Herzschrittmacher werden bei einer Operation eingesetzt.
Ein Mann hält einen Herzschrittmacher in der Hand, Bildquelle Jan-Otto

Tatort: Hackerangriff auf Herzimplantate – Fiktion oder Fakt?

 

Am 28. September zeigt der Tatort eine Folge, in der implantierbare Defibrillatoren Ziel eines Hackerangriffs werden – mit tödlichen Folgen. Ein Szenario, das spannend inszeniert ist, aber auch Fragen und Ängste aufwerfen kann: Wie real ist eine solche Bedrohung?

Von Daniela Goldscheck
 

25.09.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Anastassiya – stock.adobe.com

Zwischen Fiktion und Realität

 

Die fiktive Krimihandlung stellt damit vor allem eine zentrale Frage: Könnte so etwas auch in der Realität passieren? Genau dieser Spannungsbogen zwischen dramaturgischer Zuspitzung und wissenschaftlicher Einordnung macht das Thema so brisant. 

 

„Der Tatort greift das Thema auf, weil es aktuell ist und ein Risiko zeigt, das auch in der Realität nicht völlig ausgeschlossen werden kann“, erklärt Prof. Dr. Stefan M. Schulz, Psychologe und Leiter der Abteilung Verhaltensmedizin an der Universität Trier. Allerdings zeigt der Film eine überzeichnete Situation: Während die Erpressung einer Herstellerfirma als Motiv realistisch sein könnte, seien gezielte Anschläge auf Einzelpersonen aufgrund der hohen technischen Hürden sehr unwahrscheinlich.

 

Prof. Dr. David Duncker, Leiter des Hannover Herzrhythmus Centrums an der Klinik für Kardiologie und Angiologie der Medizinischen Hochschule Hannover, ordnet zudem ein: „In der Realität ist das Risiko eines gezielten Hackerangriffs auf implantierbare Defibrillatoren – kurz ICDs – eher gering. Die Systeme sind vielfach gesichert, benötigen physischen oder sehr spezifischen digitalen Zugang, und die Industrie arbeitet kontinuierlich an Sicherheitsupdates.“ Viel relevanter seien laut dem Experten technische Probleme anderer Art – etwa Batterie- oder Elektrodenkomplikationen.

 

Wichtig ist: Es gibt bisher keinen bestätigten Fall, bei dem Patientinnen und Patienten durch einen Hackerangriff auf einen Herzschrittmacher direkt zu Schaden gekommen sind.

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Prof. Dr. David Duncker

Prof. Dr. David Duncker ist Leiter des Hannover Herzrhythmus Centrums an der Klinik für Kardiologie und Angiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Seine fachlichen Zusatzqualifikationen (DGK) erwarb er in den Bereichen Spezielle Rhythmologie und Herzinsuffizienz. 

ronny kretschmer / HKM

Warum TV-Bilder Ängste auslösen können

 

Mediale Darstellungen wie im Tatort können die Risikowahrnehmung verstärken. „Durch die dramatische Inszenierung steigt das Gefühl, das Risiko sei hoch und unmittelbar. Solche Gedanken sind manchmal schwer wieder abzuschütteln“, weiß Prof. Schulz. Forschungen zeigen zudem, dass starke Emotionen – etwa bei Sportereignissen oder aufwühlenden Sendungen – Herzrhythmusstörungen begünstigen können.

 

Deshalb rät er: Nach einem aufwühlenden TV-Abend nicht allein bleiben, Fakten abgleichen und aktiv entspannen – etwa durch ein Gespräch, ruhige Musik oder einen Spaziergang.Deshalb rät er: Nach einem aufwühlenden TV-Abend nicht allein bleiben, Fakten abgleichen und aktiv entspannen – etwa durch ein Gespräch, ruhige Musik oder einen Spaziergang.

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Prof. Dr. Stefan M. Schulz

Prof. Dr. Phil. Stefan M. Schulz ist Dipl.-Psychologe und leitet den Lehrstuhl für Verhaltensmedizin und humanbiologische Grundlagen für die Gesundheitswissenschaften an der Universität Trier. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen unter anderem Kardiopsychologie und Experimentelle klinische Psychologie.

Prof. Stefan M. Schulz

Herzschrittmacher oder Defibrillator – was ist der Unterschied?

  • Herzschrittmacher 
    Unterstützt das Herz, wenn es zu langsam schlägt. Kleine elektrische Impulse bringen den Herzschlag wieder in einen regelmäßigen Rhythmus.

 

  • Defibrillator (ICD) 
    Greift ein, wenn das Herz zu schnell oder chaotisch schlägt. Erkennt lebensbedrohliche Rhythmusstörungen und kann mit einem Stromstoß („Schock“) den normalen Rhythmus wiederherstellen.

 

Kurz gesagt: Herzschrittmacher helfen bei zu langsamem Herzschlag, Defibrillatoren schützen bei zu schnellem, gefährlichem Herzrhythmus.

