Auswirkung lipidsenkender Behandlung auf Plaques analysiert mittels CCTA

 

Welche Effekte zeigen sich bei einer hoch- versus niedrig intensiven lipidsenkenden Behandlung bei Patientinnen und Patienten, die einer seriellen Koronar-Computertomographie-Angiographie (CCTA) unterzogen werden? Der Studienleiter Prof. Grigorios Korosoglou spricht über die Ergebnisse der multizentrischen LOCATE-Studie, die gerade in “Clinical Research in Cardiology” veröffentlicht wurde.

Von:

PD Dr. med. Stefan Perings

Geschäftsführender Herausgeber Herzmedizin.de

Romy Martínez

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

20.08.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Sebastian Kaulitzki / Shutterstock.com

Video-Interview: Ergebnisse der LOCATE-Studie

Mit Prof. Grigorios Korosoglou, Chefarzt der Abteilung für Kardiologie und Angiologie der GRN-Klinik Weinheim und Rubrikleiter Diagnostik

HERZMEDIZIN: Wie kam es zu der Studie und welches Ziel verfolgt sie?

Korosoglou: Diese multizentrische Observationsstudie erfolgte auf Initiative der Arbeitsgruppe 24 Kardiale Computertomographie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Ziel der Studie war es den Stellenwert der kardialen CT (k-CT) zur seriellen Evaluation der koronaren Plaquekomposition und der Plaquevolumina zu erfassen. Untersucht wurden Patientinnen und Patienten, die eine kardiale-CT in Abstand von im Median 2,2 Jahren bekommen haben. Die k-CT erfolgte in der Baseline als auch in der Nachfolgeuntersuchung aus klinischer Indikation. Die lipidsenkende Therapie wurde zum Zeitpunkt der ersten und der zweiten k-CT erfasst und wurde je nach Vorhandensein und Intensität der Behandlung in: (i) fehlende oder niedrig dosierte, (ii) moderate und (iii) hochintensive Therapie unterteilt.    

HERZMEDIZIN: Wer war an der Studie beteiligt? War die Kardiologie im Lead?

Korosoglou: Insgesamt waren 11 vorwiegend kardiologisch geführte Zentren an der LOCATE-Studie beteiligt, unter anderem die GRN-Klinik Weinheim, Uni-Klinik Heidelberg, das Herzzentrum der Charité in Berlin, Uni-Klinik Erlangen, Uni-Klinikum Freiburg, das Herzzentrum Bad-Nauheim und die Universitätskliniken Mannheim und Ulm.

Ergebnisse und Limitationen der Studie

 

HERZMEDIZIN: Welche Methodik wurde angewandt? Welche Indikationen wurden eingeschlossen?

Korosoglou: Personen mit chronischem Koronarsyndrom (quasi einer stabilen KHK) aus 11 Zentren wurden in das LOCATE-Register aufgenommen und systematisch analysiert. Das gesamte, verkalkte und nicht verkalkte Plaque-Volumen wurde quantitativ erfasst und die relative Differenz der Plaque-Volumina zwischen der Baseline und der k-CT Nachuntersuchung wurden berechnet. Die Intensität der lipidsenkenden Behandlung wurde als keine, niedrig, moderat oder hoch eingestuft, basierend auf den aktuellen Leitlinienempfehlungen. Insgesamt wurden 216 konsekutive Patientinnen und Patienten an den 11 oben genannten Standorten einer seriellen CCTA unterzogen.

HERZMEDIZIN: Was sagen die Ergebnisse? Gab es Besonderheiten?

Korosoglou: Die Studie zeigte, dass eine hochintensive lipidsenkende Therapie erforderlich ist, um die Progression der ‚gefährlichen‘ sogenannten nicht-kalzifizierten (lipid-reichen) Plaque zu stoppen. Dies gelang nur durch Hochintensität-Statine wie Rosuvastatin und Atorvastatin bzw. durch PCSK9-Inhibitoren, die in der Lage sind, das LDL-Cholesterin auf > 50 % vom Ausgangswert und somit effektiv zu senken. Einige Studien hatten im Vorfeld die Gabe der Statintherapie kategorisch unterteilt und entsprechend untersucht, LOCATE hat hier noch zusätzlich zwischen verschiedenen Stufen und Wirksamkeit der Statintherapie unterschieden.
 
