Quick Dive: Kardiologische Weiterbildung

 

In unserer Reihe "Quick Dive" stellen die Autorinnen und Autoren von Publikationen medizinischer Fachgesellschaften prägnant die wichtigsten Hintergründe und Inhalte der jeweiligen Veröffentlichung vor. Dieses Mal wird eingetaucht in:

 

Positionspapier Kardiologische Weiterbildung in Deutschland – vom Status quo zu bevorstehenden Herausforderungen und Lösungsvisionen

Aus der Kommission für Klinische Kardiovaskuläre Medizin der DGK in Kooperation mit der Sektion Young DGK

16.01.2025 | Verfasst von: Philipp Breitbart, Maria Isabel Körber, Volker Schächinger, Djawid Hashemi, Andrea Fister, Marvin Schwarz, Volker Rudolph, Stephan Baldus, Karl Werdan, Christian A. Perings & Hannah Billig


Von:

Martin Nölke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

18.02.2025

 

Bildquelle (Bild oben): vovan / Shutterstock.com

5 Fragen an den Erstautor

PD Dr. Philipp Breitbart, Universitäts-Herzzentrum Freiburg – Bad Krozingen

 

Was sind Anlass und Ziel der Publikation?

 

Die kardiologische Weiterbildung steht vor großen Herausforderungen: der Übergang von stationären zu ambulanten Behandlungen, die Digitalisierung mit potenziell sinkenden Untersuchungszahlen und eingeschränkter Diagnostikverfügbarkeit sowie Konflikte zwischen einer breiten internistischen Ausbildung und einer frühen Spezialisierung. Hinzu kommen fehlende flexible Arbeitszeitmodelle und unzureichende Integrationsprogramme für ausländische Fachkräfte, die sowohl die Ausbildungsorganisation als auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschweren.


Ziel der Publikation ist es, diese Herausforderungen zu adressieren und mit gezielten Maßnahmen sowie praxisnahen Tipps die Attraktivität der Kardiologie zu sichern.

 

Was sind die wichtigsten Take-Home Messages?

 

Zu den Herausforderungen während der Weiterbildung:

 

  1. Ausgewogene Weiterbildungskonzepte: Die kardiologische Weiterbildung benötigt eine bessere Balance zwischen stationären und ambulanten Schwerpunkten sowie den Ausbau hybrider Modelle. Zudem ist eine schnellere Anpassung der Weiterbildungsordnung an medizinische Entwicklungen notwendig, um den Zugang zu modernen Diagnostikmethoden wie Kardio-CT und Kardio-MRT zu gewährleisten.
  2. Herausforderungen bei der Spezialisierung: Die Zunahme der Patientenkomplexität erfordert eine breite internistische Basis, steht jedoch im Spannungsfeld zur frühzeitigen Spezialisierung in kardiologischen Teilbereichen. Die Wahl der Weiterbildungsform und -stätte sollte daher mit Blick auf langfristige berufliche Ziele sorgfältig getroffen werden.
  3. Flexible Arbeitszeitmodelle: Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, sind flexible Arbeitszeitmodelle erforderlich, die gleichzeitig den Anforderungen der Patientenversorgung gerecht werden. Teilzeitmodelle und andere familienfreundliche Strukturen für alle Karrierestufen müssen stärker in den Klinikalltag integriert werden.
  4. Integration internationaler Fachkräfte: Die Integration ausländischer Ärztinnen und Ärzte wird durch lange Bearbeitungszeiten und fehlende Unterstützungsmaßnahmen erschwert. Transparente Prozesse und gezielte Hilfsprogramme können dazu beitragen, den Übergang in die ärztliche Tätigkeit zu erleichtern.
  5. Bürokratische und politische Einflüsse: Vermehrte administrative Aufgaben belasten Weiterbildungsassistenten und -assistentinnen und mindern die Zeit für praktische Tätigkeiten. Die Nutzung digitaler Strukturen und der innovative Einsatz von Softwarelösungen können bei der Reduktion administrativer Zeiten helfen. Darüber hinaus ist die Weiterbildung von politischen Entwicklungen abhängig, die klare Rahmenbedingungen und langfristige Planungssicherheit erfordern.
Kardiologische Weiterbildung - Herausforderungen und Tipps

Abb.: Herausforderungen in der Weiterbildung sowie "Tipps & Tricks" für eine erfolgreiche kardiologische Weiterbildung. (Bildquelle: Breitbart P., Körber M. I., Schächinger V., et al. 2025 Positionspapier Kardiologische Weiterbildung in Deutschland – vom Status quo zu bevorstehenden Herausforderungen und Lösungsvisionen. Kardiologie (2025) https://doi.org/10.1007/s12181-024-00722-8.)

