Lungenembolien bei COVID-19-Patienten: Worauf Ärzte achten sollten

Im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion kann eine Lungenembolie entstehen. Das Erscheinungsbild dieser Komplikation ist jedoch anders als bei anderen Lungenembolien, wie eine aktuelle Analyse zeigt. Darauf sollten Ärzte achten.

Von Veronika Schlimpert

 

28.06.2021

COVID-19-Patienten mit einer Lungenembolie haben andere klinische Charakteristika als sonstige Patienten mit Lungenembolien. Das jedenfalls suggeriert eine retrospektive Analyse, im Rahmen derer alle COVID-19-Diagnosen in 62 spanischen Notaufnahmen während der ersten Pandemie-Welle ausgewertet worden sind.

Lungenembolien in der Notaufnahme selten

Von den insgesamt 74.814 Patienten, die mit einer SARS-CoV-2-Infektion in der Notaufnahme vorstellig wurden, ließ sich bei 368 im CT eine Lungenembolie direkt nach der Klinikaufnahme nachweisen. Mit knapp 0,5% sei diese Komplikation in der Notaufnahme selten, resümieren die Studienautoren um Dr. Oscar Miro.

 

Trotz allem: Vergleicht man die Rate mit der generellen Inzidenz in der Notaufnahme, kommen Lungenembolien bei COVID-19-Patienten etwa neunmal häufiger vor als in der Allgemeinbevölkerung (standardisierte Inzidenz: 310 vs. 35 Fälle pro 100.000 Personenjahre; Odds Ratio, OR: 8,95).

 

Für die Vergleichsgruppe wurden Patienten berücksichtigt, die während desselben Zeitraumes (1. März bis 20. April) im Jahr 2020 und 2019 in der Notaufnahme die Diagnose einer Lungenembolie gestellt bekommen haben, ohne dass eine SARS-CoV-2-Infektion vorlag.

Unterschiede in den klinischen Charakteristika

Dabei stellten die spanischen Wissenschaftler Unterschiede in den klinischen Charakteristika beider Gruppen fest, also zwischen Nicht-COVID-19-Patienten mit Lungenembolien und COVID-19-Patienten mit Lungenembolien, folgende waren signifikant:

 

  • COVID-Patienten mit Lungenembolien litten häufiger an Fieber, Husten und Diarrhöen als andere Emboliepatienten.
  • Deutlich seltener beklagten sie sich dagegen über Brustschmerzen sowie Beinschwellungen oder Schmerzen im Bein – Beschwerden, die bei nicht infizierten Emboliepatienten typisch waren.
  • Auffällig war auch, dass D-Dimer-Werte > 1.000 ng/ml bei den COVID-19-Patienten seltener vorkamen, die Anstiege bei ihnen also oft diskreter ausfielen. 
  • Deutlich seltener wiesen COVID-19-Patienten dagegen typische Thrombose-Risikofaktoren auf wie zurückliegende thromboembolische Komplikationen, eine dauerhafte Östrogentherapie, aktive Krebserkrankung, aktiver Raucherstatus und ein Alter über 60 Jahre. 
  • Auch das Erscheinungsbild der Embolie bzw. der Lunge selbst unterschied sich: So waren bei den COVID-19-Patienten – wegen der Infektion wenig überraschend – häufiger Lungeninfiltrate und Milchglastrübungen im Röntgenthorax zu sehen. Die Thrombose selbst war zumeist in segmentalen und subsegmentalen Lungenarterien lokalisiert, wohingegen sie bei anderen Emboliepatienten häufiger in den großen Lungenarterien zu finden war.

Mortalität bei COVID-19-Patienten doppelt so hoch

Einen deutlichen Unterschied zwischen COVID- und Nicht-COVID-Patienten gab es auch bei der intrahospitalen Mortalität: Die war bei den COVID-Erkranken mehr als doppelt so hoch als bei anderen Emboliepatienten (16,0% vs. 6,5%). Wobei das weniger an der Embolie selbst, sondern an der COVID-19-Erkrankung zu liegen scheint. Denn die Sterblichkeit bei COVID-19-Patienten, die keine Lungenembolie hatten, war ähnlich hoch wie die Mortalität von COVID-19-Patienten mit Lungenembolie (11,4–16,6%). „Deshalb sollte eine Lungenembolie nicht als Risikofaktor für den Tod bei COVID-19-Patienten bewertet werden“, schließen Miro und Kollegen daraus.

Thrombosen entstehen womöglich direkt in der Lunge

Weil Beschwerden am Bein bei COVID-19-Patienten mit Lungenembolien seltener waren, vermuten die spanischen Mediziner, dass es im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion zu sog. in situ-Thrombosen in der Lunge kommen kann. Die Embolie also nicht z.B. vom Bein aus ihren Ursprung nimmt, und dann in die Lunge wandert, sondern vor Ort entsteht. Zur Thrombusbildung beitragen könnte ihrer Ansicht nach die infektionsgetriggerte Inflammation, einhergehend mit dem Alveolarschaden. Für diese Theorie spreche auch, dass die Embolien bei COVID-19-Patienten oft in kleineren Lungenarterien lokalisiert waren, erörtern sie. Definitiv beweisen können die Studienautoren ihre Vermutung allerdings nicht.

Bei Behandlung von COVID-19-Patienten wachsam sein

Als Implikation für den Alltag raten Miro und Kollegen bei COVID-19-Patienten zur generellen Wachsamkeit: „Da Risikofaktoren wie Beinsymptome weniger häufig vorkommen, und der Anstieg der D-Dimere niedriger ausfällt als bei Nicht-COVID-19-Patienten, die eine Lungenembolie entwickeln, sollte bei jedem behandelten Arzt, der COVID-19-Patienten untersucht, ein Alarmsignal ausgelöst werden, um eine Lungenembolie bei diesen Patienten detektieren zu können“ schreiben sie am Ende ihrer Publikation. Bei Nachweis einer Embolie sollte ihrer Ansicht nach sofort eine spezifische Antikoagulation begonnen werden. Kürzlich publizierte Daten zeigten, dass dies eine sichere Behandlung darstelle und COVID-19-Patienten mit Lungenembolien zur Verfügung gestellt werden sollte.


Literatur

Miro O et al. Pulmonary embolism in patients with COVID-19: incidence, risk factors, clinical characteristics, and outcome, Eur Heart J 2021; ehab314, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehab314

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