„Uns alle eint die Motivation, die kardiovaskuläre Medizin zu stärken.“ 

Auf der 89. Jahrestagung im April 2023 übernahm Prof. Holger Thiele das Amt des DGK-Präsidenten. Nun steht nach zwei Jahren wieder ein Präsidentschaftswechsel an. Wir haben Mitte März mit ihm und seinem Nachfolger Prof. Stefan Blankenberg über erreichte Meilensteine und kommende Herausforderungen für die Kardiologie gesprochen. Welche Themen haben Prof. Thieles Amtszeit dominiert? Welche Herzensprojekte plant Prof. Blankenberg? Wie schauen die beiden Präsidenten auf die Koalitionsverhandlungen und wie kann die DGK die gesundheitspolitischen Umbrüche mitgestalten?

Von:

Melissa Wilke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

17.04.2025

Herr Professor Thiele, nach der Jahrestagung in Mannheim endet Ihre Amtszeit als DGK-Präsident. Wie blicken Sie auf die letzten beiden Jahre zurück?

 

HT: Ich muss sagen, dass der Rückblick so aussieht, dass es mehr als arbeitsintensiv war, aber auch viel Spaß gemacht hat und man ganz viel lernt! Ich hätte das nicht als so arbeitsintensiv eingeschätzt. Es gab aber auch viele Themen in letzter Zeit zu bearbeiten, die für die Kardiologie von sehr großer Bedeutung waren und weiterhin sind. Da ist, neben vielen anderen Themen, das kardiale CT zu nennen mit dem Prozess der Erstattungsfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung. Es war spannend, das zu begleiten, auch wenn derzeit keiner mit der Vergütungshöhe zufrieden sein kann und wir weiterhin daran arbeiten, dass die Kardiologie zwingend mit eingebunden sein muss. Ein anderes großes Thema war die Gründung der Nationalen Herz-Allianz zur Bündelung der kardiovaskulären Aktivitäten, die ja fast zum „Gesundes Herz-Gesetz“ geführt haben. Leider ist kurz davor die Ampel-Koalition zerbrochen und das „Gesunde Herz-Gesetz“ wird ja nun leider so nicht kommen. Aber wir hoffen, dass wir die wichtigsten Säulen noch über die Selbstverwaltung und den G-BA realisieren können. Wir wissen alle, dass viel zu tun ist in der Prävention in Deutschland, um die 1,7 Jahre geringere Lebenserwartung im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern ausgleichen zu können. Auch dieses Thema wird uns noch lange beschäftigen und wir werden viele Anstrengungen unternehmen müssen, um das Thema Nationale Herz-Kreislauf-Strategie in einen möglichen Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung implementieren zu können. Andere Großthemen waren die Krankenhausreform und die Neuordnung der GOÄ, wo wir natürlich die Kardiologie gut vertreten sehen wollen.

 

„Das ‚Gesundes-Herz-Gesetz‘ wäre ein wichtiger Mosaikbaustein zu einer nationalen Herz-Kreislauf-Strategie gewesen.“

 

Und dann noch eine persönliche Anmerkung zur Vorstandsarbeit. Wir hatten viel kollegialen Spaß und konnten sicher einiges bewegen. Es war aber auch manchmal herausfordernd durch die Konstellation einiger gewählter Vertreter, die teilweise persönliche Interessen mehr in den Vordergrund stellen als die Belange der DGK und die Entwicklung der Kardiologie. Das hat viel diplomatische Arbeit benötigt und ich drücke die Daumen, dass die Zusammensetzung des Vorstands ab 2025 noch mehr inhaltliche konstruktive Arbeit ermöglicht. 

 

Was waren Ihre persönlichen Highlights Ihrer Amtszeit und haben Sie während der – auch politisch – turbulenten letzten beiden Jahre umsetzen können, was Sie sich vorgenommen haben?

 

HT: Wie oben schon geschrieben, hätte ich mir natürlich gewünscht, dass wir das „Gesunde Herz-Gesetz“ auch verwirklicht bekommen hätten. Das wäre ein wichtiger Pfeiler bzw. ein Mosaikbaustein zu einer nationalen Herz-Kreislauf-Strategie gewesen. Aber politische Arbeit in einer Demokratie kann eben komplex sein. Das ist aber auch ein persönliches Highlight gewesen, diese Prozesse in der Politik begleiten zu dürfen. Dazu hat natürlich auch gehört, dass wir als DGK-Auswahl gegen den FC Bundestag Fußball gespielt haben. Aber wir haben die Sichtbarkeit und die Bedeutung der Herz-Kreislauf-Gesundheit sicherlich mehr als gut positionieren können – auch über die Aktivitäten der Nationalen Herz-Allianz und die Gründung von Herzmedizin.de. Das sind alles wichtige Errungenschaften. Dann gibt es viele andere Themen wie die Stärkung der jungen Kardiologinnen und Kardiologen, bessere Balance bei Geschlechterförderung, Digitalisierung, etc., etc., die wir umsetzen konnten.  Seit der Gründung der Nationalen Herz-Allianz engagiert sich die DGK in den letzten Jahren vermehrt auch bei der Beratung von politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern. 

