Konsequente Blutdrucksenkung den Patienten nicht vorenthalten!
Die Metaanalyse von Sipahi hat den Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Angiotensinrezeptorblockern (ARB) und dem Auftreten von Krebsfällen untersucht. Hierfür wurden 15 randomisierte kontrollierte Studien mit 74.021 Patienten analysiert, die mit einem ARB behandelt worden sind. Hierbei handelte es sich nicht ausschließlich um Hypertoniestudien, sondern auch um Studien zur Herzinsuffizienz oder Diabetes. Nach einer dreijährigen Therapie mit hochdosierten ARB zeigte sich eine erhöhte Krebsrate (relatives Risiko, RR: 1,11, p=0,006).
Bei der Interpretation muss an die methodischen Limitationen dieser und anderer Analysen gedacht werden, wie zum Beispiel das Fehlen individueller Patientendaten. Nur so kann für Confounder adjustiert werden, wie beispielsweise Nikotinkonsum, familiäre Disposition, Alter, Geschlecht usw.
In den letzten Jahren ist es zu einer großen Verunsicherung hinsichtlich der Sicherheit von Antihypertensiva in Bezug auf eine potenzielle Kanzerogenität, vor allem von ACE-Hemmern und Hydrochlorothiazid gekommen. Diese Verunsicherung bei der Verordnung von sehr häufig verwendeten Antihypertensiva wie ACE-Hemmer, ARB und Hydrochlorothiazid ist aus Beobachtungsstudien bzw. Registern entstanden, die wichtig für die Pharmakovigilanz sind, jedoch keine kausalen Beziehungen herstellen können.
In einer anderen, sehr großen und methodisch gut gemachten Metaanalyse wurden die Daten von 32 randomisierten Studien mit insgesamt 261.000 Bluthochdruckpatienten Daten individuell ausgewertet (Copland E et al. Lancet Oncol. 2021;22: 558-570). In den randomisierten Studien mit mindestens 1.000 Patientenjahren Nachbeobachtung wurden ACE-Hemmer, ARBs, Betablocker, Kalziumkanalblocker und Thiazide untersucht. Über ein medianes Follow-up von 4,2 Jahren konnten insgesamt 15.012 Krebsereignisse dokumentiert werden.
Egal ob im Vergleich zu Placebo oder einer jeweils anderen Wirkstoffklasse, es konnte keine Risikoerhöhung für irgendeine Tumorart festgestellt werden, weder für Brust-, Kolorektal-, Lungen-, Prostata- oder Hautkrebs. Keine der untersuchten Wirkstoffklassen hatte einen wesentlichen Einfluss auf die krebsbedingte Sterblichkeit. In dieser großen, methodisch gut gemachten Metaanalyse zeigte sich keine überzeugende Evidenz für ein erhöhtes Karzinomrisiko unter einer Therapie mit Erstlinien-Antihypertensiva (ACE-Hemmer, ARBs, Betablocker, Kalziumkanalblocker und Thiazide).
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Datenlage für eine potenzielle Kanzerogenität von Antihypertensiva ist nicht überzeugend. Bei der Behandlung von Hypertoniepatienten muss bedacht werden, dass eine konsequente Blutdrucksenkung ohne Zweifel mit einer Reduktion von schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen, wie Schlaganfall, Herzinfarkt und Tod, einhergeht und daher Patienten wegen fraglicher Sicherheitsbedenken nicht vorenthalten werden darf.