Herr Professor Thiele, nach der Jahrestagung in Mannheim endet Ihre Amtszeit als DGK-Präsident. Wie blicken Sie auf die letzten beiden Jahre zurück?
HT: Ich muss sagen, dass der Rückblick so aussieht, dass es mehr als arbeitsintensiv war, aber auch viel Spaß gemacht hat und man ganz viel lernt! Ich hätte das nicht als so arbeitsintensiv eingeschätzt. Es gab aber auch viele Themen in letzter Zeit zu bearbeiten, die für die Kardiologie von sehr großer Bedeutung waren und weiterhin sind. Da ist, neben vielen anderen Themen, das kardiale CT zu nennen mit dem Prozess der Erstattungsfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung. Es war spannend, das zu begleiten, auch wenn derzeit keiner mit der Vergütungshöhe zufrieden sein kann und wir weiterhin daran arbeiten, dass die Kardiologie zwingend mit eingebunden sein muss. Ein anderes großes Thema war die Gründung der Nationalen Herz-Allianz zur Bündelung der kardiovaskulären Aktivitäten, die ja fast zum „Gesundes Herz-Gesetz“ geführt haben. Leider ist kurz davor die Ampel-Koalition zerbrochen und das „Gesunde Herz-Gesetz“ wird ja nun leider so nicht kommen. Aber wir hoffen, dass wir die wichtigsten Säulen noch über die Selbstverwaltung und den G-BA realisieren können. Wir wissen alle, dass viel zu tun ist in der Prävention in Deutschland, um die 1,7 Jahre geringere Lebenserwartung im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern ausgleichen zu können. Auch dieses Thema wird uns noch lange beschäftigen und wir werden viele Anstrengungen unternehmen müssen, um das Thema Nationale Herz-Kreislauf-Strategie in einen möglichen Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung implementieren zu können. Andere Großthemen waren die Krankenhausreform und die Neuordnung der GOÄ, wo wir natürlich die Kardiologie gut vertreten sehen wollen.
„Das ‚Gesundes-Herz-Gesetz‘ wäre ein wichtiger Mosaikbaustein zu einer nationalen Herz-Kreislauf-Strategie gewesen.“
Und dann noch eine persönliche Anmerkung zur Vorstandsarbeit. Wir hatten viel kollegialen Spaß und konnten sicher einiges bewegen. Es war aber auch manchmal herausfordernd durch die Konstellation einiger gewählter Vertreter, die teilweise persönliche Interessen mehr in den Vordergrund stellen als die Belange der DGK und die Entwicklung der Kardiologie. Das hat viel diplomatische Arbeit benötigt und ich drücke die Daumen, dass die Zusammensetzung des Vorstands ab 2025 noch mehr inhaltliche konstruktive Arbeit ermöglicht.
Was waren Ihre persönlichen Highlights Ihrer Amtszeit und haben Sie während der – auch politisch – turbulenten letzten beiden Jahre umsetzen können, was Sie sich vorgenommen haben?
HT: Wie oben schon geschrieben, hätte ich mir natürlich gewünscht, dass wir das „Gesunde Herz-Gesetz“ auch verwirklicht bekommen hätten. Das wäre ein wichtiger Pfeiler bzw. ein Mosaikbaustein zu einer nationalen Herz-Kreislauf-Strategie gewesen. Aber politische Arbeit in einer Demokratie kann eben komplex sein. Das ist aber auch ein persönliches Highlight gewesen, diese Prozesse in der Politik begleiten zu dürfen. Dazu hat natürlich auch gehört, dass wir als DGK-Auswahl gegen den FC Bundestag Fußball gespielt haben. Aber wir haben die Sichtbarkeit und die Bedeutung der Herz-Kreislauf-Gesundheit sicherlich mehr als gut positionieren können – auch über die Aktivitäten der Nationalen Herz-Allianz und die Gründung von Herzmedizin.de. Das sind alles wichtige Errungenschaften. Dann gibt es viele andere Themen wie die Stärkung der jungen Kardiologinnen und Kardiologen, bessere Balance bei Geschlechterförderung, Digitalisierung, etc., etc., die wir umsetzen konnten. Seit der Gründung der Nationalen Herz-Allianz engagiert sich die DGK in den letzten Jahren vermehrt auch bei der Beratung von politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern.
Welche Erfolge sind sichtbar und wo liegen die weiteren Herausforderungen, um die Rahmenbedingungen für eine optimale Versorgung von Herz-Kreislauf-Erkrankten zu erreichen?
HT: Die Erfolge habe ich ja oben skizziert. Wir werden das sowohl auf der europäischen Ebene über die ESC und die EU weiter adressieren müssen, so dass auch darüber hinaus und in einer neuen Regierung dieses Thema weiter in den einzelnen Mitgliedstaaten in der EU große Präsens hat. Dazu gehört für Deutschland eine stärkere Fokussierung auf die Prävention sowohl primär als auch sekundär. Wir werden aber auch so wichtige Themen wie die Tabaksteuer, gesunde Ernährung und sportliche Aktivität im Rahmen einer Verhältnisprävention weiter adressieren müssen. Unser Ziel muss es sein, dass wir die 1,7 Jahre geringere Lebenserwartung im Vergleich zu den anderen westeuropäischen Ländern ausgleichen und vor allem bald wieder in der Lebenserwartung in Europa auf einem der vorderen Plätze liegen.
SB: Im Zuge der Koalitionsverhandlungen werden derzeit die gesundheitspolitischen Weichen für die kommenden Jahre gestellt. Die Rahmenbedingungen für die kardiovaskuläre Medizin müssen weiter optimiert werden – durch verbesserte Strukturen zur optimierten Früherkennung und Versorgung kardiovaskulärer Erkrankungen, die Schaffung eines Nationales Herzregisters sowie gesetzliche Maßnahmen wie eine Erhöhung der Tabaksteuer. Zudem gilt es, den Schulterschluss mit Fachgesellschaften anderer Fachbereiche wie Neurologie und Onkologie zu suchen, um gemeinsam eine übergeordnete Dekade der Prävention auszurufen – denn viele Erkrankungen haben identische Risikofaktoren. Ebenso essenziell ist die gezielte Mitgestaltung von Qualitäts- und Quantitätsstrukturen für kardiovaskuläre Interventionen und Operationen. Mit Tatkraft und Optimismus werden wir die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger für diese wichtigen Vorhaben gewinnen!
„Politische Arbeit in einer Demokratie kann eben komplex sein.“