Quick Dive: Kommentar zu Kardiomyopathien

 

In unserer Reihe "Quick Dive" stellen die Autorinnen und Autoren von DGK-Publikationen prägnant die wichtigsten Hintergründe und Inhalte der jeweiligen Veröffentlichung vor. Dieses Mal wird eingetaucht in:

 

Kommentar zu den Leitlinien (2023) der ESC zum Management von Kardiomyopathien

09.04.2024 | Verfasst von: Benjamin Meder, Lars Eckardt, Volkmar Falk, Sabine Klaassen, Thomas Klingenheben, Fabian Knebel, Eric Schulze-Bahr, Jeanette Schulz-Menger


Von:

Martin Nölke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

11.04.2024

 

Bildquelle (Bild oben): vovan / Shutterstock.com

5 Fragen an den Erstautor

Prof. Benjamin Meder, Universitätsklinikum Heidelberg

 

Was sind Anlass und Ziel der Publikation?

 

Es wurde erstmals von der ESC eine eigene Leitlinie für Kardiomyopathien herausgegeben. Bisher wurden diese Herzmuskelerkrankungen in anderen Leitlinien, z. B. für die Herzinsuffizienz, abgehandelt. Dieser Schritt stellt also endlich die Bedeutung dieser Erkrankungen heraus und liefert für Kardiologinnen und Kardiologen wichtige Hinweise für ein modernes, Patienten-zentriertes Management der Erkrankungen.


Was sind die wichtigsten Take-Home Messages?

 

  1. Die Aufklärung der Ursache einer Kardiomyopathie hat große Bedeutung auf die Prognose und Behandlung. Für viele Unterformen existieren bereits effektive Therapien.
  2. Die genetische Diagnostik wurde durchweg aufgewertet und sollte bei allen Patientinnen und Patienten erwogen werden. Auch hieraus ergeben sich wichtige therapeutische Hinweise.
  3. Bei Kindern finden sich oftmals syndromale Kardiomyopathien, hier muss ein Netzwerk aus kompetenten Ärztinnen und Ärzten aus verschiedenen Fachdisziplinen zusammenarbeiten.
  4. Ein multimodaler Ansatz wird für die Diagnose einer Kardiomyopathie vorausgesetzt. Hierbei erfährt das Kardio-MRT eine deutliche Aufwertung und sollte neben Echokardiographie, EKG und Laborparametern durchgeführt werden.
  5. Die Erstellung eines Stammbaums kann der Eintrittspunkt für eine effektive Abklärung einer familiären Beteiligung sein.

 

Eine zentrale Abbildung aus der DGK-Publikation:

Klassifikation Kardiomyopathien - ESC-Leitlinien 2023 * Abweichend vom sonstigen deutschen Sprachgebrauch sind hierin auch Geschwister eingeschlossen.

Abb.: Integrierter Ansatz zur phänotypischen Klassifikation einer Kardiomyopathie. Das klinische Szenario umfasst symptomatische Patientinnen und Patienten, Zufallsbefunde und Probanden aus dem Familienscreening. Mittels multimodaler Bildgebung werden im nächsten Schritt die Parameter zur Einordnung in den Kardiomyopathie-Phänotyp erhoben und ggf. zusätzliche, für Verlauf, Risikostratifizierung und Therapie wichtige Parameter identifiziert. Gerade bei jungen Patientinnen und Patienten ist es prognostisch relevant, die Ätiologie zu verstehen, um ggf. kausale oder spezifische Therapien anwenden zu können (z. B. Immunsuppression, Enzymersatztherapie, Proteinstabilisatoren etc.). ARVC Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie; CMP Kardiomyopathie; CMR kardiale Magnetresonanztomographie; DCM dilatative Kardiomyopathie; EKG Elektrokardiogramm; HCM hypertrophe Kardiomyopathie; NDLVC nichtdilatative linksventrikuläre Kardiomyopathie; RCM restriktive Kardiomyopathie. Bildquelle: © ESC2023. Arbelo et al (2023) Eur Heart J 44(37):3503–3626. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad194

Was sind Herausforderungen bei der Umsetzung und mögliche Lösungen?

 

Die Verfügbarkeit des kardialen MRT ist noch nicht flächendeckend und teilweise nicht durch die Krankenkassen abgedeckt. Ebenso ist die genetische Diagnostik noch zu wenig im täglichen Handeln angekommen, kann aber immense Bedeutung für die Betroffenen haben. Die Abklärung vor einer nicht kardialen Operation umfasst bei Betroffenen auch die kardiale Bildgebung, was umsetzbar erscheint. Jedoch ist dasselbe für alle Angehörigen, auch ohne, dass sie erkrankt sind, wenig realistisch.

