AI-gestützte quantitative Koronar-CT-Angiographie bei KHK

 

TCT-Kongress 2024 | CONFIRM2: Die Koronar-CT-Angiographie (CTA) ermöglicht eine umfassende Analyse der Koronargefäße und kann subklinische Plaqueablagerungen frühzeitig erkennen. Künstliche Intelligenz (KI) verbessert diese Analyse durch automatisierte Quantifizierung der Plaquecharakteristika. Die globale Registerstudie CONFIRM21 untersuchte nun, welche atherosklerotischen Merkmale am stärksten mit schweren kardiovaskulären Ereignissen (MACE) assoziiert sind und verglich die prognostische Aussagekraft von KI-gestützter quantitativer CT-Angiographie (KI-QCT) mit traditionellen Risikoscores. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der koronaren Plaqueanalyse für die Risikostratifizierung.  

 

Prof. Grigorios Korosoglou kommentiert die Studie zusätzlich als Herzmedizin.de-Rubrikleiter Diagnostik.

 

 

Von:

PD Dr. Philipp Breitbart

Rubrikleiter Digitale Kardiologie

 

01.11.2024

 

Bildquelle (Bild oben): RozenskiP / Shutterstock.com

Hintergrund

 

Die herkömmliche Diagnostik der Angina pectoris und koronaren Herzkrankheit (KHK) basiert überwiegend auf Symptomen sowie auf invasiven und nicht-invasiven Ischämienachweisen. Allerdings haben mehrere randomisierte kontrollierte Studien wiederholt Zweifel an der Fähigkeit dieser Methoden aufgeworfen, die Langzeitprognose der Patientinnen und Patienten signifikant zu verbessern. Bildgebende Verfahren, sowohl invasiv als auch nicht-invasiv, haben dagegen entscheidende prognostische Merkmale identifiziert. Dazu zählen insbesondere die gesamte Plaquebelastung der Koronargefäße und das Vorhandensein von Hochrisiko-Merkmalen, die eng mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten schwerer kardiovaskulärer Ereignisse assoziiert sind.

 

Die CTA bietet als inhärent dreidimensionale Methode besonders gute Voraussetzungen, um das atherosklerotische Profil der Koronargefäße umfassend darzustellen und frühzeitig auch subklinische Plaqueablagerungen zu identifizieren. Studien haben wiederholt gezeigt, dass die CTA eine hohe prognostische Aussagekraft besitzt und zukünftige kardiale Ereignisse vorhersagen kann.

 

Neue Softwarelösungen, gestützt von künstlicher Intelligenz (KI) für die koronare CTA erlauben es nun, das Plaqueaufkommen und die Plaquecharakteristika des gesamten Herzens standardisiert und vollautomatisch zu quantifizieren. Die Technologie der KI-gestützten quantitativen CT-Angiographie (KI-QCT) hat in bisherigen Studien eine hohe Übereinstimmung mit invasiven Goldstandards gezeigt. In dieser nun auf dem TCT-Kongress vorgestellten multizentrischen, globalen Registerstudie wurde untersucht, welche durch KI-QCT identifizierten atherosklerotischen Merkmale am stärksten mit dem Auftreten schwerer kardiovaskulärer Ereignisse (MACE) assoziiert sind. Zudem wurde die prognostische Aussagekraft der KI-QCT-Technologie mit traditionellen klinischen Risikoscores verglichen.

Studiendesign, -ergebnisse und Fazit

 

Im Rahmen dieser Registerstudie wurden demografische Daten, kardiovaskuläre Risikofaktoren und klinische Scores, darunter der ASCVD-Risikoscore und Diamond-Forrester, hinsichtlich ihrer prognostischen Aussagekraft mit der AI-QCT verglichen. Der primäre zusammengesetzte Endpunkt umfasste schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (MACE): Gesamtmortalität, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz, späte Revaskularisation ( > 90 Tage) und Hospitalisierung aufgrund instabiler Angina pectoris.

 

In die Studie wurden 3.551 Patienten eingeschlossen, von denen 14,5 % eine Ein- oder Mehrgefäß-KHK aufwiesen. Das durchschnittliche Plaquevolumen betrug 152,12 ± 245,13 mm³, und bei 5,9 % der Patienten wurden Plaques mit Hochrisikomerkmalen festgestellt. Übereinstimmend mit bisherigen Daten und Ergebnissen, zeigte sich eine hochsignifikante Assoziation zwischen dem Vorliegen einer KHK, dem gesamten Plaquevolumen sowie spezifischen Plaquecharakteristika und dem Auftreten des primären Endpunktes.