 

Welche Erfolge sind sichtbar und wo liegen die weiteren Herausforderungen, um die Rahmenbedingungen für eine optimale Versorgung von Herz-Kreislauf-Erkrankten zu erreichen?

 

HT: Die Erfolge habe ich ja oben skizziert. Wir werden das sowohl auf der europäischen Ebene über die ESC und die EU weiter adressieren müssen, so dass auch darüber hinaus und in einer neuen Regierung dieses Thema weiter in den einzelnen Mitgliedstaaten in der EU große Präsens hat. Dazu gehört für Deutschland eine stärkere Fokussierung auf die Prävention sowohl primär als auch sekundär. Wir werden aber auch so wichtige Themen wie die Tabaksteuer, gesunde Ernährung und sportliche Aktivität im Rahmen einer Verhältnisprävention weiter adressieren müssen. Unser Ziel muss es sein, dass wir die 1,7 Jahre geringere Lebenserwartung im Vergleich zu den anderen westeuropäischen Ländern ausgleichen und vor allem bald wieder in der Lebenserwartung in Europa auf einem der vorderen Plätze liegen.

 

SB: Im Zuge der Koalitionsverhandlungen werden derzeit die gesundheitspolitischen Weichen für die kommenden Jahre gestellt. Die Rahmenbedingungen für die kardiovaskuläre Medizin müssen weiter optimiert werden – durch verbesserte Strukturen zur optimierten Früherkennung und Versorgung kardiovaskulärer Erkrankungen, die Schaffung eines Nationales Herzregisters sowie gesetzliche Maßnahmen wie eine Erhöhung der Tabaksteuer. Zudem gilt es, den Schulterschluss mit Fachgesellschaften anderer Fachbereiche wie Neurologie und Onkologie zu suchen, um gemeinsam eine übergeordnete Dekade der Prävention auszurufen – denn viele Erkrankungen haben identische Risikofaktoren. Ebenso essenziell ist die gezielte Mitgestaltung von Qualitäts- und Quantitätsstrukturen für kardiovaskuläre Interventionen und Operationen. Mit Tatkraft und Optimismus werden wir die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger für diese wichtigen Vorhaben gewinnen!

 

„Politische Arbeit in einer Demokratie kann eben komplex sein.“

Zur Person

Prof. Holger Thiele

Prof. Holger Thiele ist Direktor der Universitätsklinik für Kardiologie am Herzzentrum Leipzig. Er ist Professor für Kardiologie an der Universität Leipzig und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (2023–2025). Seine Forschungsschwerpunkte sind u. a. akuter Myokardinfarkt, akute Herzinsuffizienz, kardiogener Schock und mechanische Kreislaufunterstützung.

 

Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Welche Themen abseits der Politik werden die DGK und die Kardiologie in den nächsten Jahren beschäftigen?

 

HT: Aus meiner Sicht ist es eine weitere Zentralisierung von komplexen Leistungen und Interventionen, wie es die Krankenhausreform vorsieht, zum Wohle der Patientinnen und Patienten. Das werden wir als DGK, basierend auf Evidenz, positiv begleiten müssen. Ebenso werden wir uns erheblich verbessern müssen bei der Digitalisierung, der Erhebung von Daten und der Analyse von Daten in Deutschland. Da sind die skandinavischen Länder ein Vorbild.

 

SB: Ich kann Holger Thiele – wie so oft in den letzten zwei Jahren – uneingeschränkt zustimmen. Die kardiovaskuläre Medizin hat in den vergangenen Jahren beeindruckende Innovationen hervorgebracht, wobei Deutschland und Europa eine führende Rolle einnehmen. Dennoch gibt es Optimierungspotenzial in der Translation von Forschung in die klinische Anwendung und der Implementierung neuer Behandlungsformen. Eine Kernaufgabe der DGK ist es daher, patientennahe Forschung zu stärken und deren Ergebnisse unmittelbar zum Einsatz zu bringen. Zudem wird sich das Fach Kardiologie inhaltlich und strukturell weiterentwickeln – auch die Schnittstellen zur Herzchirurgie müssen neu definiert werden. Zudem haben Fachgesellschaften wie die DGK die Verantwortung, eine geschlechtergerechte Medizin in Diagnose und Therapie zu fördern. Es gilt, Strukturen zu schaffen, diese Geschlechtergerechtigkeit auf allen Ebenen zur Selbstverständlichkeit zu machen. Hier besteht Nachholbedarf – sowohl in der Kardiologie als auch innerhalb der DGK.

