Imidazolpropionat (ImP) –Ein Mikrobiom-abhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen


DGK Herztage 2025 | Forschungsergebnisse der letzten Jahre deuten darauf hin, dass bestimmte vom Darmmikrobiom produzierte Metabolite eine zentrale Rolle in der Entstehung und Progression kardiovaskulärer Erkrankungen spielen. Ein relevantes Molekül ist Imidazolpropionat (ImP) - ein ausschließlich bakteriell aus der Aminosäure Histidin gebildetes Stoffwechselprodukt.1 Drei aktuelle Studien liefern neue Erkenntnisse zur biologischen Wirkung von ImP, das sowohl eine pathophysiologische Rolle bei der Atherosklerose spielt als auch eine prognostische Relevanz im klinischen Verlauf der koronaren Herzerkrankung (KHK) zu haben scheint.2,3,4

 

Prof. Arash Haghikia stellte die Studien auf den Herztagen in Hamburg vor.5

Von:

Prof. Arash Haghikia

Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum

 

 

06.10.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Sina Ettmer Photography / Shutterstock.com

ImP fördert Endothelschädigung und Atherosklerose

 

In einer kürzlich veröffentlichten translationalen Arbeit konnten wir beobachten, dass erhöhte ImP-Plasmaspiegel mit einer höheren Prävalenz von KHK assoziiert sind – unabhängig von klassischen Risikofaktoren.2 In präklinischen Modellen konnte zudem ein kausaler Zusammenhang zwischen ImP und Atherosklerose nachgewiesen werden. Mechanistisch greift ImP in die endotheliale PI3K/AKT-Signalkaskade ein und aktiviert den Transkriptionsfaktor FOXO1. Diese Signalkaskade reguliert die Proliferation und Migration von Endothelzellen, welche essentielle Prozesse für die Gefäßreparatur nach Verletzungen darstellen. Die durch ImP verursachte Störung dieses Gleichgewichts führt zu einer gestörten endothelialen Regeneration und fördert die Atherogenese. Besonders bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes oder metabolischem Syndrom könnten diese Mechanismen eine Rolle für das erhöhte kardiovaskuläre Risiko spielen.

ImP als Treiber subklinischer Atherosklerose und therapeutisches Ziel

 

Eine in Nature publizierte Studie bestätigte die proatherogenen Effekte von ImP.3 Dabei zeigten sich bereits erhöhte Serumwerte in bislang gesunden Personen mit subklinischer aber metabolisch aktiver Atherosklerose, die mittels Koronar-CT und 18F-FDG PET/MRI untersucht wurden. Interessanterweise war diese Korrelation unabhängig von klassischen Risikoparametern auf. Mechanistisch wurde gezeigt, dass ImP lokale und systemische Immunantworten aktiviert, insbesondere in Makrophagen. Dies führt zu chronischer Entzündung mit Anstieg von proinflammatorischen Zytokinen, zirkulierenden B- und T-Zellen und Infiltration von Immunzellen in die Gefäßwand mit erhöhter Plaquevulnerabilität und proatherogener. Zusätzlich wurde der Imidazolin-1-Rezeptor (I1R) als Signalvermittler von ImP identifiziert, wodurch u.a. die mTOR-Signalkaskade in Makrophagen aktiviert wird. Eine pharmakologische Blockade dieses Rezeptors reduzierte die Entzündungsreaktionen und Atherosklerose – unabhängig vom Cholesterinspiegel, aber abhängig von der. Damit ergibt sich ein potenzieller neuer Therapieansatz zur Modulation mikrobiomabhängiger Signalwege. 

ImP als Biomarker und prognostischer Faktor bei KHK

 

In einer kürzlich publizierten multizentrischen klinischen Studie unter Beteiligung von mehreren Zentren aus Deutschland und der Schweiz konnten wir zeigen, dass das ImP ein unabhängiger Prädiktor für kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) und Gesamtmortalität bei Patientinnen und Patienten mit bekannter KHK ist.4 Interessanterweise zeigten weder Histidin noch Urocanat – die Vorläufer von ImP – vergleichbare Assoziationen, was die spezifische Rolle der mikrobiellen Stoffwechselaktivität für das ImP-abhängige erhöhte kardiovaskuläre Risiko hervorhebt.

Fazit

 

Die drei aktuellen Studien belegen übereinstimmend, dass Imidazolpropionat ein zentraler, mikrobiomabhängiger Risikofaktor für Atherosklerose und koronare Herzkrankheit ist. ImP beeinflusst die Endothelfunktion, Immunaktivierung, Plaquevulnerabilität und letztlich die klinische Prognose. Eine gezielte Blockade der ImP-Produktion (z. B. über das bakterielle Enzym Urocanatreduktase) oder der ImP-vermittelten Signalwege (z. B. I1R) stellt vielversprechende neue Strategien für Prävention und Therapie der koronaren Herzerkrankung dar – insbesondere im Rahmen personalisierter kardiovaskulärer Medizin.


Referenzen

  1. Koh A et al. Microbially Produced Imidazole Propionate Impairs Insulin Signaling through mTORC1. Cell. 2018 Nov 1;175(4):947-961.e17. doi: 10.1016/j.cell.2018.09.055. Epub 2018 Oct 25. PMID: 30401435.
  2. Nageswaran V et al. Gut Microbial Metabolite Imidazole Propionate Impairs Endothelial Cell Function and Promotes the Development of Atherosclerosis. Arterioscler Thromb Vasc Biol. 2025 May;45(5):823-839. doi: 10.1161/ATVBAHA.124.322346. Epub 2025 Mar 27.
  3. Mastrangelo A et al. Imidazole propionate is a driver and therapeutic target in atherosclerosis  Nature. 2025 Sep;645(8079):254-261. doi: 10.1038/s41586-025-09263-w. Epub 2025 Jul 16.
  4. Wenzl FA, Wang P, Kahles F, Beck KR, Giannitsis E, Obeid S, Bruno F, Li XS, Nanchen D, Liberale L, Smolle MA, Schweiger V, Klingenberg R, Manka R, Stähli BE, Templin C, König M, Yuan J, Yildirim M, Lehrke M, von Eckardstein A, Marx N, Mach F, Räber L, Katus HA, Steinhagen-Thiessen E, Demuth I, Deanfield J, Libby P, Hazen SL, Haghikia A, Landmesser U, Bäckhed F, Lüscher TF. Gut microbiota-derived imidazole propionate predicts cardiometabolic risk in patients with coronary artery disease. Eur Heart J. 2025 Aug 30:ehaf661. doi: 10.1093/eurheartj/ehaf661. Epub ahead of print.
  5. Haghikia A. Role of gut microbiota in cardiometabolic disease. Herztage 2025, Hamburg, 25.09.2025
 
 

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