"Auch wir müssen impfen."

Prof. Stefan Baldus im Interview: Mit einer großangelegten Kampagne sollen die vergleichsweise niedrigen Impfquoten in Deutschland verbessert werden. Die Ziele der NHA-Kampagne: Vertrauen stärken, Awareness schaffen, Barrieren abbauen und Kardiologinnen und Kardiologen in die Verantwortung nehmen.

 

Dieses Interview mit Prof. Dr. Stefan Baldus erschien zuerst in der Cardio News 04/2025

Von Melissa Wilke

 

17.04.2025

Obwohl die generelle Einstellung gegenüber Schutzimpfungen in Deutschland positiv ist, liegt die bundesweite Impfquote gegen Influenza bei der Zielgruppe der ab 60-jährigen laut RKI für den Berichtszeitraum 2023/2024 nur bei 38,2 %, während sie bei Pneumokokken sogar nur bei 11,8 % liegt. Im OECD-Vergleich liegen die Deutschen damit weit hinter ihren europäischen Nachbarn. Die Gründe dafür sind vielseitig: ein fehlendes Risikobewusstsein, Vertrauensprobleme gegenüber Impfungen, seltene Empfehlungen von Fachärztinnen und -ärzten sowie Zugangshürden halten viele Menschen vom Impfen ab. Dabei schützen Impfungen nicht nur vor Infektionskrankheiten, sondern auch vor schweren Folgen für Herzkreislauferkrankte. Die Nationale-Herzallianz hat sich dieses Thema nun auf die Agenda gesetzt. Impfen soll im Rahmen einer großen Kampagne als unverzichtbarer Schutz für das Herz positioniert werden, während Kardiologinnen und Kardiologen stärker in die Impfberatung eingebunden werden sollen. Außerdem sollen Fakten gegen Unsicherheiten das Vertrauen stärken und Barrieren durch Impfangebote und –kommunikation abgebaut werden. Prof. Stephan Baldus, Past-Präsident der DGK, erläutert, wie es zu der Kampagne kam. 

Warum hat sich die Nationale Herz-Allianz für 2025 das Thema Schutzimpfung für Risikopatientinnen und -patienten auf die Fahne geschrieben?

Ein wesentliches Anliegen der Nationalen Herz-Allianz ist die Prävention von Herzkreislauferkrankungen. Ein zentraler Hebel, den wir bisher nicht nutzen, ist die Impfung. Impfungen können so effektiv sein wie die Statintherapie zur Verhinderung eines Herzinfarktes, aber wir impfen im besten Fall 50 Prozent der Patientinnen und Patienten, für die in unserem Fach eine Impfung empfohlen ist. Wir müssen fairerweise sagen, dass die kardiovaskulär aktiven Medizinerinnen und Mediziner hier nur einen Bruchteil der Verantwortung übernehmen. Deshalb sieht sich die NHA in der Pflicht, für dieses Patientenkollektiv mehr Awareness für die Impfung zu schaffen. 

Um welche Impfungen geht es konkret und warum?

Es geht um die Impfungen gegen Pneumokokken, Influenza und das RS-Virus, für die Patientinnen und Patienten mit chronisch kardiovaskulären Erkrankungen eine erhöhte Empfänglichkeit haben und bei Infektion mit diesen Erregern auch eine schlechtere Prognose. Hier geht es nicht nur um einen verlängerten Krankenhausaufenthalt, oder wie bei der Influenza, um ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte - das Herzinfarktrisiko steigt bei der Influenza um das 8fache – sondern es geht auch um Mortalität. Man hat zeigen können, dass diese drei Impfungen, konkret mortalitätssenkend sind.

Zur Person

Prof. Stephan Baldus

Prof. Stephan Baldus ist seit 2012 Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und Internistische Intensivmedizin am Herzzentrum der Universität zu Köln. Er ist Past-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) (2023 – 2025). Zudem ist er bei der DGK Koordinator für die Nationale Herz-Allianz (NHA) sowie für die Arbeitsgruppen innerhalb der Programmkommission.

 

Prof. Dr. Stephan Baldus
Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Warum werden Impfungen eher selten von Kardiologinnen und Kardiologen durchgeführt?

Ich denke zum einen ist es für uns ungewohnt, eine solche Infrastruktur vorhalten zu müssen, vielleicht aber auch die noch mehr ins Bewusstsein zu bringende Kenntnis über die Malignität der Prognose der Betroffenen. Impfungen und Infektionserkrankungen stehen nicht so sehr im Fokus unseres Denkens wie das Verschreiben von Statinen oder Plättchenhemmern oder auch der etablierten Herzinsuffizienztherapie für unsere Patienten. Und das ist meiner Ansicht nach etwas, das wir unbedingt selbst in die Hand nehmen müssen. Denn wir sehen, dass wir die Hausärztinnen und Hausärzte unterstützen müssen, die es allein nicht stemmen können, all diese Menschen zu impfen. 

Welchen Beitrag können die Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken leisten?

In den Kliniken, wo die Person liegt und unter dem Eindruck ihrer schweren Erkrankung ist steht, sei es der akute Herzinfarkt oder die dekompensierte Herzinsuffizienz, haben Ärztinnen und Ärzte die große Chance, die Betroffenen auf diese Erkrankung nochmals hinzuweisen und zu demonstrieren, dass solche Impfungen eben Hospitalisierungen im günstigsten Fall, im schlimmsten Fall auch den Tod, verhindern können. Die Patientinnen und Patienten sind hier besonders empfänglich und der nächste Schritt muss sein, neben der Aufklärung der Personen im am Krankenbett, im Rahmen der akuten Erkrankung, in den Arztbrief zu formulieren, dass diese Risikopatientinnen und -patienten zukünftig eine lebenslange Impfprävention brauchen. Und mit gut geschriebenen, die Awareness der nachbehandelnden Ärztinnen und Ärzte steigernden, Arztbriefen sollte es gelingen, auch über das Krankenhaus hinaus Effekte zu entwickeln. In Zukunft sollten wir ferner darauf drängen, auch stationäre Patienten impfen zu können und so aus der Herz-Kreislaufmedizin heraus einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Impfquoten in Deutschland zu leisten.

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Hinweis

Die Umsetzung dieser Kampagne der Nationalen Herz-Allianz wird finanziell von der Firma Pfizer unterstützt. Pfizer hat zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf die Gestaltung, die Inhalte der Kampagne oder die redaktionellen Inhalte von Herzmedizin.de.

 

Wir bedanken uns bei Pfizer für die Unterstützung. 

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