Die Lungenembolie (LE) zählt mit etwa 100.000 diagnostizierten Fällen pro Jahr allein in Deutschland zu den relevanten kardiovaskulären Erkrankungen. Insbesondere bei intermediär-hohem oder hohem Risiko sind rasche und fundierte therapeutische Interventionen essenziell, um Mortalität und Langzeitmorbidität effektiv zu reduzieren. Chronische Folgeerkrankungen wie die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) stellen eine zusätzliche klinische Herausforderung dar.1
Eine wesentliche Innovation der letzten Jahre ist die Etablierung interdisziplinärer Pulmonary Embolism Response Teams (PERT). Diese Teams umfassen typischerweise Kardiologie, Pneumologie, Radiologie, Intensivmedizin und Chirurgie. Eine aktuelle Meta-Analyse bestätigt, dass diese strukturierte Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen signifikant die Mortalität senkt, Krankenhausaufenthalte verkürzt und die gezielte Anwendung interventioneller Verfahren verbessert.2 Besonders bei intermediär-hohem Risiko unterstützen PERT klinische Entscheidungen bezüglich der Anwendung interventioneller Verfahren wie kathetergestützter Thrombolyse (CDT) oder perkutaner mechanischer Thrombektomie (CBT).
Die interventionelle Therapie gewinnt stetig an Bedeutung. Diese Verfahren erlauben eine rasche hämodynamische Stabilisierung bei gleichzeitig reduziertem Blutungsrisiko im Vergleich zur systemischen Thrombolyse. Katheterbasierte Verfahren ermöglichen eine gezielte lokale Behandlung des Thrombus, reduzieren systemische Nebenwirkungen und sind deshalb insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko attraktiv.3,4
Derzeit laufen mehrere randomisierte internationale Studien, darunter HI-PEITHO (kathetergestützte ultraschallassistierte Thrombolyse vs. medikamentösen Standardtherapie [SOC]), PEERLESS II + PERSEVERE (mech. Thromebektomie bei intermediär-hohem Risiko vs. SOC) und STORM-PE (mech. Thrombektomie vs. SOC), die spezifischen Aspekte verschiedener interventioneller Verfahren und ihren möglichen Mehrwert gegenüber der Standardtherapie (Heparin) evaluieren. Diese Studien wurden mit Mortalitätsendpunkten geplant und werden voraussichtlich für die zukünftige Versorgung der Lungenarterienembolien prägend sein. Aber somit bleibt der Nutzen gegenüber der Standardtherapie mit Heparin bei Patientinnen und Patienten mit Lungenembolie mit intermediär-hohem oder hohem Risiko ungeklärt.
Eine andere kürzlich erschiene randomisierte Studie sorgte dagegen für Aufsehen: Die PEERLESS-Studie ist die bislang einzige randomisierte Studie, die die gängigen katheterbasierten Verfahren direkt vergleicht (kathetergestützte Thrombolyse vs. perkutane mechanische Thrombektomie).5 Mit 550 Personen war die perkutane mechanische Thrombektomie mit FlowTriever der kathetergerichteten Thrombolyse überlegen (hierarchisches Win-Ratio 5:1), mit weniger klinischen Verschlechterungen, schnellerer funktioneller Erholung, kürzerem Krankenhausaufenthalt und weniger 30-Tage-Wiederaufnahmen, bei ähnlicher 30-Tage-Mortalität und vergleichbarer Blutungsrate. Allerdings ist die Aussagekraft sehr begrenzt, weil überwiegend Patientinnen und Patienten mit niedrigem Blutungsrisiko eingeschlossen wurden, die Thrombolyse-Protokolle heterogen waren, Eskalationsentscheidungen operateurabhängig erfolgten und der Vorteil hauptsächlich durch die Einbeziehung der Intensivpflichtigkeit als Endpunkt bestimmt wurde. Und dieser Endpunkt ist methodenabhängig: Da die kathetergestützte Lysetherapie nicht auf der Normalstation durchgeführt werden kann, mussten diese Patientinnen und Patienten – auch bei letztlich erfolgreicher Therapie – zunächst auf die Intensivstation, während die thrombektomierten Patientinnen und Patienten, zumindest in den USA, alle sofort auf die Normalstation verlegt werden konnten. Daher wird dieser Endpunkt als sehr kritisch gesehen.
