Ergebnisbericht zur Veranstaltung „Nationaler Präventionsplan: Chancen der Stärkung der Früherkennung von Strukturellen Herzerkrankungen“

Von Bonusheft bis Sensibilisierung, von Gebührenordnungspositionen bis Herz-Check-ups: Ideen, wie eine bessere Früherkennung gelingt und was Medizin und Politik beitragen können, gibt es viele. Am 22. Juni 2023 diskutierten Expert:innen aus Medizin und Politik im AXICA Kongress- und Tagungszentrum in Berlin über die Zukunft eines nationalen Präventionsplans SHD.

 

 

 

Von Edwards Lifesciences

 

12.09.2023

 

Bildquelle (Bild oben): S_L / Shutterstock.com

 

Geförderter Inhalt

 

 

Wer war dabei?

• Wolfgang van den Bergh (Moderator)

 

• Martina Stamm-Fibich (MdB und politische Schirmherrin der Veranstaltung)

 

• PD Dr. Mohammad Sherif (Mitglied des EU SHD Coalition, Leiter der invasiven Kardiologie und Angiologie am Deutschen Herzzentrum Charité)

 

• Prof. Dr. Ulf Landmesser (Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin am Deutschen Herzzentrum Charité)

 

• Jens Näumann (Geschäftsführer der Initiative Herzklappe e.V.)

 

• Dr. Christian Graf (Bereichskoordinator für Versorgungsinnovation, Pflege und Digitale Versorgung bei der BARMER Wuppertal)

 

• zahlreiche Teilnehmer:innen vor Ort und online

 

Organisiert wurde die Veranstaltung von der EU SHD Coalition und der RPP Group.

Inhaltliche Gliederung

  • Einleitung und Vorstellung der Referierenden durch Moderator Wolfgang van den Bergh
  • Politisches Statement von MdB Martina Stamm-Fibich, SPD
  • Statements der Referierenden
  • Moderierte Diskussion

Die Mittel für ein gesundes Altern und eine frühzeitige Diagnostik stehen bereits zur Verfügung. Die Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinie (GU-Richtlinie) setzt die regulatorischen Rahmenbedingung zur Früherkennung von HKE und SHE anhand der Herzauskultation. Eine Umfrage zur Herzgesundheit in Deutschland im Rahmen des European Heart Health Surveys 2019 ergab jedoch, dass nur 17 % der befragten Patient:innen im Alter von 60-64 bei ihren Hausärzt:innen regelmäßig am Herzen abgehört werden. 10 % derselben Altersgruppe gaben an, dass ihr Herz noch nie abgehört worden ist. Die Zahlen verdeutlichen, dass durch die aktuellen Früherkennungssysteme nicht alle Betroffenen von HKE frühzeitig diagnostiziert und entsprechend rechtzeitig therapiert werden.

Was sind die Forderungen an die Politik?

  • Aufnahme einer flächendeckenden Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in legislative Agenda der politischen Entscheidungsträger:innen (u.a. Bundestagsabgeordnete, Vertreter:innen der Selbstverwaltung, insb. des G-BAs) sowie Anpassung der bestehenden Gesundheitsrichtlinien und/oder Schaffung zusätzlicher legislativer Grundlagen (bspw. Verankerung im geplanten Nationalen Präventionsplan).
  • Schaffung von Anreizen für Hausärzt:innen, Früherkennungsuntersuchungen systematisch durchzuführen und Anreize für Patient:innen, diese in Anspruch zu nehmen (bspw. durch Bonussysteme für Ärzt:innen und Punkteprogramme für Patient:innen angeboten von Krankenkassen).
  • Stärkung der Aufmerksamkeit für Früherkennung, zum Beispiel durch mediale Kampagnen und Aufklärung in Hausarztpraxen zum Patientenpfad (initiiert und durchgeführt durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) bzw. das neugegründete Institut für öffentliche Gesundheit).
  • Stärkung der intersektoralen Kooperation und Kommunikation zwischen den wesentlichen Akteur:innen und Institutionen zur Sensibilisierung der Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie zur Förderung des Austausches von Daten und Erfahrungen (bspw. mit Hilfe moderner KI-Lösungen und digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs)).

