TAVI: Es geht auch ohne Vordehnung

 

Neuere Studien weisen daraufhin, dass eine Prädilatation vor einer TAVI möglicherweise gar keine Vorteile bringt. Allerdings fehlen bisher Langzeitdaten. Im Follow-up der randomisierten DIRECTAVI-Studie wurde nun erstmals der Vergleich der TAVI mit und ohne Ballon-Valvuloplastie im Langzeitverlauf über 6 Jahre untersucht.

Von:

Dr. Heidi Schörken

HERZMEDIZIN

 

Prof. Tanja Rudolph

Senior Editor

 

13.02.2023

 

Bildquelle (Bild oben): SciePro / Shutterstock.com

DIRECTAVI: Keine kurzfristigen Vorteile der Prädilatation

 

Die Vordehnung mit einem Ballon (Ballon-Valvuloplastie, BAV) soll die Positionierung und Entfaltung der prothetischen Klappe vereinfachen. Ursprünglich wurde die BAV als obligatorischer Schritt vor einer Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) angesehen. Diese Ansicht hat sich allerdings geändert, vor allem da die BAV selber mit erheblichen Risiken verbunden sein kann wie Anulusruptur, Aortenregurgitation, zerebrale Embolie, Myokardschäden und erhöhter Mortalität.


Die neue ballonexpandierbare TAVI-Generation gilt als attraktive Option zur Vermeidung von Komplikationen und zur Vereinfachung des Verfahrens. In der randomisierten DIRECTAVI-Studie wurde bereits nachgewiesen, dass die Implantation der TAVI ohne vorherige BAV durchführbar und gegenüber der TAVI mit BAV zumindest über einen kurzen Zeitraum nicht unterlegen ist.1


Allerdings gibt es bisher noch keine Langzeitdaten zu Haltbarkeit und Funktion der direkt implantierten TAVI im Vergleich zur TAVI mit BAV. Es gibt die Befürchtung, dass eine unzureichende Apposition oder eine zu geringe Expansion zu einer frühzeitigen Degeneration der Transkatheter-Herzklappe im Langzeitverlauf führen könnte.


Um die klinischen und hämodynamischen Langzeitfolgen der direkten TAVI zu untersuchen, wurden nun die Daten der Patient:innen der DIRECTAVI-Studie über eine Follow-up-Dauer von bis zu 6 Jahren analysiert.2

Langzeit-Analyse zum Klappenverschleiß

 

In die DIRECTAVI-Studie wurden insgesamt 250 Patient:innen eingeschlossen, bei denen eine ballonexpandierende SAPIEN-3-Klappe implantiert werden sollte. Davon erhielten 124 Patient:innen eine TAVI mit vorheriger BAV (TAVI+BAV-Gruppe) und 126 eine TAVI ohne vorherige BAV (TAVI-Gruppe).

 

Im Follow-up wurden insgesamt 228 Patient:innen der DIRECTAVI-Studie klinisch und echokardiografisch bis zu 6 Jahre nachbeobachtet. Als primärer Endpunkt wurde die Inzidenz eines moderaten bis schweren hämodynamischen Funktionsverlustes der Herzklappe erfasst.2 Gemäß den Kriterien des Valve Academic Research Consortium-3 ist ein solcher Verschleiß als Stadium 2 definiert: Anstieg des mittleren transvalvulären Gradienten um ≥ 10 mmHg auf einen mittleren Gradienten von ≥ 20 mmHg oder eine neue/verschlechterte Aortenregurgitation ≥ 1 Grad, was zu einer mindestens moderaten Aortenregurgitation führt.3

Keine signifikanten Unterschiede

 

