Eine ältere Frau erhält sitzend eine Chemotherapie, während eine junge Ärztin sich zu ihr herunterbeugt und mit ihr spricht. Bildquelle: iStock/FatCamera

Onko-Kardiologie: Wie Sie Ihr Herz während einer Krebstherapie wirksam schützen

 

Viele Krebstherapien können das Herz belasten und langfristige Schäden verursachen. Die Onkologische Kardiologie begleitet Patientinnen und Patienten eng, um Risiken früh zu erkennen, Herzprobleme zu vermeiden und eine sichere Behandlung zu ermöglichen – ohne die Wirksamkeit der Krebstherapie zu gefährden.

Von Kerstin Kropac

 

22.02.2024 (aktualisiert: 14.10.2025)

 

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Womit befasst sich die Onkologische Kardiologie?

 

Die sogenannte Onko-Kardiologie beschäftigt sich mit der Herzgesundheit von Krebspatientinnen und -patienten. Ziel ist es, das Herz während einer Krebstherapie zu schützen. „Wir sehen etwa ein Drittel der Patientinnen und Patienten schon vor Beginn ihrer Behandlung – zum Beispiel, weil bereits eine Herzkrankheit vorliegt, auf die Rücksicht genommen werden muss“, erklärt Prof. Dr. Lorenz Lehmann, Oberarzt und Ärztlicher Leiter der Kardio-Onkologischen Sektion an der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie am Universitätsklinikum Heidelberg. „Die anderen kommen zu uns oder werden überwiesen, wenn während der Therapie ein Herzproblem auftritt“, sagt Prof. Lehmann.

Zum Experten

Prof. Dr. Lorenz Lehmann

Prof. Dr. Lorenz Lehmann ist Oberarzt und Ärztlicher Leiter der Kardio-Onkologischen Sektion an der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie am Universitätsklinikum Heidelberg.

Poträt von Lorenz Lehmann
Bildquelle: Lehmann

Wie können Onko-Kardiologinnen und -Kardiologen helfen?

 

Gemeinsam mit dem onkologischen Team suchen Onko-Kardiologinnen und -Kardiologen nach einer Behandlung, die möglichst herzverträglich ist und trotzdem wirksam gegen den Krebs wirkt. Auch wenn Herzprobleme während der Krebstherapie auftreten, können sie helfen. „Eine Patientin mit Leukämie entwickelte unter der Therapie eine stark eingeschränkte Pumpfunktion“, berichtet der Mediziner. „Nach Rücksprache mit dem Onkologen haben wir die Medikation angepasst. So konnte die Frau weiter behandelt werden – und ihr Herz erholte sich in kurzer Zeit komplett. Das war sehr eindrucksvoll.Gemeinsam mit dem onkologischen Team suchen Onko-Kardiologinnen und -Kardiologen nach einer Behandlung, die möglichst herzverträglich ist und trotzdem wirksam gegen den Krebs wirkt. Auch wenn Herzprobleme während der Krebstherapie auftreten, sind sie Ansprechpartner. „Eine Patientin mit Leukämie entwickelte unter der Therapie eine stark eingeschränkte Pumpfunktion“, berichtet der Mediziner. „Nach Rücksprache mit dem Onkologen haben wir die Medikation angepasst. So konnte die Frau weiter behandelt werden – und ihr Herz erholte sich in kurzer Zeit komplett. Das war sehr eindrucksvoll“, erläutert Prof. Lehmann.

Das Wichtigste in Kürze

 
  • Krebstherapien können Herzschäden verursachen, zum Beispiel durch Chemotherapie oder Bestrahlung.
  • Onkologische Kardiologinnen und Kardiologen schützen die Herzgesundheit und betreuen Betroffene engmaschig.
  • Früherkennung mit Biomarkern wie Troponin oder NT-proBNP senkt das Risiko schwerer Herzschäden.
  • Regelmäßige Kontrollen sind besonders für Kinder und Jugendliche nach Krebsbehandlungen wichtig.
  • Symptome wie Luftnot oder Rhythmusstörungen sollten sofort ärztlich abgeklärt werden.

Warum kann eine Krebstherapie das Herz schädigen?

 

„Bei Krebstherapien geht es darum, Zellen am Wachstum zu hindern oder gezielt zu schädigen“, erklärt Prof. Lehmann. „Dabei können auch gesunde Zellen betroffen sein – zum Beispiel Herzmuskelzellen.“ Das Problem: Herzmuskelzellen sind zwar widerstandsfähig, können sich aber im Gegensatz zu anderen Zellen nicht erneuern. Ein einmal entstandener Schaden lässt sich daher schwer rückgängig machen.

