TAVI-Comics: Bunte Bilder helfen bei der Patientenaufklärung

Dieser Artikel erschien zuerst im Jahresbericht 2022 der DGK.

 

Die Projektgruppe des Deutschen Herzzentrums der Charité (vormals Charité – Universitätsmedizin Berlin und Deutsches Herzzentrum) konnte Ende 2022 die Studie zur Wirkung medizinischer Grafiken zur Patienteninformation mit erfreulichem Ergebnis abschließen. Die Projektverantwortlichen PD Dr. Anna Brand und Professor Verena Stangl ziehen Bilanz. 

Von Jahresbericht der DGK 2022

 

13.04.2023

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, heißt es, und auch in der Medizin scheint sich das Sprichwort zu bewahrheiten. Das zumindest zeigte ein Projekt der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin des Deutschen Herzzentrums der Charité. Hier hatte man schon länger beobachtet, dass Patientinnen und Patienten vermehrt mit Angst und Stress reagierten, wenn sie nicht verstehen, was mit ihnen geschehen soll. Dies kann eine informierte Entscheidung für einen geplanten Eingriff hemmen. Gerade bei komplizierten Eingriffen, wie der Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI), fällt es Ärzt:innen oft schwer, nur mit Worten zu ihren Patient:innen durchzudringen. 

Mit einfachen Mitteln zu besserem Verständnis

PD Dr. Anna Brand, Oberärztin für interventionelle Kardiologie und Leiterin des TAVI-Programms: „Viele Patient:innen haben nur ein eingeschränktes Verständnis von dem was wir da mit ihnen vorhaben und können unseren Erklärungen nicht immer folgen. Wenn viele Fachwörter fallen, die sie nicht kennen, trägt das eher zur Verunsicherung als zur Aufklärung bei. Das gilt vor allem für ältere Patient:innen bei denen eine kognitive Dysfunktion vorliegt. Aber auch bei Personen mit Migrationshintergrund kann es durch sprachliche Barrieren zu Unsicherheit kommen. All das macht die Verständigung für uns schwierig.“

 

Die Erfahrung zeigt: Ängste und ein eingeschränktes Verständnis der Patientinnen und Patienten können sich negativ auf ihre Entscheidungsfindung auswirken. Deshalb wurde nach einem Weg gesucht, um das Vorgespräch für alle Beteiligten zu erleichtern. Die Lösung sah die Projektgruppe darin, eine Informationsbroschüre zu erarbeiten, die den TAVI-Eingriff als Comic darstellt. Durch verständliche Bilder und vereinfachte Sprache sollte die Informierung der Patient:innen verbessert und gleichzeitig auch Ängste abgebaut werden. Gefördert wurde das Projekt durch das Zentrum für kardiovaskuläre Versorgungsforschung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK-ZfKVF). Eine begleitende Pilotstudie hielt die Ergebnisse fest. Ende des Jahres 2022 konnte das Projekt abgeschlossen werden.

Comic Abbildung

Aufbau der Studie:

Durchgeführt wurde eine randomisierte, kontrollierte Pilotstudie mit stationär aufgenommenen Patient:innen an der Charité-Universitätsmedizin Berlin und dem Deutschen Herzzentrum Berlin (seit 01.01.2023 Deutsches Herzzentrum Charité). Es wurde überprüft, ob sich die Annahme bestätigt, dass medizinische Grafiken in einfacher Sprache einen positiven Effekt auf das Verständnis der Patient:innen und den Abbau von Stress oder Angstgefühlen haben können. 301 Patient:innen, bei denen eine elektive TAVI geplant war, wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Probanden der ersten Gruppe erhielten die übliche Aufklärung durch die behandelnden Ärzt:innen sowie eine Patientenbroschüre mit medizinischen Grafiken (Comic-Gruppe; n=153). Die zweite Gruppe erhielt die übliche Aufklärung sowie eine Informationsbroschüre über das Klinikum als Placebo-Information(Kontrollgruppe; n=148). Primäre Endpunkte waren das Patientenverständnis zentraler aufklärungsbezogener Aspekte (14 Einzelitems) und die periprozedurale Angst, erfasst mit dem validierten Spielberger State Trait Anxiety Inventory (STAI). Beides wurde nach dem kognitiven Status gemäß dem Montreal Cognitive Assessment (MoCA) analysiert. Registriert ist die Studie beim Deutschen Register für Klinische Studien (DRKS00021661).

Ergebnisse:

Ergebnisse aus Studie

Die Anzahl der richtigen Antworten bei normaler kognitiver Funktion (MoCA-Score ≥26) betrug 13,0 (SD 1,0) gegenüber 12,0 (1,3) (mittlere Differenz 1,02 [95%CI 0,57 bis 1,46], p<0,001); und 12,6 gegenüber 10,9 (mittlere Differenz 1,75 [95%CI 1,35 bis 2,15], p<0,001) bei kognitiver Beeinträchtigung (MoCA-Score <26) in der Comic- bzw. Kontrollgruppe. Der mittlere Rückgang des STAI-Scores betrug 5,75 (95% CI 5,06 bis 6,29) in der Comic-Gruppe und 0,75 (95% CI 0,15 bis 1,44) in der Kontrollgruppe (p<0,001).


Schlussfolgerungen aus der Pilotstudie:

Die Projektgruppe konnte belegen, dass der Einsatz medizinischer Grafiken zur Informierung über den TAVI-Eingriff eine positive Wirkung bei älteren Patient:innen aufweist. Das Verständnis über den Eingriff konnte durch die Comic-gestützte Broschüre signifikant verbessert werden, insbesondere, wenn zusätzlich eine kognitive Dysfunktion vorliegt. Die Comic-gestützte Broschüre minderte zudem signifikant die periprozedurale Angst in diesem besonderen/vulnerablen Patientenkollektiv, sowohl bei Vorliegen einer kognitiven Dysfunktion als auch bei uneingeschränkter kognitiver Funktion.

Bessere Patientenaufklärung wird zukünftig an Bedeutung gewinnen

TAVI-Eingriffe werden in Zukunft deutlich häufiger nötig sein. Durch den demografischen Wandel wird die Anzahl älterer Personen in der Gesamtbevölkerung stetig höher. Das heißt, dass auch zunehmend mit kognitiven Einschränkungen und fortgeschrittenem Alter bei zukünftigen Patient:innen zu rechnen sein wird. Bisher blieben diese Faktoren aber bei der Patientenaufklärung weitestgehend unberücksichtigt. Methoden wie die TAVI-Comics werden durch den nachweisbar positiven Effekt immer wichtiger werden.

 

„Für uns ist das ein erfreuliches Studienergebnis und ein Beleg dafür, wie bedeutsam eine gute medizinische Aufklärung für das Stresslevel und die Psyche der Patientinnen und Patienten ist“, sagt Professor Verena Stangl, Mitherausgeberin und -autorin der TAVI-Comics. „Patienten-zentrierte Endpunkte sind zunehmend von klinischer und wissenschaftlicher Bedeutung. Wir können uns gut vorstellen, dass medizinische Grafiken in einfacher Sprache in Zukunft auch bei anderen Eingriffen Schule machen werden. Auch eine Übersetzung in verschiedene Sprachen für Menschen mit unzureichenden Deutschkenntnissen halte ich für denkbar – und nach diesen Ergebnissen durchaus sinnvoll.“

 

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