 

„Die partikularen Stärken und Strukturen der Kardiologie weiterbefördern und dennoch die inhaltliche, aber auch strukturelle Einheit des Faches gewährleisten“

 

Zur Person

Prof. Stefan Blankenberg

Prof. Stefan Blankenberg ist Ärztlicher Leiter des Universitären Herz- und Gefäßzentrums Hamburg sowie Direktor der Klinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen innovative Therapien bei Herzinfarkt und die kardiovaskuläre Genomforschung. Für 2025–2027 wurde er zum Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) gewählt.

 

Herr Professor Blankenberg, worauf werden Sie sich in den beiden Jahren

Ihrer Amtszeit besonders fokussieren? Gibt es ein Herzensprojekt?

 

SB: Die DGK-Präsidentschaft ist für mich das absolute Herzensprojekt und ich freue mich enorm auf die kommenden zwei Jahre! Meine Leidenschaft gilt nicht nur der Kardiologie in all ihren Facetten; auch die Menschen, die dieses Fach ausüben, begeistern mich. Für mich gibt es keinen schöneren Beruf, als Kardiologe zu sein. Die Möglichkeit, die Zukunft unseres Fachs im bestmöglichen Konsens mit allen Beteiligten – auf medizinischer, politischer, wissenschaftlicher und vor allem kollegialer Ebene – mitgestalten zu dürfen, ist zugleich ein großes Privileg und eine bedeutende Verantwortung. Ganz besonders fokussieren werde ich mich darauf, die partikularen Stärken und Strukturen der Kardiologie weiter zu befördern und dennoch die inhaltliche, aber auch strukturelle Einheit des Faches zu gewährleisten.

 

Vier zentralen Themen möchte ich mich in den kommenden Jahren besonders widmen:

 

Die Krankenhausreform mit der Bildung von Leistungsgruppen, die Neustrukturierung ambulanter und stationärer Prozesse sowie die Etablierung von Qualitätsstrukturen – einschließlich individueller und institutioneller Mindestmengen für zentrale herzmedizinische Eingriffe – werden meine Arbeit in den kommenden Monaten maßgeblich prägen. In engem Austausch mit dem G-BA und dem Bundesgesundheitsministerium wird es darauf ankommen, diesen Prozess aktiv mitzugestalten. Hierzu wird eine enge Abstimmung mit allen Protagonistinnen und Protagonisten der Kardiologie erfolgen, um nachhaltige und wirkungsvolle Lösungen zu entwickeln.

 

Die kardiovaskuläre Prävention stellt einen besonderen Fokus dar. Fünfzig Prozent kardiovaskulärer Erkrankungen sind bei konsequenter Einstellung der klassischen Risikofaktoren vermeidbar. Die bekannten Risikofaktoren führen zu Herz-Kreislauferkrankungen, aber auch zu onkologischen Erkrankungen sowie Schlaganfall und Demenz. Gemeinsam sind wir stark und müssen ein klares Zeichen setzen für eine Dekade der Prävention. Ein zentrales Anliegen ist mir dabei die „Anti-Rauchen-Kampagne“ mit einer Anhebung der Tabaksteuer auf das Niveau unserer europäischen Nachbarländer.

 

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern besitzen wir keine strukturierte Datenkenntnis über kardiovaskuläre Erkrankungen und deren Behandlungen. Das übergeordnete „Gute Herz Register“ wird einen Schritt nach vorne darstellen.

 

Unser Nachwuchs ist unsere Chance. Gemeinsam mit der Young DGK werden wir die existierenden Programme und Strukturen für den kardiologischen Nachwuchs weiter stärken und das Fach gerade für viele zukünftige Kolleginnen und Kollegen attraktiv halten.

 

Worauf freuen Sie sich besonders?

 

SB: Auf den kontinuierlichen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen und die Möglichkeit, kardiovaskuläre Medizin in all ihren Ausprägungen von klinischer Versorgung bis hin zu wissenschaftlichen Strukturen maßgeblich mit prägen zu dürfen. Natürlich gibt es in Teilen etwas heterogene Interessenslagen. Dennoch eint uns alle die Motivation, die kardiovaskuläre Medizin zu stärken. Und dies wird basierend auf den hervorragenden Strukturen der DGK weiter gelingen.


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