Herr Dr. Riedl, wie beeinflusst die Ernährung das Risiko und den Verlauf von Vorhofflimmern?
Dr. Riedl: „Eine gesunde und ausgewogene Ernährung mit vielen einfach, unverarbeiteten Lebensmitteln, sowie viel Gemüse und Obst kann vor vielen Erkrankungen schützen, wie z.B. Übergewicht, Diabetes und Herzerkrankungen. Dabei ist die Ernährungsform der mediterranen Küche sehr beispielhaft, um Vorhofflimmern vorzubeugen. Die hier verwendeten Lebensmittel können das Risiko für Gefäß- und entzündliche Zivilisationskrankheiten, die mitunter zur Herzschädigung führen, stark beeinflussen.“
Gibt es bestimmte Nährstoffe oder Lebensmittel, die Menschen mit Vorhofflimmern bevorzugen oder meiden sollten?
„Ja, die gibt es. Dazu gehören stark verarbeitete Lebensmittel, ein hoher Salz- und Zuckerkonsum, ein hoher Konsum von alkoholischen Getränken und eine ballaststoffarme Ernährung, die auch im Verdacht steht, Vorhofflimmern zu begünstigen. Insbesondere Energy Drinks können nicht nur Vorhofflimmern, sondern auch höhergradige Herzrhythmusstörungen verursachen. Im Grundsatz geht es darum, Risikolebensmittel zu reduzieren und herzschützende Lebensmittel zu bevorzugen. Kalium beispielsweise wirkt im Gegensatz zu Natrium im Kochsalz blutdrucksenkend und damit schützend für das Herz. Kaliumspender sind insbesondere Gemüse. Hier wirken nicht nur Ballaststoffe, sondern auch sekundäre Pflanzenstoffe antientzündlich und gefäßschützend.“
Können Sie genauer erklären, warum Salzaufnahme bei Vorhofflimmern ein Problem sein kann und wie Patienten ihren Salzkonsum kontrollieren können?
„Eine stark vermehrte Salzaufnahme – die Empfehlungen der DGE liegen hier bei 5-6 g Salz pro Tag – erhöht bei allen Menschen das Herzerkrankungsrisiko, bei empfindlichen Personen sogar auch den Blutdruck, der ein wichtiger Risikofaktor für Gefäß- und Herzerkrankungen und damit auch für das Vorhofflimmern ist.“
Wie kann man seinen Salzkonsum kontrollieren bzw. einschränken?
„Stark verarbeitete Lebensmittel haben vielfach einen sehr hohen Salzgehalt. Deshalb sollten diese gemieden werden. Besser ist selbst zu kochen. Anderweitig kann man das Küchensalz durch frische und getrocknete Kräuter, durch Röstaromen (angebratene Zwiebeln oder Knoblauch) oder geschmacksgebende Zutaten wie Zimt, Kümmel oder Currypulver ersetzen. Die wirken dann auch noch antientzündlich und gefäßschützend.“
Welche Bedeutung haben Omega-3-Fettsäuren für Patienten und Patientinnen mit Vorhofflimmern und wie können sie in die Ernährung integriert werden?
„Omega-3-Fettsäuren haben eine positive Wirkung auf das Herzkreislaufsystem und sollten in Form von zwei Portionen fettreichen Seefisch pro Woche aufgenommen werden. Ein Omega-3-Fettsäure-Mangel ist mit einem erhöhten Risiko für das weitaus gefährlichere Kammerflimmern vergesellschaftet, das besonders bei hochleistenden Sportlern auftreten kann. Auf Omega-3-Ergänzungsmittel, wie Algen- oder Fischöl sollte aber nicht pauschal zurückgegriffen werden, denn eine Überversorgung kann bei Herzerkrankten das Risiko von Vorhofflimmern erhöhen. So zumindest ist der aktuelle Studienstand. Eine Einnahme sollte durch die Konsultation in einer Schwerpunktpraxis Ernährungsmedizin (Anschriften unten www.bdem.de) besprochen werden. Vorher empfehle ich die Messung der Omega-3-Fettsäureversorgung mit dem Omega-3-Index. Daraus kann der Ernährungsmediziner die richtige Dosis ermitteln.“
Sollten Betroffene mit Vorhofflimmern ihren Alkohol- und Koffeinkonsum anpassen?
„Patienten und Patientinnen mit Vorhofflimmern sollten am besten ganz auf Alkohol verzichten, bzw. sollten diesen Konsum auf eine moderate Menge reduzieren. Ein gelegentliches Bier oder ein Glas Wein sind hierbei ok. Beim Kaffeekonsum gibt es derzeit keine wissenschaftlichen Belege, dass dieser sich negativ auf das Herz und Vorhofflimmern auswirken. Die maximale Verzehrmenge liegt dennoch laut Empfehlungen bei vier Tassen pro Tag. Energy Drinks sollten nicht nur wegen des Koffeins, sondern auch wegen des Zuckergehaltes gemieden werden. Dieser fördert Übergewicht und Diabetes Typ 2 – beides Risikofaktoren für Herzerkrankungen.“
Wie können Patienten und Patientinnen mit Vorhofflimmern sicherstellen, dass sie genug Flüssigkeit aufnehmen, ohne das Herz zu belasten?
„Betroffene sollten auf eine ausreichende Trinkflüssigkeitsmenge achten – mindestens 1,5 Liter Flüssigkeit pro Tag – und zusätzlich ein Trinktagebuch führen. Bei erhöhter Ballaststoffaufnahme, erhöhter körperlicher Aktivität, heißen Tagen und bei Krankheitsfall sollte die Trinkflüssigkeitsmenge außerdem erhöht werden.“
Inwiefern kann eine professionelle Ernährungsberatung Patienten und Patientinnen mit Vorhofflimmern helfen?
„Reduktion von schädlichen Lebensmitteln und mehr gesunde Ernährung müssen bestenfalls gecoacht werden. Das erfordert eine Bestandsaufnahme der aktuellen Ernährung. Dabei sollten auch begleitende Risikokrankheiten wie Hypertonie, Übergewicht oder Diabetes mellitus berücksichtigt werden. Das kann nur eine professionelle Ernährungsberatung leisten.“
Gibt es Ernährungsprogramme oder Ressourcen, die Sie empfehlen würden?
„Unbedingt. Je nach Begleiterkrankungen gibt es verschiedene Vorgehen: Die Selbstanalyse nach dem 20:80 Prinzip empfehle ich, wenn Übergewicht besteht. Hier lernt man, mit welchen wenigen, aber effektiven Maßnahmen die Ernährung verbessert werden kann. Digital gibt es das Programm als MyFooddoctor-App. Dieses Programm coacht gesunde Ernährung mit automatisierter Analyse und individuell abgestimmten Vorschlägen. Grundsätzlich sind aber alle Ernährungsformen, die auf der Basis der mediterranen Ernährung oder der traditionell asiatischen Küche beruhen zu empfehlen. In diese Richtung geht auch die DASH-Diät. Wie wir im medicum Hamburg bieten viele Schwerpunktpraxen Ernährungsmedizin auch Kochkurse oder Gruppenprogramme zur Reduktion von Risikofaktoren an. Wir müssen heute Gefäß- und Herzerkrankungen als Folge einer westlichen Ernährung und Lebensweise begreifen – und möglichst frühzeitig gegensteuern.“