„Tipps & Tricks“ für Weiterzubildende, Weiterbilderinnen und Weiterbilder:

 

  1. Planung der Weiterbildung: Berufliche Ziele sollten frühzeitig definiert werden – beispielsweise Niederlassung oder Tätigkeit im Krankenhaus – und die Weiterbildungsstätte entsprechend ausgewählt werden. Regelmäßige Gespräche mit Mentorinnen, Mentoren oder Vorgesetzten helfen Weiterzubildenden, den Karriereweg bei Bedarf anzupassen.
  2. Mentoring und Networking: Weiterzubildende sollten Mentoring-Programme nutzen, um Unterstützung in beruflichen Konfliktsituationen zu erhalten und Strategien für Herausforderungen zu entwickeln. Networking auf Kongressen, auf Fortbildungen oder über soziale Medien stärkt die eigene berufliche Identität und eröffnet neue Karrierechancen.
  3. Familienfreundliche Arbeitsmodelle: Weiterzubildende mit familiären Verpflichtungen sollten bei der Wahl ihrer Weiterbildungsstätte auf Angebote wie flexible Arbeitszeiten, Betriebskindergärten oder Homeoffice-Optionen für administrative Aufgaben achten. Teilzeitkonzepte und langfristige Verträge schaffen zusätzliche Planungssicherheit. Arbeitgeber, die diesbezüglich Angebote schaffen, erhöhen ihre Attraktivität.
  4. Integration internationaler Kolleginnen und Kollegen: Fördern Sie die sprachliche und fachliche Eingliederung durch Mentoring-Programme, Handbücher für den Berufseinstieg und transparente Weiterbildungspläne. Beschleunigte Verfahren bei Ärztekammern und Behörden unterstützen eine zügige Integration.
  5. Interdisziplinarität: Die Planung der Weiterbildung sollte darauf ausgerichtet sein, systematisch interdisziplinäre Kompetenzen aufzubauen – insbesondere in Bereichen wie CT-/MRT-Bildgebung. Diese Fähigkeiten gewinnen an Bedeutung, um komplexe Patientenfälle kompetent betreuen zu können.
  6. Forschung während der Weiterbildung: Forschungsinteressierte Weiterzubildende sollten Förderprogramme wie „Clinician Scientist“-Programme nutzen und vorab mit ihren Landesärztekammern abstimmen, ob und in welchem Umfang eine Freistellung auf die Weiterbildung angerechnet werden kann.
  7. Ambulante Weiterbildung: Für Weiterzubildende mit dem Wunsch einer zukünftigen Niederlassung empfiehlt sich eine Ergänzung ihrer klinischen Ausbildung durch Erfahrungen in weiterbildungsbefugten Praxen oder ambulanten Einrichtungen, um gezielt auf eine spätere Praxistätigkeit vorbereitet zu sein.
  8. Digitalisierung: Angehende Kardiologinnen und Kardiologen sollten sich regelmäßig in digitalen Themen fortbilden. Dazu bieten sich u. a. Simulatortrainings, Kurse, Kongresssitzungen und weitere Informationsquellen zu aktuellen digitalen Anwendungen an. Falls angeboten, kann auch eine Telemedizin-Rotation den Umgang mit neuen Technologien vertiefen. Anwendungen mit künstlicher Intelligenz können dabei helfen, kardiologische Diagnostiken zu erlernen und mit manuellen Auswertungen abzugleichen.
  9. Flexibilität bei Karrierewegen: Wechsel oder „Quereinstiege“ in andere Weiterbildungsstätten sind möglich, können jedoch Verlängerungen der Weiterbildungszeiten mit sich bringen. Diese Option muss daher rechtzeitig eingeplant werden.

 

Was sind Herausforderungen bei der Umsetzung und mögliche Lösungen?

 

Die Weiterbildungsordnung für Kardiologen und Kardiologinnen muss regelmäßig überarbeitet werden, um mit medizinischen und technologischen Entwicklungen Schritt zu halten. Besonders wichtig sind die Ausbildung in kardialer Bildgebung – unabhängig von den Ressourcen der Ausbildungsstätten – und die Vermittlung digitaler Kompetenzen wie Telemonitoring und die Auswertung von Daten aus Wearables (z. B. Smartwatches). Flexible Weiterbildungspfade, angepasst an die Bedingungen in klinischen und ambulanten Strukturen, sind essenziell, um die Qualität der Patientenversorgung langfristig zu sichern.

 

Ein weiteres Problem ist der aufwendige bürokratische Prozess bei der Anerkennung ausländischer Qualifikationen, der eine unnötige Belastung der Betroffenen bedeutet.


Lösungsansätze umfassen die Vereinfachung der Anerkennungsverfahren, die Einführung digitaler Kompetenzen als festen Bestandteil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung sowie die Entwicklung von Kriterien zur Qualitätssicherung digitaler Anwendungen durch Fachverbände wie die DGK. Angebote wie die DGK eCardiology und die Young DGK können kurzfristig Unterstützung bieten.

 

Welche Punkte sind offengeblieben?

 

Das Positionspapier fasst die zentralen Herausforderungen der Weiterbildung zusammen – von der Wahl der passenden Facharztausbildung bis hin zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie – und bietet Lösungsansätze im Rahmen der bestehenden Regularien.


Offen bleibt jedoch die Umsetzung struktureller Änderungen grundlegender Rahmenbedingungen. Diese liegen zum Großteil außerhalb des alleinigen Einflusses der Fachgesellschaft und erfordern die Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren, wie den ärztlichen und kaufmännischen Leitungen von Weiterbildungseinrichtungen, den Landes- und Bundesärztekammern, Anerkennungsbehörden sowie der Landes- und Bundespolitik.