Die multizentrische LOCATE-Studie unterstreicht außerdem die Rolle der CCTA als einzigartiges nicht-invasives Bildgebungsinstrument für die Quantifizierung und Überwachung der atherosklerotischen koronaren Plaquebelastung.

HERZMEDIZIN: Was sind die Limitationen? Welche Relevanz hat die Studie für die Praxis?

Korosoglou: Die Zahl der Patientinnen und Patienten ist relativ gering und die Beobachtungszeit mit ca. 2 Jahren relativ kurz. Künftige Studien sind somit erforderlich, um prospektiv randomisiert zu untersuchen, wie sich eine hochintensive lipidsenkende Behandlung auf die Plaquebelastung, LDL-Cholesterin-Senkung und ihre Wirkung auf die kardialen Ergebnisse im Langzeit-Follow-up auswirkt. Unsere Studie schloss zudem symptomatische Patientinnen und Patienten ein, die aus klinischer Indikation eine k-CT erhalten haben, quasi im Sinne einer Sekundärprävention. Studien über den Stellenwert der lipidsenkenden Therapie bei asymptomatischen Risikopatientinnen und -patienten im Setting der Primärprävention, wie die prospektiv angelegte SCOT-HEART-2-Studie, werden derzeit durchgeführt und die entsprechenden Ergebnisse werden in Zukunft mit Spannung erwartet.

Die Relevanz für die Praxis geht aus der Studie klar hervor. Bei Risiko- und Hochrisikopatientinnen und -patienten kann die Progression der gefährlichen Plaque – das sind die Plaques, die rupturieren (reißen) und dann einen akuten Herzinfarkt hervorrufen – nur durch eine hochintensive lipidsenkende Therapie gestoppt werden. Um diesen Effekt nun auch in der Praxis zu erreichen, wird eine ausreichende Adhärenz sowohl der Ärztinnen und Ärzte als auch der Betroffenen erforderlich sein.

 

HERZMEDIZIN: Wird die Studie weitergeführt?

Korosoglou: Es sind in der Tat weitere Subanalysen geplant. Aktuell analysieren wir den Zusammenhang zwischen der Abnahme des nicht-kalzifizieren Plaquevolumens mit sogenannten high-risk features von Plaques, quasi Eigenschaften, die einen vulnerablen Plaque ausmachen und mit hoher Wahrscheinlichkeit eine zukünftige Plaqueruptur hervorsagen könnten. Wir sehen, dass die Abnahme des nicht-kalzifizieren Plaquevolumens, quasi eine sogenannte ‚Delipidisierung‘ der Plaque mit einem Rückzug dieser aggressiven Charakteristika einhergeht. Auch die Erkenntnis unterstreicht die Wichtigkeit der hochintensiven Statintherapie.     

Bedanken würde ich mich gerne in dem Zusammenhang für die Ermöglichung dieser Studie bei der DGK für die ideelle Unterstützung und Akkreditierung unserer Studie, bei der Firma Siemens für die finanzielle Unterstützung im Sinne eines Forschungsstipendiums an die GRN-Klinik Weinheim und an die Hector Stiftungen, die uns im Jahr 2020 mittels einer großzügigen Spende an die GRN-Klinik Weinheim, den Erwerb des SOMATOM-Force-Computertomographen ermöglicht haben.

 

Aktuelle Diskussionen um Statintherapie und Gesundes-Herz-Gesetz

 

HERZMEDIZIN: Das Thema Statintherapie ist gerade hochaktuell. Im Zusammenhang mit dem Gesundes-Herz-Gesetz gibt es hier einigen Gegenwind, von einem “Abgesang auf die evidenzbasierte Medizin” ist sogar die Rede. Wie geläufig ist Ihnen die Diskussion und was kann diese Studie dazu beitragen?

Korosoglou: Die Diskussion ist mir persönlich sehr geläufig, weil wir als Kardiologinnen und Kardiologen und als DGK hiermit konfrontiert worden sind. Für uns ist der Stellenwert der kardiovaskulären Prävention extrem wichtig. Zu dem Thema wurde leider in Deutschland in den letzten Jahrzenten nicht allzu viel gemacht, so dass ein Nachholbedarf besteht.