 

Die durch AI-QCT ermittelte Quantifizierung der Koronarstenosen ( = Diameterstenosen) sowie des Volumens nicht-kalzifizierter Plaques erwiesen sich als die aussagekräftigsten Prädiktoren für MACE. Diese verbesserten die Diskriminationsfähigkeit im Vergleich zu herkömmlichen klinischen Scores wie Diamond-Forrester und anderen etablierten Risikofaktoren, was laut Studienteam die Bedeutung der KI-QCT-Technologie für eine präzisere Risikostratifizierung unterstreicht.

Kommentar Digitale Kardiologie

 

Diese Studie stellt das erste multinationale Register dar, das mithilfe des Einsatzes von KI eine präzise Risikostratifizierung der KHK auf Basis der koronar CTA durchführt. Die Nutzung von KI ist hierbei entscheidend, um eine umfassende koronare CTA Plaqueanalyse in großen Patientenkohorten schnell und standardisiert umzusetzen.

 

Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen bisherige Daten und unterstreichen die Relevanz der koronaren Plaqueanalyse: Die quantitative und qualitative Bewertung koronarer Plaques und die Identifizierung von Hochrisikomerkmalen sind zentrale Faktoren für die kardiovaskuläre Risikostratifizierung. Dank der hohen dreidimensionalen Auflösung ist die CTA besonders gut geeignet, das individuelle Plaqueprofil der Koronarien detailliert darzustellen und damit zur präzisen Diagnostik und Prognoseabschätzung beizutragen.

 

Mit dem steigenden Einsatz der koronaren CTA, insbesondere durch den G-BA-Beschluss zur Kostenerstattung, wird sich diese Methode vermutlich als primäre diagnostische Option für die KHK in Deutschland etablieren. Die in dieser Studie gewonnenen Daten heben das Potenzial der CTA-basierten Plaque-Quantifizierung und -Qualifizierung für die Risikostratifizierung hervor und zeigen, wie die KI-QCT-Technologie die Grundlage für eine personalisierte Therapieentscheidung und gezielte Interventionen bieten könnte. So könnten kardiovaskuläre Ereignisse durch maßgeschneiderte präventive Behandlungsstrategien gezielt reduziert werden.

 

Weitere Studien sind nun erforderlich, um die spezifischen Einsatzmöglichkeiten der KI-QCT-Technologie in der klinischen Praxis weiter zu untersuchen und den präzisen Nutzen für die Patientenversorgung zu bewerten und im Verlauf zu re-evaluieren.

Zum Autor

PD Dr. Philipp Breitbart

PD Dr. Philipp Breitbart ist als Oberarzt der interventionellen Kardiologie und Teil des Ärztlichen Leitungsteams am Universitäts-Herzzentrum Freiburg tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf der kardialen CT- und MRT-Bildgebung, komplexen Koronarinterventionen sowie den Bereichen eCardiology und Social Media. Innerhalb der DGK engagiert er sich u.a. als Sprecher der Young DGK.

 

Curio Jonathan

Expertenkommentar Diagnostik

 

Auf Grund der aktuellen Studienlage, ist die kardiale CT (k-CT) in internationalen Leitlinien, wie die der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC),1 mit einer Klasse-1A Indikation als bevorzugter diagnostischer nicht-invasiver Test zur Diagnostik der KHK bei Patienten mit chronischem Koronarsyndrom (CCS) fest verankert. Weitere Berücksichtigung findet die k-CT in der Nationale Versorgungsleitlinie Chronische KHK vom Jahr 20222 und in den KHK Präventions- und Dyslipidämieleitlinien.3,4 Durch das Potential der k-CT die Beschaffenheit der koronaren Gefäßwand zu Visualisieren und die Plaquekomposition und Volumina quantitativ zu erfassen, erlaubt die Methode zudem die Risikostratifikation von Patienten mit KHK.5,6 Insbesondere Plaques niedriger Signalintensität, sogenannten low-attenuation Plaques, könnten Vorboten einer Plaqueruptur und eines akuten Koronarsyndroms sein.6

 