Was bewirken Krebstherapien im Herzen?

 

Die Mechanismen sind unterschiedlich. „Einige Medikamente verursachen direkte Schäden am Erbgut, der sogenannten DNA – das ist die Desoxyribonukleinsäure, die unsere genetische Information trägt. Dadurch sterben Zellen ab“, sagt Prof. Lehmann und fügt hinzu: „Andere greifen die Mitochondrien an – das sind die Kraftwerke der Zellen. Herzmuskelzellen sind besonders energiehungrig und enthalten viele Mitochondrien. Deshalb sind sie anfällig.“ Je nach Medikament müssen daher verschiedene Schutzstrategien angewendet werden.

Welche Möglichkeiten gibt es, das Herz zu schützen?

 

Ein Beispiel sind Anthrazykline – häufig eingesetzte Medikamente in der Chemotherapie. „Von ihnen weiß man, dass sie kardiotoxisch wirken, also ein hohes Risiko für Herzschäden bergen“, sagt der Experte. Deshalb sollte bei dieser Therapieform die Herzfunktion engmaschig überwacht werden. Treten Probleme auf, können weniger herzschädigende Varianten eingesetzt werden. Prof. Lehmann erklärt: „Diese sind aber oft noch nicht so gut erforscht. Es bleibt daher eine Unsicherheit, ob sie genauso wirksam sind. Umso wichtiger ist die enge Zusammenarbeit von Onkologie und Kardiologie.“

Wie wirkt sich eine Strahlentherapie auf das Herz aus?

 

Herzschäden durch Strahlentherapie zeigen sich häufig erst viele Jahre später. „Eine hohe Strahlendosis kann langfristig Gefäßverkalkungen und Atherosklerose begünstigen“, erklärt der Onko-Kardiologe. Um das Risiko zu reduzieren, versuchen Ärztinnen und Ärzte die Strahlendosis im Herzbereich zu minimieren – zum Beispiel, indem der Tumor aus verschiedenen Winkeln bestrahlt wird oder Brustkrebspatientinnen während der Behandlung tief einatmen, damit sich der Abstand zwischen Brust und Herz vergrößert. Prof. Lehmann sagt: „Warum die Folgen oft erst Jahrzehnte später auftreten und wie man sie besser verhindern kann, ist noch nicht vollständig verstanden. Hier braucht es mehr Forschung.“

Warum sind Kinder und Jugendliche besonders gefährdet?

 

 

Spätfolgen treten meist erst 30 Jahre nach einer intensiven Chemo- oder Strahlentherapie auf. „Wer mit 50 oder 60 Jahren behandelt wird, erlebt diese Schäden oft gar nicht mehr“, erklärt der Experte und unterstreicht, dass das „bei Kindern und Jugendlichen anders ist. Sie entwickeln häufig mit 40 oder 50 Jahren schwerwiegende Herzprobleme – bis hin zur Notwendigkeit einer Herztransplantation.“ Deshalb lautet die Empfehlung: Kinder und Jugendliche, die Anthrazykline oder eine Bestrahlung erhalten haben, sollten alle fünf Jahre kardiologisch kontrolliert werden.

Anzeichen für einen möglichen Herzschaden

Während einer Krebstherapie sollten Sie besonders auf folgende Symptome achten:
 

  • Luftnot – Atemnot schon bei geringer Belastung oder in Ruhe

  • Schwellungen an den Beinen – sogenannte Ödeme, Hinweis auf nachlassende Pumpkraft 

 

Treten diese Anzeichen auf, folgt eine weiterführende Diagnostik, zum Beispiel mit:
 

  • Herz-Magnetresonanztomografie (Herz-MRT)

Wie behandelt man Herzprobleme während der Krebstherapie?

 

Grundsätzlich kommen die üblichen Herzmedikamente zum Einsatz – jedoch mit Anpassungen, weiß Prof. Lehmann: „Ein Beispiel: Eine Brustkrebspatientin hatte unter der Therapie eine verminderte Pumpkraft und gleichzeitig sehr niedrigen Blutdruck. Normalerweise würde man in diesem Fall früh einen Betablocker geben. Bei Chemotherapie-bedingten Problemen setzt man aber eher zunächst auf einen ACE-Hemmer – ein Medikament zur Blutdrucksenkung, das die Gefäße erweitert und das Herz entlastet, da es hierfür mehr Daten gibt.“

Bekommen alle Krebspatientinnen und -patienten kardiologische Betreuung?