Die Ergebnisse lassen sich nicht ohne Weiteres auf Hoch-Risiko-Lungenembolien oder andere interventionelle Verfahren übertragen, sodass nach der PEERLESS-Studie nicht sicher beantwortet werden kann, welches Verfahren zu bevorzugen ist. Viele anderen Faktoren wie die Thrombus-Morphologie/-Anatomie, Symptomdauer und lokale Expertise spielen eine entscheidende Rolle.
Weitere wichtige Antworten könnte in Zukunft auch das neues Register in der DACH-Region, das ExPERT-DACH-Register, liefern, dass bereits die ersten Patientinnen und Patienten einschließen konnte: Unter der Führung der kardiologischen Zentren in Mainz und Köln wurde das ExPERT-DACH-Register aufgesetzt, um die Versorgungsrealität und Real-Word-Outcomes in der DACH-Region zu monitoren.6 Insbesondere der Einsatz von interventionellen Therapien und der Einfluss und die Zusammensetzung von LE-Teams stehen hier im Fokus.
Die klinische Praxis orientiert sich aktuell maßgeblich an den ESC-Leitlinien von 2019, welche Instrumente wie den simplified Pulmonary Embolism Severity Index (sPESI), Biomarker-Analysen (Troponin, BNP) sowie bildgebende Verfahren wie Echokardiographie und CT-Pulmonalisangiographie empfehlen, um das Risiko präzise einzuschätzen.1 Eine bereits angekündigte Aktualisierung der ESC-Leitlinien für 2027 könnte z. B. den innovativen Composite-Shock-Score integrieren, der zusätzliche Parameter wie klinische, hämodynamische und laborchemische Variablen kombiniert und somit eine differenziertere und präzisere Risikovorhersage ermöglicht.7 Weiterhin ist der NEWS-Score ein evaluierter Risikoscore, um einen möglichen Handlungsbedarf bzw. die Notwendigkeit zur Therapieerweiterung bei Patientinnen und Patienten der Intermediate/High-Risk-Kategorie abzuschätzen. Sicher ist, dass die Risikostratifizierung komplexer werden wird, vor allem die Diskriminierung zwischen Hochrisiko und intermediär hohem Risiko muss verbessert werden.
Ein bislang wenig erforschter Bereich betrifft die Rehabilitation nach LE. Im Gegensatz zu anderen kardiovaskulären Erkrankungen existieren bisher kaum randomisierte kontrollierte Studien zur Wirksamkeit rehabilitativer Maßnahmen nach LE. Erste Untersuchungen zeigen jedoch potenziell positive Effekte auf die körperliche Belastbarkeit und Lebensqualität der Betroffenen. Spezifische Rehabilitationselemente könnten körperliches Training, Atemtherapie und psychologische Betreuung umfassen, deren Nutzen jedoch noch in größeren Studien bestätigt werden muss.8 Weitere prospektive randomisierte Studien werden benötigt, um den Effekt eine Rehabilitation zu untersuchen.
Zukünftige Entwicklungen im Management der Lungenembolie könnten verstärkt personalisierte medizinische Ansätze beinhalten. Die Integration von Biomarker-basierten, genetischen Risikofaktoren sowie die Anwendung KI-gestützter Algorithmen könnten klinische Entscheidungen individualisieren und optimieren. Zudem wird die Bedeutung optimierter Nachsorgestrategien zur frühzeitigen Erkennung und Behandlung von Langzeitfolgen wie CTEPH zunehmen, um langfristig Behandlungsergebnisse wie das Überleben oder langfristige funktionelle Einschränkungen zu verbessern.
Zusammenfassend ermöglichten interdisziplinäre Teams und moderne interventionelle Verfahren erhebliche Fortschritte in der Versorgung der LE. Dennoch bleiben wesentliche Fragen bezüglich optimaler Rehabilitation, langfristiger Nachsorge und personalisierter Medizin offen, welche intensivere wissenschaftliche Untersuchungen und evidenzbasierte Konzepte verlangen.
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