Arzt, der den Fortschritt eines kardiopulmonalen Stresstests beobachtet, der von einem Mann auf einem Fahrradergometer durchgeführt wird., Bildquelle: ©Adobe Stock/rh2010
Arzt, der den Fortschritt eines kardiopulmonalen Stresstests beobachtet, der von einem Mann auf einem Fahrradergometer durchgeführt wird., Bildquelle: ©Adobe Stock/rh2010

Herz oder Lunge? Die häufigsten Ursachen von Luftnot

 

Luftnot hat viele Gesichter – sie kann plötzlich auftreten oder sich schleichend entwickeln. Die Ursachen reichen von Erkrankungen der Lunge über Herzprobleme bis hin zu seltenen Stoffwechselstörungen. Am Universitätsklinikum Münster arbeiten die Fachbereiche Kardiologie und Pneumologie in einer gemeinsamen Sprechstunde zusammen, um die Beschwerden interdisziplinär zu klären und den Betroffenen eine klare Diagnose sowie gezielte Therapieoptionen zu bieten.

Von Daniela Goldscheck
 

14.10.2025

 

Bildquelle (Bild oben): rh2010  – stock.adobe.com

Atemnot – in der Medizin Dyspnoe genannt – gehört zu den häufigsten Beschwerden in der Notfall- und Hausarztmedizin. Sie kann harmlos sein, etwa nach großer Anstrengung. Tritt sie jedoch in Ruhe oder schon bei kleinen Belastungen auf, steckt fast immer eine ernsthafte Erkrankung dahinter. Zwei Experten des Universitätsklinikums Münster, Prof. Dr. Jürgen Sindermann, Leiter der Interdisziplinären Sektion Herzinsuffizienz, und PD Dr. Michael Mohr, Sektionsleiter Pneumologie, erklären, wie Luftnot entsteht, welche Ursachen infrage kommen und warum sie eine gemeinsame Luftnot-Sprechstunde eingerichtet haben.

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Prof. Dr. Jürgen Sindermann

Prof. Dr. Jürgen Sindermann ist Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Physiologie, Intensivmedizin und Transplantationsmedizin am Universitätsklinikum Münster.

Poträt von Prof. Dr. Jürgen Sindermann, Bildquelle: UKM
Bildquelle: ©UKM

Wie entsteht Luftnot im Körper?

 

Damit der Körper funktioniert, braucht er Sauerstoff. Dieser wird über die Lunge aufgenommen, vom Blut gebunden und durch das Herz-Kreislauf-System zu den Organen transportiert. „Kommt es an einer dieser Stellen zu Problemen, etwa an der Lunge, am Blut oder am Herzen, entsteht Luftnot“, erläutert Prof. Sindermann.

 

Dr. Mohr weist darauf hin, dass die Ursachen sehr vielfältig sein können. Bei manchen Betroffenen sei die Atemmuskulatur, insbesondere das Zwerchfell, geschwächt. Andere litten unter verengten Atemwegen, zum Beispiel bei Asthma oder einer chronischen Bronchitis. „Auch ein schlechter Gasaustausch in den Lungenbläschen oder eine gestörte Durchblutung der Lunge könnten Atemnot hervorrufen“, weiß der Pneumologe.

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PD Dr. Michael Mohr

PD Dr. Michael Mohr ist Sektionsleiter Pneumologie am Universitätsklinikum Münster.

Poträt von PD Dr. Michael Mohr, Bildquelle: UKM
Bildquelle: ©UKM

Wann ist plötzliche Atemnot ein Alarmzeichen?

 

Akute Luftnot tritt häufig bei einem Asthmaanfall oder einer Lungenembolie auf. Eine Lungenembolie entsteht, wenn ein Blutgerinnsel ein Gefäß in der Lunge verstopft. Seltener kommt es zu einem Pneumothorax: Dabei gelangt Luft in den Raum zwischen Lunge und Brustkorb. Dadurch kann sich die Lunge nicht mehr vollständig entfalten und fällt teilweise zusammen. Solche Notfälle lassen sich in der Regel rasch diagnostizieren, da die Symptome sehr typisch sind. Aber auch ein Herzinfarkt kann – neben anderen Beschwerden – mit einer akuten Luftnot einhergehen.

Das Wichtigste im Überblick

  • Symptom: Atemnot (Dyspnoe) gehört zu den häufigsten Beschwerden – sie kann harmlos oder ein Warnsignal für Herz- oder Lungenerkrankungen sein.
  • Akut gefährlich: Plötzlich auftretende Luftnot, besonders mit Brustschmerzen oder Schwindel, ist ein Notfall. Sofort den Notruf wählen!
  • Häufige Ursachen: Asthma, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Lungenfibrose, Lungenembolie, Herzschwäche, ggf. auch Verengung der Herzkranzgefäße oder Herzklappenerkrankungen.
  • Warnzeichen: Nachlassende Belastbarkeit und plötzliche Gewichtszunahme deuten auf eine Verschlechterung hin.
  • Diagnostik: Kombination aus Herz- und Lungenuntersuchungen – von EKG und Lungenfunktion bis zu speziellen Belastungstests.

COPD bis Herzschwäche: Welche Ursachen hat die chronische Luftnot?