In der aktuellen CONFIRM2-Studie konnte gezeigt werden, dass die KI eine schnelle und automatisierte Quantifizierung solcher Plaquecharakteristika ermöglich. Diese KI ermittelte Quantifizierung der Plaquekomposition mittels k-CT (KI-QCT) eröffnet nun dadurch neue Wege für eine präzise und individualisierte Risikostratifikation von KHK-Patienten bzw. von Individuen mit subklinischer koronare Atherosklerose. Parallel dazu zeigte die vor kurzer Zeit veröffentlichte REVEALPLAQUE Studie, dass die KI-QCT eine enge Übereinstimmung mit Standardmessungen durch den Referenzstandard des intravaskulären Ultraschalls aufweist,7 was die Validität der KI-QCT im klinischen Kontext bestärkt. Zusätzlich zeigte vor kurzem die LOCATE-Studie, dass die QCT die serielle Evaluation von Plaquekomponenten und Volumina unter lipid-senkender Therapie mit hoher Reproduzierbarkeit erlaubt.8,9 Durch den Einsatz einer hochintensiven lipid-senkenden Therapie konnte in der LOCATE-Studie der Progress der nicht-kalzifizierten Plaques erfolgreich aufgehalten werden. Eine KI basierte Messung dieser Daten ist aktuell in Planung. Ob die KI-QCT nun bei Patienten mit subklinischer oder symptomatischer KHK auch ein therapeutisches Target darstellen könnte, müsste im Rahmen von RCTs in Zukunft evaluiert werden.

Zum Autor

Prof. Dr. med. Grigorios Korosoglou

Prof. Grigorios Korosoglou ist als Chefarzt der Abteilung für Kardiologie und Angiologie der GRN-Klinik Weinheim und Eberbach tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen die Kardiale MRT- und CT-Bildgebung und interventionelle Kardiologie sowie periphere Gefäßeingriffe. Innerhalb der DGK engagiert sich u.a. als Sprecher der AG 24 Cardio-CT.

Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Referenzen

  1. Van Rosendael, Alexander. Artificial-Intelligence Enabled Quantitative CT Assessment of Atherosclerosis and Major Adverse Events: The Multi-Center International CONFIRM2 Registry. Late-Breaking Clinical Science: Session I, in Collaboration with the European Heart Journal. Monday, October 28, 2:00 PM — 3:30 PM GMT-4. Room: Main Arena, Ballroom | Level 3 | Walter E. Washington Convention Center.
  2. Vrints C, Andreotti F, Koskinas KC, et al. 2024 ESC Guidelines for the management of chronic coronary syndromes. Eur Heart J 2024.
  3. Bundesärztekammer (BÄK) KBK, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische KHK. 2022.
  4. Visseren FLJ, Mach F, Smulders YM, et al. 2021 ESC Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. Eur Heart J 2021; 42(34): 3227-337.
  5. Task Force M, Societies ESCNC, Guidelines ESCCfP. Corrigendum to "2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk" [Atherosclerosis 290 (2019) 140-205]. Atherosclerosis 2020; 294: 80-2.
  6. Investigators S-H, Newby DE, Adamson PD, et al. Coronary CT Angiography and 5-Year Risk of Myocardial Infarction. N Engl J Med 2018; 379(10): 924-33.
  7. Williams MC, Kwiecinski J, Doris M, et al. Low-Attenuation Noncalcified Plaque on Coronary Computed Tomography Angiography Predicts Myocardial Infarction: Results From the Multicenter SCOT-HEART Trial (Scottish Computed Tomography of the HEART). Circulation 2020; 141(18): 1452-62.
  8. Narula J, Stuckey TD, Nakazawa G, et al. Prospective deep learning-based quantitative assessment of coronary plaque by computed tomography angiography compared with intravascular ultrasound: the REVEALPLAQUE study. Eur Heart J Cardiovasc Imaging 2024; 25(9): 1287-95.
  9. Weichsel L, Andre F, Renker M, et al. Effects of high- versus low-intensity lipid-lowering treatment in patients undergoing serial coronary computed tomography angiography: results of the multi-center LOCATE study. Clin Res Cardiol 2024.
  10. Weichsel L, Giesen A, André F, et al. Comparison of Two Contemporary Quantitative Atherosclerotic Plaque Assessment Tools for Coronary Computed Tomography Angiography: Single-Center Analysis and Multi-Center Patient Cohort Validation. Diagnostics 2024; 14(2): 154.

 

Anmerkung der Redaktion: Dieser Beitrag wurde am 8.11.2024 mit dem Expertenkommentar von Prof. Grigorios Korosoglou ergänzt.

 

 

 

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