FULL-REVASC-Studie: Bringt die vollständige Revaskularisation Vorteile?

 

 

ACC-Kongress 2024 | FULL-REVASC: Die beim ACC 2024 in der Session Featured Clinical Research III präsentierte Studie ging der Frage nach, ob die FFR-gesteuerte vollständige Revaskularisation überlegen ist gegenüber der einfachen Revaskularisation der Culprit-Läsionen.

Von:

Dr. Ornela Vellolari

 

09.04.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Joseph Sohm / Shutterstock.com

Hintergrund

 

Die Hälfte der Patientinnen und Patienten mit STEMI zeigen zusätzlich relevante koronare Läsionen.1 Kleinere Studien haben gezeigt, dass eine umfassende Revaskularisation dazu beitragen kann, die Rate ungeplanter Revaskularisationen sowie die Angina-Last zu reduzieren.2-3 Bisher war jedoch unklar, ob eine vollständige Revaskularisation aller koronaren Läsionen einen Vorteil für die Patientinnen und Patienten bietet.

 

Andere Studien wie FIRE, zeigten eine Reduktion des Gesamtendpunkts (Mortalität, Schlaganfall, MI und ischämie-bedingte Revaskularisation) nach FFR-gesteuerter Revaskularisation von Nicht-Culprit-Läsionen bei Patienten mit NSTEMI/STEMI, die älter als 75 Jahre alt waren.4

 

In dieser Studie soll die Überlegenheit einer kompletten Revaskularisation beim akuten Koronarsyndrom (STEMI, hoch-Risiko-NSTEMI) im Vergleich zur einfachen Revaskularisation der Culprit-Läsion untersucht werden.5

Studienziel und Methodik

 

In dieser Studie soll die Überlegenheit einer kompletten Revaskularisation beim akuten Koronarsyndrom (STEMI, hoch-Risiko-NSTEMI) im Vergleich zur einfachen Revaskularisation der Culprit-Läsion untersucht werden.5

 

In dieser Register-basierten, randomisierten, kontrollierten, multizentrischen Studie wurden 1.542 Patientinnen und Patienten (23,6% weiblich, 65 Jahre alt) mit Myokardinfarkt (STEMI oder Hoch-Risiko-NSTEMI) und Mehrgefäß-Koronarerkrankung nach initialer Revaskularisation der Culprit-Läsion eingeschlossen. Die Teilnehmenden wurden entweder der FFR-gesteuerten Revaskularisation oder einer konservativen Therapie aller Nicht-Culprit-Läsionen zugeteilt. Der primäre Komposit-Endpunkt umfasste Gesamtmortalität, nicht-tödliche Myokardinfarkte und nicht geplante Revaskularisation (PCI/CABG) nach einem medianen Follow-up von 4,8 Jahren. Die einzelnen Komponenten des primären Endpunkts (Gesamtmortalität, nicht-tödlicher MI, nicht geplante Revaskularisation) sowie Angina pectoris-Beschwerden gemessen am Seattle Angina Questionnaire-7 (SAQ-7) wurden nach 30 Tagen, einem Jahr und 4,8 Jahren analysiert. Obwohl die ursprüngliche Zielgröße der Studie 4.052 Personen betrug, wurde der weitere Einschluss aufgrund der positiven Ergebnisse der COMPLETE-Studie (Reduktion des kardiovaskulären Todes und der MI) eingestellt.

 

Ergebnisse

 

Die FULL-REVASC-Studie zeigte, dass die FFR-gesteuerte Behandlung aller Läsionen im Vergleich zur Behandlung der Culprit-Läsion die Gesamtmortalität, die Rate der Myokardinfarkte und nicht geplanter Revaskularisation nicht reduzierte: HR 0,93; 95%KI (0,74-1,17); p = 0,53). Es zeigte sich eine Reduktion der Revaskularisationsrate (geplante und ungeplante) (HR 0,59, 95%KI [0,45-0,78]; p < 0,001), aber mit erhöhter Stentthromboserate (HR = 2,8; 95%KI [1,18-6,67]; p = 0,02). Es zeigten sich zudem keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen bezüglich des Sicherheitsoutcomes (akutes Nierenversagen, Blutung, Schlaganfall, neurologische Komplikationen, Hospitalisierung bei Herzinsuffizienz).

Limitationen

 

Die Studie musste vorzeitig beendet werden, was zu einer längeren Nachbeobachtungsdauer führte, um genügend Ergebnisse anzusammeln. Es besteht zudem die Möglichkeit der Selektionsbias, die sich daraus ergibt, dass nicht genug Patientinnen und Patienten mit hochgradigen Läsionen und Drei-Gefäßerkrankung einbezogen wurden, die von einer vollständigen Revaskularisation profitieren könnten. 

Diskussion und Fazit

 

Die Ergebnisse der FULL-REVASC-Studie deuten darauf hin, dass Patientinnen und Patienten mit STEMI oder Hoch-Risiko-NSTEMI, die eine vollständige Revaskularisation aller Läsionen erhalten haben, keine Reduktion der Gesamtmortalität, der Rate der nicht-tödlichen Myokardinfarkte und nicht geplanten Revaskularisationen aufweisen.

 

Im Hinblick auf die vorhandene Literatur wirft diese Studie zunächst Zweifel darüber auf, ob die Endpunkte großer, randomisierter, kontrollierter Studien im klinischen Setting umgesetzt werden können. 

 


Referenzen

 

  1. Park et al. Extent, Location, and Clinical Significance of Non–Infarct-Related Coronary Artery Disease Among Patients With ST-Elevation Myocardial Infarction

  2. Wald et al. Randomized Trial of Preventive Angioplasty in Myocardial Infarction

  3. Gershlick AH et al. Randomized trial of complete versus lesion-only revascularization in patients undergoing primary percutaneous coronary intervention for STEMI and multivessel disease: the CvLPRIT trial. J Am Coll Cardiol. 2015;65(10):963-72

  4. Biscaglia et al. Complete or Culprit-only PCI in older patients with myocardial infarction; The FAME Trial

  5. Böhm F. FFR-Guided Complete or Culprit-Only PCI in Patients with Myocardial Infarction. ACC 2024: Featured Clinical Research III

Das könnte Sie auch interessieren

Neue AHA-Leitlinie pAVK

AHA-Kongress 2024 | Guidelines: Die AHA/ACC-Guideline PAD (Peripheral Artery Disease) aus dem Jahr 2016 wurde aktualisiert. Kommentiert von Prof. C. Rammos.

Basic Science im Interview

Modelle des menschlichen Herzmuskels in der funktionellen medizinischen Forschung: Chancen und Herausforderungen. Mit Prof. P. Kohl.

Kommt HU6 als neuer Wirkstoff für HFpEF in Betracht?

HFSA Annual Scientific Meeting 2024 | HuMAIN-HFpEF: HU6 reduzierte zwar das Körperfett, aber es bleiben dennoch erhebliche Zweifel. Kommentiert von Prof. F. Kahles.

Laden, bitte warten.
Diese Seite teilen