KI-gestützte nicht-invasive Bestimmung des intrakardialen Drucks

 

AHA-Kongress 2024 | SEISMIC-HF I: Die Analyse erster Daten zeigt, dass die Messung von EKG, Seismocardiogram (SCG) und eine optische Pulsewellenanalyse (Photoplethysmogram, PPG) mittels CardioTag Sensor basierend auf künstlicher Intelligenz (KI) eine ordentliche Übereinstimmung mit dem invasiv gemessenen pulmonalkapillären Verschlussdruck (PCWP) ergibt. Sollten sich diese Daten auch in einen klinischen Benefit übertragen lassen, hätten Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz eine weitere Option, beginnende Dekompensationen frühzeitig zu erkennen und den Krankheitsprogress zu verlangsamen. Bis dahin wird es aber noch dauern.

Von:

Dr. Kilian Franke

Universitäts-Herzzentrum Freiburg-Bad Krozingen

 

PD Dr. Philipp Breitbart

Rubrikleiter Digitale Kardiologie

 

21.11.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Rudy Balasko / Shutterstock.com

Hintergrund

 

Das ambulante regelmäßige klinische Monitoring von Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz macht nach wie vor Probleme. Um die Lebensqualität weiter zu verbessern, wäre es wünschenswert, wenn frühzeitig eine beginnende Dekompensation detektiert und dieser zeitnah medikamentös entgegengewirkt werden könnte.

Ein invasives Verfahren, welches in den letzten Jahren sowohl eine Verbesserung der Lebensqualität als auch eine Reduktion der Hospitalisierungen zeigen konnte, war zum Beispiel das CardioMems®-System. Allerdings muss dieses invasiv in die Pulmonalarterie eingebracht werden, zudem erwies sich das regelmäßige Monitoring als aufwendige Prozedur und stellt einen erheblichen Kostenfaktor dar.

An dieser Stelle setzt der CardioTag-Sensor an. Hierbei handelt es sich um ein nicht-invasives Messgerät, welches das EKG, eine kardiale Vibrationsanalyse mittels SCG und eine PPG umfasst. Mit Hilfe von KI soll nach einer Lernphase, in welcher das System mit Parallelmesswerten trainiert wird, später der PCWP abgeschätzt werden. Dies soll dazu beitragen, eine kardiale Dekompensation frühzeitig zu erkennen und eine Hospitalisierung zu verhindern.

 

An dieser Stelle muss ergänzt werden, dass es bisher nur sehr begrenzte Daten gibt, die den Nutzen einer PCWP-geleiteten Therapie hinsichtlich der Verbesserung der Lebensqualität bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz gezeigt haben. Und ob der CardioTag-Sensor diesen richtig abschätzt, ist völlig unklar. Und damit sind wir bei den Details der Studie.

Studiendesign, Ergebnisse und Fazit

 

Im Rahmen dieser prospektiven, multizentrischen SEISMIC-HF I (Non-invasive SEISMocardiogram In Cardiovascular Monitoring for Heart Failure I) Beobachtungsstudie konnten von Juli 2023 bis Juni 2024 insgesamt 943 Patientinnen und Patienten aus 15 US-Zentren eingeschlossen werden. Diese erhielten parallel eine Rechtsherzkatheteruntersuchung (RHK) und die CardioTag-Sensor-Messung (EKG, SCG, PPG). Nun wurden die Ergebnisse der ersten 310 Patientinnen und Patienten (39% der Gesamtkohorte) mit Herzinsuffizienz (EF < 40%) vorgestellt, wobei nur 233 vollständige Datensets ausgewertet wurden. Von denen wurden 186 für das Training der KI und 47 Datensets zur Überprüfung verwendet. Die restlichen Daten wurden aufgrund nicht ausreichender Datenqualität ausgeschlossen.


Das mittlere Alter lag bei 61 ± 13,4 Jahren und 75 % der Patientinnen und Patienten hatten ein NYHA Stadium III oder IV, wobei nur 55 % eine koronare Herzerkrankung hatten. Medikamentös nahmen 69 % ACE-I/AT1-I/ARNI, 84 % Betablocker, MRA 66 % und 65 % SGLT2-Inhibitoren.
Im Rechtsherzkatheter wurde ein mittlerer PCWP von18,1 ± 9,4 mmHg gemessen. Die Validierung des trainierten Algorithmus ergab einen mittleren Fehler von 1,04 ± 5,57 mmHg mit R = 0,74 im Vergleich zur RHK-Messung.

Insgesamt zeigt sich somit eine erste, ordentliche Genauigkeit zwischen den invasiven RHK-Messungen und den nicht-invasiv abgeleiteten Messung mit KI-Analyse.

Expertenkommentar

 

Hier wurden die ersten Daten zu KI-assistierten Messwerten des CardioTag-Sensors vorgestellt, einem nicht-invasiven Messverfahren zur Bestimmung des intrakardialen Druckes. Die Genauigkeit gegenüber dem invasiv gemessenen Goldstandard ist dabei ordentlich, aufgrund der bisher noch geringen Fallzahl aber noch nicht aussagekräftig. Diesbezüglich sind die Ergebnisse der Gesamtkohorte abzuwarten.
Das Hauptproblem dieses Verfahrens wird aber wohl im klinischen Nutzen liegen. Weder für die Messwerte noch für das Messtool gibt es bisher Daten für einen klinischen Nutzen. Zusätzlich kann man bisher keine Aussage machen zur Funktionalität im Alltag, wie bei beginnender Dekompensation. Und funktioniert der Algorithmus auch bei herzinsuffizienten Patientinnen und Patienten mit erhaltener Pumpfunktion? All diese Fragen gilt es in den nächsten Jahren zunächst zu beantworten. Das Interesse für den klinischen Einsatz ist sicher da – aufgrund der großen Zahl an herzinsuffizienten Patientinnen und Patienten und dem großen Einfluss der Dekompensationen und Hospitalisierungen auf die Prognose.
Selbst wenn sich dieses Verfahren nicht durchsetzen sollte, so ist doch der Ansatz aus KI und der Messung passiver Parameter zur Überwachung des klinischen Zustandes eine interessante Option für die Zukunft.

Zum Autor

Dr. Kilian Franke

Dr. Kilian Franke ist als Funktionsoberarzt in der interventionellen Kardiologie am Universitäts-Herzzentrum Freiburg-Bad Krozingen tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen insbesondere auf klinischer Thrombozytenforschung und kardiovaskulären Biomarkern als auch komplexen Koronarinterventionen und mechanischer Kreislaufunterstützung.

Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Zum Autor

PD Dr. Philipp Breitbart

PD Dr. Philipp Breitbart ist als Oberarzt der interventionellen Kardiologie und Teil des Ärztlichen Leitungsteams am Universitäts-Herzzentrum Freiburg – Bad Krozingen des Universitätsklinikums Freiburg tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf der kardialen CT- und MRT-Bildgebung, komplexen Koronarinterventionen sowie den Bereichen eCardiology und Social Media.

Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Referenz

 

Klein L. Novel AI to Assess Intracardiac Filling Pressure: The Non-invasive SEISMocardiogram In Cardiovascular Monitoring for Heart Failure I (SEISMIC-HF I) Study. Late Late-Breaking Science Session 3; AHA 2024

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