Statements

Martina Stamm-Fibich

Die Primär- und Sekundärprävention von SHD muss besser umgesetzt und gestärkt werden. Dazu ist es notwendig die Früherkennung von SHD gesetzlich zu verankern und gezielt durch den Staat zu fördern, zum Beispiel durch Bereitstellung von Früherkennung von Hausärzt:innen. Um die finanzielle und medizinische Belastung für das Gesundheitssystem nicht noch weiter zu erhöhen, bedarf es einer Strategie für SHD auf politischer Ebene. Im europäischen Vergleich hat Deutschland einen großen Nachholbedarf im Bereich Prävention und Risikoempfinden; Länder wie Frankreich, die Niederlande und Italien liegen vor uns und wir müssen uns darauf konzentrieren vermeidbare Belastungen abzuwenden. Wir brauchen eine kohärente nationale Strategie gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die Anreize für Ärzt:innen schafft und Patient:innen in den Mittelpunkt stellt.

Martina Stamm-Fibich

PD Dr. Mohammed Sherif

Deutschland hat die drittälteste Bevölkerung der Welt. Und allein 2021 starben laut des Deutschen Herzberichtes knapp 340.00 Menschen in Deutschland an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Um die Auswirkungen des demografischen Wandels abzuwenden, müssen daher potenzielle Krankheiten frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden. Deshalb braucht es ein geschärftes Bewusstsein über die Belastung von Strukturellen Herzerkrankungen, denn je früher Patient:innen behandelt werden, desto besser sind die Behandlungsergebnisse. Früherkennung ist zudem notwendig, um Kosten zu sparen. Strukturelle Herzerkrankungen sollten auf der politischen Agenda priorisiert behandelt werden, denn die Sterblichkeit durch Herzerkrankungen wird weiterhin eine große gesundheitliche Herausforderung darstellen. Deshalb ruft die EU SHD Koalition zu dringenden Maßnahmen auf EU und nationaler Ebene auf, um Versorgung sicherzustellen und zu verbessern. Die Hauptziele der SHD Koalition in Deutschland sind daher: die gezielte Verbesserung der medizinischen Maßnahmen sowie eine einheitliche Strategie auf politischer Ebene, um Früherkennung gesetzlich zu verankern.

PD Dr. Mohammed Sherif

Prof. Dr. Ulf Landmesser

Es besteht ein Mangel an Bewusstsein für das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und insbesondere von Strukturellen Herzerkrankungen in der Gesellschaft. Eine frühzeitige Erkennung bietet gute Heilungschancen und eine Verbesserung der Lebensqualität der Patient:innen. Die Wissenschaft ist der Praxis hier weit voraus. Es fehlt bisher an der Umsetzung des Wissens aus der Herz-Kreislauf-Forschung in die medizinische Praxis. Dies muss dringend erfolgen. Dabei bieten auch die digitale Transformation und KI großes Potenzial, insbesondere die personalisierte Risikoerkennung zur Prävention und Früherkennung.

Prof. Dr. Ulf Landmesser

Jens Näumann

Die Hausärzt:innen sind der Dreh- und Angelpunkt für eine bessere Früherkennung von Strukturellen Herzerkrankungen. Nur mithilfe der Früherkennung in der Hausarztpraxis können vermehrt asymptomatische Patient:innen erkannt werden. Zudem ist eine intersektorale Interaktion zwischen allen Akteur:innen im Gesundheitssystem und branchenübergreifendes Denken und Handeln essenziell für die Früherkennung. Dazu gehört auch, die erlebten Erfahrungen von Patient:innen miteinzubeziehen. Da Symptome bei Strukturellen Herzerkrankungen häufig schleichend auftreten, erfolgt bei rund 1/5 aller Hochrisikopatient:innen die Diagnosestellung oft sehr spät. Umso wichtiger ist es deshalb, auf Früherkennung und die damit verbundenen Vorsorgeuntersuchungen aufmerksam zu machen. Gleichzeitig müssen die Hausärzt:innen diese Vorsorgeuntersuchungen proaktiv anbieten, wozu gezielte Anreize gesetzt werden müssen. Wesentlich ist zudem den gesamten Patientenpfad in den Blick zunehmen. Zudem muss verbindlich geklärt werden, wie nach der Diagnosestellung beim Hausarzt/der Hausärztin verfahren wird. Wie bei der Krebsvorsorge ist auch für SHD eine eigene Vorsorgerichtlinie erforderlich, mit dem Ziel Herzklappenerkrankungen bekannter zu machen, um Patientenpfade zu erleichtern.