Aufklärung ohne Angst

 

Wie aber sollten Ärztinnen und Ärzte mit Fragen zu Cyber-Risiken umgehen? Prof. Duncker erklärt: „Wenn Patientinnen oder Patienten gezielt nach Cyber-Risiken fragen, was selten vorkommt, klären wir auf, dass solche Risiken prinzipiell bestehen, aber extrem unwahrscheinlich sind. Gleichzeitig betonen wir, dass der Gesamtnutzen der Therapie den theoretischen Risiken deutlich überlegen ist.“

 

Prof. Schulz empfiehlt, Sorgen in überprüfbare Fakten zu übersetzen, etwa mit der Zwei-Spalten-Technik: Links die Sorge notieren („Mein Defibrillator könnte gehackt werden“), rechts die belegte Realität („Bisher kein Schadenfall, regelmäßige Sicherheitsupdates“). So lässt sich Verunsicherung in Vertrauen umwandeln.

Wie können Patientinnen und Patienten über Cyber-Risiken informiert werden?

 

„Wir sollten Patientinnen und Patienten klar und verständlich erklären, dass es zwar theoretische Verwundbarkeiten gibt, diese aber extrem unwahrscheinlich sind. Wichtiger ist, dass Herzschrittmacher und Defibrillatoren zuverlässig funktionieren und Leben retten. Es braucht gute Informationsmaterialien, die auf Fakten beruhen – für Ärztinnen und Ärzte ebenso wie für Patientinnen und Patienten. So können wir Sorgen ernst nehmen und gleichzeitig Vertrauen schaffen“, sagt Prof. Duncker. 

 

Auch Prof. Schulz betont die Bedeutung der Interdisziplinarität: Psychologinnen und Psychologen könnten Patientinnen und Patienten unterstützen, Ängste zu bewältigen und Technik verständlich zu erklären – während Kardiologie und IT-Sicherheit für die fachlichen Grundlagen sorgen.

Expertentipp

Für Zuschauerinnen und Zuschauer, die sich nach einer Sendung wie dem Tatort unsicher fühlen, empfiehlt Prof. Schulz:

 

  • Gefühle anerkennen: Es ist normal, dass Szenen wie im Tatort beunruhigen können. 

  • Aktiv lenken: Beschäftigen Sie sich bewusst mit etwas, das Freude macht – ein Hobby, ein Gespräch oder Bewegung.

  • Unterstützung suchen: Wenden Sie sich an Ihre Kardiologin oder Ihren Kardiologen, Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt, Ihre Psychologin oder Ihren Psychologen, wenn Sorgen und Ängste anhalten oder stärker werden. 

  • Im Notfall handeln: Bei Brustschmerz, Atemnot oder Schwindel gilt: Notruf 112 wählen – lieber einmal zu oft als einmal zu wenig.

  • Bei anhaltender psychischer Belastung wie Ängsten, Grübeln, Niedergeschlagenheit oder dem Verlust von Freude und Interessen: Erlauben Sie sich selbst, psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen – denn frühzeitige Hilfe kann dazu beitragen, neue Wege im Umgang mit schwierigen Gefühlen zu finden. 

IT-Sicherheit im Klinikalltag

 

„Klinisch müssen wir dennoch wachsam bleiben, was die IT-Infrastruktur insgesamt betrifft – insbesondere an den Schnittstellen zwischen Implantaten, Fernüberwachung und Kliniksystemen“, betont Prof. Duncker. „Gerade Krankenhaus-IT-Strukturen waren in der Vergangenheit immer wieder Angriffsziele für Hacker, was uns in der Patientenversorgung und Forschung viel konkreter bedroht. Hier sollten Kliniken, Länder und Bund in den Schutz der Klinikinfrastrukturen investieren.“

Fazit

 

Der Tatort sorgt für Spannung, die Realität für Einordnung: Implantierbare Defibrillatoren (ICDs) sind sichere und lebensrettende Geräte. Cyber-Risiken bestehen zwar, stellen für Patientinnen und Patienten bislang aber kein akutes Gefährdungsszenario dar. Die Diskussion über Cyber-Sicherheit hilft dennoch, vorbereitet zu sein, ohne Sorgen unnötig zu verstärken. Entscheidend bleibt, auf Fakten zu vertrauen. Cyber-Risiken für Herzimplantate sind damit ein wichtiges Thema – für Aufklärung, Forschung und eine sichere Versorgung, ohne Patientinnen und Patienten zu verunsichern.

FAQ: Cyber-Risiken bei Herzimplantaten

Theoretisch ja – es wurde in Tests gezeigt. In der Praxis gibt es aber bisher keinen einzigen bestätigten Fall, bei dem Patientinnen und Patienten dadurch zu Schaden kamen.

Nein. Massenhafte Anschläge wie im Film sind extrem unwahrscheinlich. Realistischer ist das Szenario einer Erpressung von Herstellerfirmen oder Klinik-IT.

Nein. Herzimplantate gelten als sehr sicher. Hersteller verbessern ihre Systeme regelmäßig, und Ärztinnen und Ärzte überwachen die Funktion.

Ja, aber mit Augenmaß. Wichtig ist eine ehrliche Information, ohne unnötig Ängste zu verstärken. Der Nutzen des Implantats steht klar im Vordergrund.

Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt über Sicherheitsmaßnahmen Ihres Geräts. Nutzen Sie verlässliche Informationsquellen – und lassen Sie sich nicht von reißerischen Schlagzeilen verunsichern.

 

Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, wenn Sie Fragen zu Cyber-Risiken bei Herzimplantaten haben – und verlassen Sie sich auf geprüfte Informationen.

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