 

Dank moderner Krebstherapien überleben immer mehr Menschen ihre Erkrankung. Gleichzeitig sterben mehr Patientinnen und Patienten an den Folgen von Herzproblemen. Leitlinien sehen daher ein kardiologisches Risiko-Assessment vor – also eine Einschätzung, wie hoch das Herzrisiko durch die geplante Therapie ist. „Wenn das Risiko erhöht ist oder die Therapie als besonders herzbelastend gilt, sollte eine begleitende kardiologische Betreuung erfolgen“, erklärt der Mediziner. 

Wichtige Biomarker für Herzschwäche

Troponin und NT-proBNP

Bestimmte Eiweiße im Blut können Aufschluss über die Gesundheit des Herzens geben. In der Onko-Kardiologie spielen vor allem Troponin und NT-proBNP eine wichtige Rolle: Sie helfen, Herzprobleme unter einer Krebstherapie frühzeitig zu erkennen und das Risiko bleibender Schäden zu verringern.

 

Troponin

  • Troponin ist ein Eiweiß, das bei Herzmuskelschäden ins Blut freigesetzt wird.
  • Wichtiger Marker bei Herzinfarkt und Herzmuskelentzündung.
  • Studien zeigen: Troponin eignet sich zuverlässig zur Verlaufskontrolle bei Immuntherapien.
  • Besonders kritisch bei Krebspatientinnen und -patienten: Entzündungen am Herzen können schnell irreparabel sein.
  • Troponinwerte helfen, Schweregrad und Risiko frühzeitig einzuschätzen.

 

NT-proBNP

  • NT-proBNP ist ein Eiweiß, das vom Herz ausgeschüttet wird, wenn die Herzkammern gedehnt oder belastet sind.
  • Ein erhöhter Wert weist auf eine geschwächte Pumpfunktion oder Herzschwäche hin.
  • NT-proBNP-Werte helfen, Herzprobleme frühzeitig zu erkennen – oft schon, bevor Symptome spürbar sind.

 

In der Onko-Kardiologie ist NT-proBNP ein wichtiger Marker zur Überwachung der Herzbelastung während der Krebstherapie

An welchen Studien wird derzeit geforscht?

 

„Eine der häufigsten und schwerwiegendsten Folgen einer Krebstherapie ist die Herzschwäche. Wir wissen aber noch nicht genau, warum das Herz dadurch geschädigt wird“, erläutert Prof. Lehmann. Aktuell erforschen die Teams, wer ein besonders hohes Risiko hat, während einer Krebstherapie eine Herzschwäche zu entwickeln. Der Mediziner sagt: „In Zukunft könnten wir anhand von Blutwerten und Anamnese bereits vor Beginn der Therapie besser vorhersagen, wer gefährdet ist.“

Risikofaktoren für Herzschäden bei Krebstherapie

  • Alter: ein höheres Lebensalter erhöht das Risiko

  • Lebensstil: Rauchen, Übergewicht, Diabetes

  • Biomarker:
    • NT-proBNP – erhöht = höheres Risiko
    • Troponin – erhöht = höheres Risiko
  • Geringes Risiko: niedrige Biomarker-Werte + keine typischen Risikofaktoren

Fazit

 

Herzschäden durch Krebstherapie sind vermeidbar, wenn Risiken früh erkannt werden. Die Onkologische Kardiologie sorgt für eine individuelle, sichere Behandlung.

FAQ – Fragen zur Onko-Kardiologie

Anthrazykline – eine bestimmte Klasse von Chemotherapie-Medikamenten – und bestimmte Strahlentherapien gelten als besonders risikoreich. Auch moderne Immuntherapien können Entzündungen am Herzen auslösen.

 

Typische Anzeichen sind Luftnot, Herzrhythmusstörungen, Schwellungen der Beine oder ungewöhnliche Erschöpfung.

 

Bei Risikopatientinnen und -patienten regelmäßig, teils vor jeder Therapiephase. Kinder und Jugendliche: mindestens alle 5 Jahre nach Therapieende.

 

Teilweise ja – vor allem, wenn früh reagiert und die Krebstherapie angepasst wird. Dauerhafte Schäden lassen sich jedoch oft nur begrenzen.

 

Gesunde Lebensweise (Bewegung, Ernährung, Rauchstopp), ärztliche Kontrollen wahrnehmen und bei Symptomen sofort reagieren.

 

 

Sprechen Sie frühzeitig mit Ihren kardiologischen und onkologischen Ärztinnen und Ärzten, wenn Sie während der Krebstherapie Herzsymptome bemerken.

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