Klare Überlegenheit für TAVI+PCI gegenüber SAVR+Bypass 

 

In der TCW-Studie zeigte die duale perkutane Behandlung (TAVI kombiniert mit PCI) eine überraschend deutliche Überlegenheit gegenüber der chirurgischen Kombination aus Klappenersatz und Bypass-Operation bei Patientinnen und Patienten mit schwerer Aortenklappenstenose und obstruktiver Koronarerkrankung.

 

Die Rubrikleiterin Prof. Tanja Rudolph (Bad Oeynhausen) kommentiert.

Von:

Dr. Heidi Schörken

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

Expertenkommentar

Prof. Tanja Rudolph

Rubrikleiterin Strukturelle Herzerkrankungen

 

20.01.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Rudy Balasko / Shutterstock.com

Hintergrund und Zielsetzung

 

Patientinnen und Patienten mit schwerer Aortenklappenstenose weisen häufig (∼50 %) gleichzeitig eine obstruktive Koronarerkrankung (KHK) auf. In der aktuellen ESC-Leitlinie wird eine Kombination aus chirurgischem Aortenklappenersatz (SAVR) und koronarer Bypass-Operation (CABG) als bevorzugte Behandlung empfohlen. Die Kombination aus Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) und fraktionierter Flussreserve (FFR)-gesteuerten perkutanen Koronarintervention (PCI) stellt jedoch eine valide Behandlungsalternative dar. Das Ziel der TCW-Studie war es, die Nichtunterlegenheit der FFR-gesteuerten PCI+TAVI gegenüber SAVR+CABG bei Patientinnen und Patienten mit schwerer Aortenklappenstenose und komplexer KHK zu überprüfen.

Studiendesign

 

Die multizentrische, offene, randomisierte Nicht-Unterlegenheitsstudie wurde an 18 Zentren in Europa durchgeführt. Patientinnen und Patienten (≥70 Jahre alt) mit schwerer Aortenstenose und komplexer KHK, die nach Einschätzung des lokalen Herz-Teams für eine perkutane oder chirurgische Behandlung in Frage kamen, wurden 1:1 in die beiden Behandlungsgruppen randomisiert: FFR-gesteuerte PCI+TAVI oder SAVR+CABG.


Der primäre Endpunkt war ein Komposit aus Gesamtmortalität, Myokardinfarkt, Schlaganfall, klinisch notwendige Zielgefäßrevaskularisierung, Klappenreintervention und lebensbedrohliche/schwere Blutungen im Zeitraum über ein Jahr nach der Behandlung. Die Studie war auf Nichtunterlegenheit ausgelegt (Toleranzgrenze 15 %) sowie auf Überlegenheit, falls Nichtunterlegenheit erreicht wurde. Die primäre Endpunkt- und Sicherheitsanalyse erfolgten in der ITT-Population.

Ergebnisse

 

Zwischen 2018 und 2023 wurden 172 Patientinnen und Patienten (Durchschnittsalter 76,5 Jahre, 31 % Frauen) eingeschlossen, von denen 91 Personen der FFR-gesteuerten PCI+TAVI-Gruppe und 81 der SAVR+CABG-Gruppe zugeordnet wurden.
Die Nichtunterlegenheit der FFR-gesteuerten PCI+TAVI wurde für den primären Endpunkt klar nachgewiesen, der um Faktor 5 seltener in der PCI+TAVI-Gruppe auftrat: 4 % (4/91 Personen) vs. 23 % (17/77 Personen). Die Risiko-Differenz lag mit -18,5 (90%-KI [-27,8 bis -9,7]) deutlich unter der vordefinierten Grenze für Nichtunterlegenheit von 15 % (p<0,001).


Darüber hinaus wurde auch die Überlegenheit der FFR-gesteuerten PCI+TAVI gegenüber SAVR+CABG erbracht: Hazard Ratio 0,17; 95%-KI (0,06-0,51); p<0,001. Die Vorteile zugunsten der PCI+TAVI-Gruppe waren vor allem auf die Gesamtmortalität und lebensbedrohliche Blutungen zurückzuführen: jeweils 0 % (0/91) vs. 10 % (7/77) und 2% (2/91) vs. 12 % (9/77); p=0,0025.

Fazit

 

Die TCW-Studie konnte erstmalig und mit überraschender Deutlichkeit nachweisen, dass die perkutane Behandlung bei Patientinnen und Patienten mit schwerer Aortenklappenstenose und komplexer KHK günstigere Outcomes – sowohl für den primären Endpunkt als auch für die Gesamtmortalität - lieferte als die Kombination aus chirurgischem Aortenklappenersatz und koronarer Bypass-OP.

Expertenkommentar

 

Bei Patientinnen und Patienten mit behandlungsbedürftiger KHK und hochgradiger Aortenklappenstenose empfehlen aktuelle Leitlinien ein operatives Vorgehen. Diese Empfehlung wird durch die Ergebnisse der TCW-Studie – der ersten randomisierten Studie auf diesem Gebiet- ganz klar infrage gestellt.


Der klare Benefit der Ischämie-basierten interventionellen Revaskularisation auch bei Vorliegen einer Aortenklappenstenose ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Studie, den wir in unserem klinischen Alltag bedenken sollten. Ähnliches hat uns die kürzlich publizierte NOTION-3-Studie gezeigt. Bei einer intermediären Stenose sollte somit immer eine invasive funktionelle Evaluation zur Planung der interventionellen Revaskularisation erfolgen.


Die Haupt-Limitation der TCW-Studie ist der kurze Follow-Up-Zeitraum von einem Jahr. Aus anderen Revaskularisationsstudien haben wir gelernt, dass sich ein möglicher Benefit der operativen Revaskularisation erst nach einigen Jahren einstellt.


Zusammenfassend ist diese Studie ein erster wichtiger Schritt, herkömmliche Behandlungspfade zu überdenken und mit Hilfe von weiteren randomisierten Studien evidenz-basierte neue Wege zu definieren.

Zur Person

Prof. Tanja Rudolph

Prof. Tanja Rudolph ist als Oberärztin und Leiterin der Interventionellen Kardiologie in der Klinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie/ Angiologie des Herz- und Diabeteszentrums NRW, Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum, in Bad Oeynhausen tätig. Ihre fachlichen Zusatzqualifikationen (DGK) erwarb sie in den Bereichen der Interventionellen Kardiologie und Herzinsuffizienz.


Referenz

 

Kedhi E et al. TransCatheter aortic valve implantation and fractional flow reserve-guided percutaneous coronary intervention versus conventional surgical aortic valve replacement and coronary bypass grafting for treatment of patients with aortic valve stenosis and complex or multivessel coronary disease (TCW): an international, multicentre, prospective, open-label, non-inferiority, randomised controlled trial. Lancet. 2025 Dec 21;404(10471):2593-2602. doi: 10.1016/S0140-6736(24)02100-7. Epub 2024 Dec 4. PMID: 39644913.

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