 

Welche Punkte sind offengeblieben?

 

Die Leitlinie kommuniziert viele Konzepte und Prinzipien. Das ist sicherlich sehr sinnvoll und ein Weg mit den variablen Phänotypen einer Kardiomyopathie umzugehen. Für viele wichtige Aspekte existiert noch zu wenig Quantitatives. Natürlich existieren in diesem Bereich auch noch zu wenige randomisierte Studien – dies ändert sich aber momentan.

 

Ausblick: Welche Entwicklungen zum Thema zeichnen sich ab?

 

Die Präzisionsmedizinischen Konzepte in dieser Leitlinie sind sicherlich auch auf andere Krankheitsbilder übertragbar und können hier leistungsfähige medizinische Lösungen transportieren. Letztlich muss hierfür aber auch eine effiziente Informationsprozessierung (Bildgebung, Genetik, etc.) gegeben sein, durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Die DGK hat hierfür die Sektion eCardiology gegründet, in der diese und andere Fragen bearbeitet werden.

Weiter zur vorgestellten Publikation:

Kommentar zu den Leitlinien 2023 der ESC zum Management von Kardiomyopathien – Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK)

Literaturnachweis: Meder B., Eckardt L., Falk V. et al. Kommentar zu den Leitlinien 2023 der ESC zum Management von Kardiomyopathien. Kardiologie (2024) https://doi.org/10.1007/s12181-024-00685-w

 

Zur Person

Prof. Benjamin Meder

Prof. Benjamin Meder ist W3 Professor für Precision Digital Health an der Universität Heidelberg und stellv. Ärztlicher Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie. Er leitet das Institut für Kardiomyopathien (ICH.) und ist Sprecher des Kardiogenetikzentrum Heidelberg. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Genetik, Epigenetik von Kardiomyopathien und die Entwicklung neuer Therapien bei dieser Ekrankungsgruppe.


Kurzinfo: Die Formate der DGK-Publikationen

Leitlinien sind für Ärztinnen und Ärzte eine wichtige Stütze im klinischen Alltag, um ihre Patientinnen und Patienten nach neuestem Stand der Wissenschaft bestmöglich zu behandeln. Dabei dienen die Leitlinien als verlässliche Handlungsempfehlungen in spezifischen Situationen.

Pocket-Leitlinien sind Leitlinien in kompakter, praxisorientierter Form. Bei Übersetzungen von Pocket-Leitlinien der ESC werden alle Empfehlungsklassen und Evidenzgrade der Langfassung übernommen.

Master Pocket-Leitlinien stellen eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte der Leitlinienempfehlungen in Form von grafischen Diagnose- und Therapiealgorithmen dar. Als Quelle der Empfehlungen dienen dabei vorwiegend die nach strengen wissenschaftlichen Kriterien erstellten Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) sowie deren deutsche Übersetzung durch die DGK.

CardioCards behandeln im Wesentlichen Themen der Diagnostik und Akuttherapie für den ambulanten Bereich. Hier werden die essenziellen Informationen von Leitlinien komprimiert und übersichtlich zusammengefasst.

Kommentare beinhalten Hinweise, wie sich die neuen von den alten Leitlinien unterscheiden, Hinweise auf wesentliche Neuerungen, die seit dem Erscheinen der ESC-Leitlinien bekannt geworden sind, Diskussion kontroverser Empfehlungen in den ESC-Leitlinien sowie Möglichkeiten und Grenzen der Leitlinienumsetzung im Bereich des deutschen Gesundheitswesens.

Ein Positionspapier behandelt eine Fragestellung von großem allgemeinen Interesse, für die keine aktuelle Leitlinie vorliegt.

Bei einem Konsensuspapier handelt es sich um ein von mehreren Fachgesellschaften getragenes Statement.

Diese Veröffentlichungen enthalten Empfehlungen einer DGK-Arbeitsgruppe zu einer speziellen Frage von großem Interesse.

Stellungnahmen der DGK beziehen sich auf gesundheitspolitische Fragestellungen und erfolgen durch den Vorstand, gemeinsam mit Kommissionen und Projektgruppen. Sofern möglich und sinnvoll, werden auch Fachgesellschaft-übergreifende Stellungnahmen ausgearbeitet.

Ein Manual ist eine praktisch orientierte Expertenempfehlung für wesentliche kardiovaskuläre Prozeduren.

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