Jens Näumann

Dr. Christian Graf

Früherkennung lohnt sich wirtschaftlich! Langfristig ist eine Untersuchung in der Gegenwart günstiger als in der Zukunft teure Pflegekosten. Eine präventive Maßnahme, die kurzfristig Komplikationen verhindert und langfristig Kosten spart, kann zukünftige Ersparnisse auf den Gegenwert diskontieren. Früherkennung ist demnach günstiger als länger mit Diagnose und Behandlung zu warten. Dadurch, dass laut Zahlen der Barmer rund 50 % aller Versicherten dieser Krankenkasse eine Gesundheitsuntersuchung in Anspruch nähmen, sei auch die Sensibilisierung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Gesellschaft durchaus vorhanden. Ein Großteil der Versicherten, die Gesundheitsuntersuchungen wahrnehmen, sind 40+.

Ergebnisse und Erkenntnisse aus der Diskussion

In der Einleitung zur Diskussion betont Moderator Wolfgang van den Bergh, dass die Zahlen von der Barmer, denen den anderen Referenten doch deutlich widersprechen würden. Insbesondere würden Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufig immer noch durch Zufall entdeckt, was überaus problematisch sei. Näumann geht darauf ein und meint, dass Hausärzt:innen proaktiv auf die Gesundheitsuntersuchungen aufmerksam machen müssten. Weiterhin seien auch die Kassen gefragt, die, wie etwa bei der Krebsvorsorge, in Frage kommende Personen gezielt kontaktieren und auf die notwendigen Untersuchungen aufmerksam machen sollten. In den allermeisten Fällen seien Früherkennungsmaßnahmen für Strukturelle Herzerkrankungen nicht bekannt. Dr. Sherif fügt hinzu, dass insbesondere für die mediale Unterstützung und Kampagnen für kardiale Vorsorgeuntersuchen eine politische Unterstützung notwendig sei. Es müsse mehr Anreize sowohl für Hausärzt:innen als auch für Patient:innen geben.

Herr van den Bergh schlägt vor, dass ein Bonusheft, ähnlich wie in der Zahnheilkunde auch bei kardialen Vorsorgeuntersuchungen für Patient:innen eingeführt werden könnte. Für Hausärzt:innen wäre es denkbar, dass die einzelnen Untersuchungen, wie die Auskultation, jeweils eigene Gebührenordnungspositionen (z.B. EBM-Nummer) erhalten, um diese einzeln abrechnen zu können. Auf diese Weise gäbe es einen einheitlichen Bewertungsmaßstab.

Zudem, so Dr. Sherif, wären Boni für Ärzt:innen denkbar, die eine bestimmte Anzahl von Herz-Check-Ups durchgeführt haben. Dafür sei jedoch auch mehr Zeit und Personal notwendig. Die Schaffung von Rahmenbedingungen für die Inhalte einer entsprechenden Richtlinie müsse allerdings Aufgabe der Gremien der Selbstverwaltung, v.a. des G-BAs, sein.

Herr Näumann ergänzt, dass im Sozialgesetz V, Paragraph 20, unterschiedliche Krebserkrankungen relativ ausführlich aufgeführt seien, doch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes unter „bevölkerungs-medizinisch bedeutsamen Erkrankungen“ subsumiert würden. Hier brauche es einen deutlich spezifischeren Katalog, mit klaren Anweisungen für Ärzt:innen und auch Kostenträger:innen, was wann und bei welcher Diagnose zu tun sei. Dies sei ein klarer Auftrag an die Politik.