Die mediane Nachbeobachtungsdauer betrug 3,8 Jahre und das Durchschnittsalter der Patient:innen 87 ± 6,7 Jahre. Die Inzidenz des Funktionsverlustes war in beiden Gruppen vergleichbar: 1,97/100 Personenjahre TAVI versus 1,45/100 Personenjahre TAVI+BAV, p = 0,6.
Die Prävalenz eines Prothesen-Patienten-Missmatch war in beiden Gruppen gering und ebenfalls vergleichbar ohne einen signifikanten Unterschied: 11,4 % TAVI versus 13,2 % TAVI+BAV, p = 0,7. Auch im Hinblick auf die wichtigsten klinischen Ereignisse, wie Tod, Schlaganfall, Krankenhausaufenthalt wegen Herzinsuffizienz und Schrittmacherimplantation waren keine Unterschiede feststellbar. Insgesamt wurden die klinischen Ergebnisse in der älteren Population in beiden Gruppen jedoch von einer relativ hohen Gesamtmortalität von 40 % dominiert.

Fazit

 

In dieser randomisierten Studie wurden erstmals die klinischen und hämodynamischen Langzeitergebnisse der direkten TAVI im Vergleich zur TAVI mit einer vorhergehenden Prädilatation untersucht. Die direkte Implantation der ballonexpandierbaren SAPIEN-3-Herzklappe war über ein 6-Jahres-Follow-up nicht mit einem erhöhten Risiko für einen Klappenverschleiß oder andere schwerwiegende Folgen verbunden.

 

"Diese Ergebnisse ermutigen dazu, die direkte TAVI als Standardmethode bei Patient:innen mit schwerer Aortenklappenstenose und Implantation einer Ballon-expandierenden Prothese zu verwenden."

Prof. Tanja Rudolph (Herausgeberin der Rubrik Strukturelle Herzerkrankungen)

 

 


Referenzen

  1. Akodad M et al. Myocardial Injury After Balloon Predilatation Versus Direct Transcatheter Aortic Valve Replacement: Insights From the DIRECTAVI Trial. J Am Heart Assoc. 2020;9(24):e018405
  2. Jammoul N et al. Long-term follow-up of balloon-expandable valves according to the implantation strategy: insight from the DIRECTAVI trial. Am Heart J. 2024 Jan 20:S0002-8703(24)00014-0.
  3. Généreux P et al. Valve Academic Research Consortium 3: Updated Endpoint Definitions for Aortic Valve Clinical Research. J Am Coll Cardiol. 2021;77(21):2717-2746.

DIRECTAVI: Keine kurzfristigen Vorteile der Prädilatation

 

Die Vordehnung mit einem Ballon (Ballon-Valvuloplastie, BAV) soll die Positionierung und Entfaltung der prothetischen Klappe vereinfachen. Ursprünglich wurde die BAV als obligatorischer Schritt vor einer Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) angesehen. Diese Ansicht hat sich allerdings geändert, vor allem da die BAV selber mit erheblichen Risiken verbunden sein kann wie Anulusruptur, Aortenregurgitation, zerebrale Embolie, Myokardschäden und erhöhter Mortalität.


Die neue ballonexpandierbare TAVI-Generation gilt als attraktive Option zur Vermeidung von Komplikationen und zur Vereinfachung des Verfahrens. In der randomisierten DIRECTAVI-Studie wurde bereits nachgewiesen, dass die Implantation der TAVI ohne vorherige BAV durchführbar und gegenüber der TAVI mit BAV zumindest über einen kurzen Zeitraum nicht unterlegen ist.1


Allerdings gibt es bisher noch keine Langzeitdaten zu Haltbarkeit und Funktion der direkt implantierten TAVI im Vergleich zur TAVI mit BAV. Es gibt die Befürchtung, dass eine unzureichende Apposition oder eine zu geringe Expansion zu einer frühzeitigen Degeneration der Transkatheter-Herzklappe im Langzeitverlauf führen könnte.