Zu diesen offen gebliebenen Punkten gehören auch Maßnahmen für eine deutlich bessere Vereinbarkeit von Familie und Karriere und gleichwertige Möglichkeiten für Menschen aller Geschlechtsidentitäten.

 

Ausblick: Welche Entwicklungen zum Thema zeichnen sich ab?

 

Im Zuge der Erstellung des Positionspapiers bzw. zeitlich parallel dazu wurde die Young DGK noch stärker in Weiterbildungsthemen eingebunden und ihre Perspektiven innerhalb der Fachgesellschaft noch gezielter berücksichtigt. Ende 2024 fand in Berlin zudem eine erste Präsenzzusammenkunft der internistischen Fachgesellschaften vor Ort in der Bundesärztekammer statt, um mögliche Anpassungen der (Muster-)Weiterbildungsordnung zu diskutieren.

 

Das Positionspapier mit seinen „Tipps & Tricks“ sowie einer kompakten Übersicht zu bestehenden Regularien wird bereits unter angehenden Kardiologinnen und Kardiologen verbreitet. Es unterstützt sie dabei, ihre Weiterbildung von Anfang an zielgerichtet zu planen.


Zukünftig wird die Young DGK in ihren Kongresssitzungen und Akademiekursen die Inhalte des Positionspapiers verstärkt aufgreifen. Dabei stehen praktische Hilfestellungen für eine erfolgreiche Weiterbildung sowie der Austausch zu Herausforderungen im Fokus. Das Papier dient dabei als praxisnaher Leitfaden für den Karriereweg in der Kardiologie.

Weiter zur vorgestellten Publikation:

Positionspapier Kardiologische Weiterbildung in Deutschland – vom Status quo zu bevorstehenden Herausforderungen und Lösungsvisionen

Literaturnachweis:

Breitbart P., Körber M. I., Schächinger V., et al.
Positionspapier Kardiologische Weiterbildung in Deutschland –
vom Status quo zu bevorstehenden Herausforderungen
und Lösungsvisionen

Kardiologie (2025) https://doi.org/10.1007/s12181-024-00722-8

PD Dr. Philipp Breitbart

PD Dr. Philipp Breitbart ist als Oberarzt der interventionellen Kardiologie und Teil des Ärztlichen Leitungsteams am Universitäts-Herzzentrum Freiburg – Bad Krozingen des Universitätsklinikums Freiburg tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf der kardialen CT- und MRT-Bildgebung, komplexen Koronarinterventionen sowie den Bereichen eCardiology und Social Media. 

Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Kurzinfo: Die Formate der DGK-Publikationen

Leitlinien sind für Ärztinnen und Ärzte eine wichtige Stütze im klinischen Alltag, um ihre Patientinnen und Patienten nach neuestem Stand der Wissenschaft bestmöglich zu behandeln. Dabei dienen die Leitlinien als verlässliche Handlungsempfehlungen in spezifischen Situationen.

Pocket-Leitlinien sind Leitlinien in kompakter, praxisorientierter Form. Bei Übersetzungen von Pocket-Leitlinien der ESC werden alle Empfehlungsklassen und Evidenzgrade der Langfassung übernommen.

Master Pocket-Leitlinien stellen eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte der Leitlinienempfehlungen in Form von grafischen Diagnose- und Therapiealgorithmen dar. Als Quelle der Empfehlungen dienen dabei vorwiegend die nach strengen wissenschaftlichen Kriterien erstellten Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) sowie deren deutsche Übersetzung durch die DGK.

CardioCards behandeln im Wesentlichen Themen der Diagnostik und Akuttherapie für den ambulanten Bereich. Hier werden die essenziellen Informationen von Leitlinien komprimiert und übersichtlich zusammengefasst.

Kommentare beinhalten Hinweise, wie sich die neuen von den alten Leitlinien unterscheiden, Hinweise auf wesentliche Neuerungen, die seit dem Erscheinen der ESC-Leitlinien bekannt geworden sind, Diskussion kontroverser Empfehlungen in den ESC-Leitlinien sowie Möglichkeiten und Grenzen der Leitlinienumsetzung im Bereich des deutschen Gesundheitswesens.

Ein Positionspapier behandelt eine Fragestellung von großem allgemeinen Interesse, für die keine aktuelle Leitlinie vorliegt.

Bei einem Konsensuspapier handelt es sich um ein von mehreren Fachgesellschaften getragenes Statement.

Diese Veröffentlichungen enthalten Empfehlungen einer DGK-Arbeitsgruppe zu einer speziellen Frage von großem Interesse.

Stellungnahmen der DGK beziehen sich auf gesundheitspolitische Fragestellungen und erfolgen durch den Vorstand, gemeinsam mit Kommissionen und Projektgruppen. Sofern möglich und sinnvoll, werden auch Fachgesellschaft-übergreifende Stellungnahmen ausgearbeitet.

Ein Manual ist eine praktisch orientierte Expertenempfehlung für wesentliche kardiovaskuläre Prozeduren.

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