Angeregte Diskussion bei der Veranstaltung zum Nationalen Präventionsplan

Zu dem von Prof. Dr. Landmesser angesprochenen Punkt nach Maßnahmen für eine Stärkung der Awareness und Sensibilisierung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ihren Gefahren meint Dr. Sherif, dass Patientenveranstaltungen zielführend seien. Wichtig sei dabei, dass man in einfacher Sprache den Patient:innen erklären müsse, welche Symptome auftreten und warum Früherkennungsmaßnahmen so wichtig seien. Die Sensibilisierung in der Bevölkerung für Früherkennung könne zum Beispiel auch bei nicht Medizin relevanten Veranstaltungen wie Fußballspielen durch das Anbieten von Auskultationen erzeugt werden.

Aus Patientensicht sei es darüber hinaus besonders wichtig, die z.T . bestehende Informationsasymmetrie zwischen Patient:innen und Ärzt:innen abzubauen, damit die Informationen der Ärzt:innen auch von den Patient:innen verstanden werden. Auch Institutionen wie die BZgA und Expert:innen sollten stärker in die Pflicht genommen, um Patient:innen etwa durch große mediale Kampagnen zu erreichen. Patient:innen müssten dazu ermutigt werden, nachzufragen, um die Informationen wirklich zu verstehen. Daher sei es enorm wichtig, genügend Zeit für die Patientengespräche zur Verfügung zu stellen.

Zudem sei die evidenzbasierte Medizin insbesondere für asymptomatische Patient:innen von enormer Bedeutung, denn nur so könne man belegen und erklären, dass durch diese Behandlung eine medizinische Verbesserung für den/die Patient:in erfolgt sei. Dafür seien jedoch Daten und Forschungsgelder notwendig. Grundsätzlich seien konkrete medizinische Daten essentiell, um politische Leitlinien zu definieren.

Neben der Quantität derer, die Früherkennungsmaßnahmen in Anspruch nehmen, sei, so der Moderator, auch die Qualität der Versorgung essentiell. Nicht zuletzt deshalb, weil sehr viel Geld, allein 46 Milliarden Euro für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ausgegeben wird. Dr. Sherif betont daher noch einmal, dass durch Früherkennung auch die Kosten deutlich gesenkt werden könnten, weil weniger Patient:innen hospitalisiert werden müssten.

Zum Ende kommt Herr van den Bergh nochmal auf das Potenzial von KI zu sprechen. Dr. Sherif, sagt, dass KI definitiv in der Zukunft eine immer größere Unterstützung in der jeweiligen Station des Patientenpfads spielen wird, allerdings befinde man sich momentan noch in der Frühphase und brauche noch sehr viele Daten.

Nächste Schritte

Um das Ziel der verbesserten und flächendeckenden Früherkennung von Strukturellen Herzerkrankungen durch eine gesetzliche Verankerung zu erreichen, wurden drei nächste Schritte identifiziert:

  • Erweiterung und Vergrößerung der nationalen Sektion der SHD Coalition durch weitere ärztliche Expert:innen, wie Kardiolog:innen, Herzchirurg:innen und Hausärzt:innen, sowie Patientenvertreter:innen, Kassenvertreter:innen, Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses sowie politische Entscheidungsträger:innen, um eine breite Allianz zur Stärkung der Früherkennung von SHD zu schaffen.
  • Kontaktaufnahme zu dem in der Gründung befindlichen Institut für öffentliche Gesundheit, um das Thema Früherkennung und Prävention auf die Agenda zu setzen und dadurch (mediale) Aufmerksamkeit zu generieren.
  • Weitere (bilaterale) Gespräche mit Entscheidungsträger:innen aus Politik und Selbstverwaltung, um eine kohärente nationale Strategie gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die gesetzliche Verankerung von Früherkennungsmaßnahmen weiter voranzutreiben.

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