwogen werden. Nach PCI bei stabiler koronarer Herzkrankheit sollte die DAPT in der Regel für 6 Monate erfolgen. Je nach Blutungsund ischämischem Risiko ist eine Verkürzung auf minimal 1 Monat oder eine Verlängerung auf maximal 30 Monate möglich. Als wichtige Neuerung macht die aktualisierte Leitlinie keinen Unterschied in der Dauer der DAPT zwischen Drug-eluting-Stents (DES) und Bare-metal-Stents (BMS), sodass eine angestrebte kurze Dauer der DAPT keine Begründung für die Verwendung eines BMS darstellt. Auch bei Patienten mit zusätzlicher Indikation zur Antikoagulation empfiehlt die aktualisierte Leitlinie individualisierte Therapieentscheidungen nach PCI. Steht das ischämische Risiko im Vordergrund, so sollte in der Regel für 6 Monate eine TripleTherapie mit Azetylsalizylsäure, Clopidogrel und Antikoagulation (Vitamin-K-Antagonisten oder nicht Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulanzien) durchgeführt werden. Nach 6 Monaten wird auf einen Plättchenhemmer in Kombination mit oraler Antikoagulation deeskaliert und nach 12 Monaten allein mit oraler Antikoagulation weiter behandelt. Bei Patienten mit überwiegendem Blutungsrisiko stellt die neue Leitlinie gleichberechtigt 2 Therapiemöglichkeiten nebeneinander: die Verkürzung der Triple-Therapie auf 1 Monat oder die duale antithrombotische Therapie mit Antikoagulation und Clopidogrel.  

Literaturnachweis

Neumann, FJ., Byrne, R.A., Gawaz, M. et al.
Kardiologe (2018) 12: 250.
https://doi.org/10.1007/s12181-018-0258-1
Diese Seite teilen