 

Bei chronischen Beschwerden sind die Auslöser vielfältiger:

 

  • Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) betrifft vor allem Raucherinnen und Raucher. Typisch sind Husten, Auswurf und eine dauerhafte Verengung der Bronchien.
  • Lungenfibrose: Hier vernarbt das Lungengewebe allmählich und verliert seine Elastizität.
  • Chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertonie: Kleine, wiederkehrende Lungenembolien führen zu einer dauerhaften Belastung der Lunge.
  • Auf der Herzseite ist die Herzinsuffizienz der häufigste Grund für Atemnot. „Das Herz funktioniert wie ein Blasebalg. Es füllt sich mit Blut und pumpt es wieder hinaus. Ist die Pumpleistung vermindert, gelangt zu wenig Blut und Sauerstoff in den Körper“, erklärt Prof. Sindermann. Bluthochdruck, frühere Herzinfarkte oder bestimmte Fehlfunktionen an den Herzklappen können die Herzleistung schwächen.

Welche Warnzeichen sollte man bei Luftnot ernst nehmen?

 

Zwei Alarmsignale sind besonders wichtig:

 

  • Nachlassende Belastbarkeit: Wer plötzlich nur noch eine Treppe schafft, wo früher drei kein Problem waren, sollte das abklären lassen.
  • Plötzliche Gewichtszunahme: Ein halbes Kilo pro Tag oder zwei Kilo pro Woche kann auf Wassereinlagerungen bei Herzschwäche hindeuten

Welche Untersuchungen sind bei Luftnot notwendig?

 

„Das Symptom allein verrät nicht, ob Herz oder Lunge der Auslöser ist. Deshalb sind abgestufte Untersuchungen notwendig“, sagt Dr. Mohr.

 

  • Basisdiagnostik: Blutuntersuchungen, Elektrokardiogramm (EKG), Lungenfunktionstests.
  • Erweiterte Diagnostik: Spiroergometrie (Belastungstest mit Atemmaske), die aufzeigt, ob Herz oder Lunge die Ursache ist.
  • In Spezialfällen: Rechtsherzkatheter, Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) oder Ventilations-Perfusionsszintigraphie. Die Ventilations-Perfusionsszintigraphie ist ein nuklearmedizinisches Verfahren, mit dem Ärztinnen und Ärzte prüfen können, ob die Lunge gleichmäßig belüftet (Ventilation) und durchblutet (Perfusion) wird.

Interdisziplinäre Sprechstunde: Wie geht man dem Symptom Luftnot auf den Grund?

„Viele Betroffene irren zwischen der Kardiologie und der Pneumologie hin und her. Jeder sieht nur seinen Bereich, doch die Ursache liegt oft im Zusammenspiel von Herz und Lunge“, berichtet Dr. Mohr. In der Luftnot-Sprechstunde am Universitätsklinikum Münster arbeiten die Herz- und Lungen-Fachleute eng zusammen. Prof. Sindermann erklärt: „Befunde werten wir gemeinsam aus – auch unter Belastung – und die Patientinnen und Patienten erhalten eine abgestimmte Diagnose und Therapieempfehlung. Ziel ist es, Doppeluntersuchungen zu vermeiden, Unsicherheit zu reduzieren und die bestmögliche Behandlung zu gewährleisten.“

Können Betroffene selbst zwischen herz- und lungenbedingter Luftnot unterscheiden?

 

Manche Betroffene können die Ursache erahnen: „Brustschmerzen bei Belastung sprechen eher für das Herz, pfeifende Atemgeräusche eher für die Lunge“, erklärt Prof. Sindermann. Oft bestehen jedoch beide Probleme gleichzeitig. Dann wird die Abgrenzung schwierig – und eine gemeinsame Abklärung durch Herz- und Lungen-Fachleute ist besonders wichtig.

Ungeklärte Luftnot: Warum ist die Diagnose so wichtig?

 

Dr. Mohr berichtet von einer jungen Patientin, die seit ihrer Kindheit unter Atemnot litt und nie beim Schulsport mitmachen konnte. Trotz unzähliger Untersuchungen blieb die Ursache lange unklar. Schließlich stellte sich heraus, dass sie an einer seltenen Stoffwechselkrankheit, einer Mitochondriopathie, litt. Erst durch die richtige Diagnose und eine spezialisierte Behandlung konnte ihr gezielt geholfen werden. Ihre Odyssee dauerte fast 20 Jahre.

Fazit

 

Luftnot ist ein ernstzunehmendes Symptom mit vielen möglichen Ursachen. Entscheidend ist, dass Herz- und Lungenerkrankungen frühzeitig erkannt werden – denn nur so lässt sich die Lebensqualität erhalten oder verbessern. Prof. Sindermann betont die Bedeutung regelmäßiger kardiologischer Kontrollen. Dr. Mohr ergänzt, dass die gemeinsame Sprechstunde den Patientinnen und Patienten Klarheit und Sicherheit gibt. Denn am Ende zählt nicht, ob die Ursache im Herzen oder in der Lunge liegt – sondern, dass den Betroffenen geholfen wird.

FAQ: Luftnot kurz erklärt

Bei Atemnot in Ruhe oder schon bei kleinen Belastungen.

Lungenerkrankungen wie Asthma oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), Herzschwäche, Verengung der Herzkranzgefäße, Herzklappenerkrankungen oder eine Lungenembolie.

Nur bedingt: Brustschmerzen sprechen eher fürs Herz, Pfeifgeräusche für die Lunge.

Lungenfunktion, Elektrokardiogramm (EKG), Herz-Ultraschall und Belastungstests.

Ja – vor allem, wenn sie plötzlich auftritt oder mit Brustschmerzen, Schwindel oder Ohnmacht verbunden ist. Dann sofort den Notruf wählen.

Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, um Ihre Symptome individuell abklären zu lassen.

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