Um die klinischen und hämodynamischen Langzeitfolgen der direkten TAVI zu untersuchen, wurden nun die Daten der Patient:innen der DIRECTAVI-Studie über eine Follow-up-Dauer von bis zu 6 Jahren analysiert.2

Langzeit-Analyse zum Klappenverschleiß

 

In die DIRECTAVI-Studie wurden insgesamt 250 Patient:innen eingeschlossen, bei denen eine ballonexpandierende SAPIEN-3-Klappe implantiert werden sollte. Davon erhielten 124 Patient:innen eine TAVI mit vorheriger BAV (TAVI+BAV-Gruppe) und 126 eine TAVI ohne vorherige BAV (TAVI-Gruppe).

 

Im Follow-up wurden insgesamt 228 Patient:innen der DIRECTAVI-Studie klinisch und echokardiografisch bis zu 6 Jahre nachbeobachtet. Als primärer Endpunkt wurde die Inzidenz eines moderaten bis schweren hämodynamischen Funktionsverlustes der Herzklappe erfasst.2 Gemäß den Kriterien des Valve Academic Research Consortium-3 ist ein solcher Verschleiß als Stadium 2 definiert: Anstieg des mittleren transvalvulären Gradienten um ≥ 10 mmHg auf einen mittleren Gradienten von ≥ 20 mmHg oder eine neue/verschlechterte Aortenregurgitation ≥ 1 Grad, was zu einer mindestens moderaten Aortenregurgitation führt.3

Keine signifikanten Unterschiede

 

Die mediane Nachbeobachtungsdauer betrug 3,8 Jahre und das Durchschnittsalter der Patient:innen 87 ± 6,7 Jahre. Die Inzidenz des Funktionsverlustes war in beiden Gruppen vergleichbar: 1,97/100 Personenjahre TAVI versus 1,45/100 Personenjahre TAVI+BAV, p = 0,6.
Die Prävalenz eines Prothesen-Patienten-Missmatch war in beiden Gruppen gering und ebenfalls vergleichbar ohne einen signifikanten Unterschied: 11,4 % TAVI versus 13,2 % TAVI+BAV, p = 0,7. Auch im Hinblick auf die wichtigsten klinischen Ereignisse, wie Tod, Schlaganfall, Krankenhausaufenthalt wegen Herzinsuffizienz und Schrittmacherimplantation waren keine Unterschiede feststellbar. Insgesamt wurden die klinischen Ergebnisse in der älteren Population in beiden Gruppen jedoch von einer relativ hohen Gesamtmortalität von 40 % dominiert.

Fazit

 

In dieser randomisierten Studie wurden erstmals die klinischen und hämodynamischen Langzeitergebnisse der direkten TAVI im Vergleich zur TAVI mit einer vorhergehenden Prädilatation untersucht. Die direkte Implantation der ballonexpandierbaren SAPIEN-3-Herzklappe war über ein 6-Jahres-Follow-up nicht mit einem erhöhten Risiko für einen Klappenverschleiß oder andere schwerwiegende Folgen verbunden.

 

"Diese Ergebnisse ermutigen dazu, die direkte TAVI als Standardmethode bei Patient:innen mit schwerer Aortenklappenstenose und Implantation einer Ballon-expandierenden Prothese zu verwenden."

Prof. Tanja Rudolph (Herausgeberin der Rubrik Strukturelle Herzerkrankungen)

 

 


Referenzen

  1. Akodad M et al. Myocardial Injury After Balloon Predilatation Versus Direct Transcatheter Aortic Valve Replacement: Insights From the DIRECTAVI Trial. J Am Heart Assoc. 2020;9(24):e018405
  2. Jammoul N et al. Long-term follow-up of balloon-expandable valves according to the implantation strategy: insight from the DIRECTAVI trial. Am Heart J. 2024 Jan 20:S0002-8703(24)00014-0.
  3. Généreux P et al. Valve Academic Research Consortium 3: Updated Endpoint Definitions for Aortic Valve Clinical Research. J Am Coll Cardiol. 2021;77(21):2717-2746.

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