Das Gesundes-Herz-Gesetz von Bundesminister Karl Lauterbach schlägt hierzu grundsätzlich einen Weg ein, der die richtige Richtung vorgibt. Die Einstellung der Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Cholesterin, Diabetes, Nikotinkarenz, ein nicht exzessiver Alkoholkonsum und eine regelmäßige sportliche Aktivität sowie die gesunde Ernährung und eine regelmäßige sportliche Aktivität sind in dem Zusammenhang essenziell, um kardiovaskuläre Endpunkte wie Herzinfarkt, Schlaganfall und die periphere arterielle Verschlusskrankheit zu vermeiden. Auch die LOCATE-Studie zeigt in dem Zusammenhang, dass nur durch eine effiziente und hochintensive Statintherapie der Progress der vulnerablen Plaques, als Surrogat-Marker für zukünftige kardiale Ereignisse gestoppt werden kann. All das ist Teil der evidenzbasierten Medizin, von der wir uns als Kardiologie keineswegs verabschieden möchten.

Gleichzeitig begreifen wir Kardiologinnen und Kardiologen, auch die Kritik, dass es auch andere Faktoren gibt, wie zum Beispiel Stress am Arbeitsplatz oder niedriger sozioökonomischer Status, die auch das kardiovaskuläre Risiko steigern könnten. Diese Faktoren sind, durch uns Medizinerinnen und Mediziner schwierig zu greifen und noch schwieriger zu beeinflussen wie zum Beispiel das Cholesterin und alle anderen oben genannten klassischen modifizierbaren Risikofaktoren, die wir als Ärztinnen und Ärzte direkt und effektiv beeinflussen können. Ob man diesen Gesamtprozess per Gesetz vorgeben kann, werden wir noch sehen. Sicherlich wird hier die Einbindung der Fachgesellschaften sowie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) notwendig sein.

Kardiologische Expertise in der Kardio-CT

 

HERZMEDIZIN: Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, in Anbetracht des GBA-Beschlusses für die k-CT vom 18. Januar, die Involvierung der Kardiologie in die Interpretation der Bilder. Inwieweit liefert die Studie dafür Argumente?

Korosoglou: Der GBA-Beschluss vom 18. Januar sieht vor, dass die k-CT voraussichtlich ab Ende des Jahres eine ambulante Kassenleistung bekommen wird. Wir sehen diesen Beschluss als Kardiolog*innen auch als einen weiteren Schritt in die richtige Richtung, da die k-CT einen hohen diagnostischen Stellenwert verfügt und in vielen Fällen die rein diagnostische Herzkatheteruntersuchung ersetzen kann. Auch die schnelle und präzise Diagnose einer KHK mittels der k-CT und die darauf basierende Verschreibung einer lipidsenkenden bzw. antithrombozytären Therapie zeigten in randomisiert kontrollierten Studien einen klaren Vorteil in Bezug auf zukünftige kardiale Ereignisse, wie der akute Myokardinfarkt. Voraussetzung für diese Effekte sind, wie bei jeder Technik natürlich, dass die k-CT durch Kolleg*innen mit der entsprechenden fachlichen Expertise durchgeführt wird.

In unserem klinischen Alltag in unserer Klinik sind wir Kardiologen in der Indikationsstellung für eine k-CT, in der Durchführung der Untersuchung, in der Interpretation der Bilder, in der Demonstration der Bilder an die Patienten sowie in der Einordnung der k-CT im klinischen Kontext mit der Ergreifung der entsprechenden Konsequenz federführend beteiligt. Ich denke, dass es eine Menge Sinn macht, dass die Fachdisziplin, die die Indikation zu k-CT stellt, auch in der Generierung der Bilder und in der weiteren Befundung, Befundinterpretation und Behandlung dieser Patienten federführend beteiligt ist.

Auch in LOCATE war, in den meisten der beteiligten Zentren, die Fachdisziplin Kardiologie in dem diagnostischen Prozess der k-CT federführend beteiligt. Direkte Argumente dafür kann allerdings die LOCATE Studie hierzu nicht liefern, da die Einbindung der Fachdisziplin Kardiologie nicht per Zufall, einer Gruppe zugeordnet wurde.

HERZMEDIZIN: Zum Abschluss noch eine Frage zur Kommunikation mit Ihren Patientinnen und Patienten. Statine werden in der Laienpresse geradezu verteufelt. Wie können wir hier als Medizinerinnen und Mediziner gegensteuern?

Korosoglou: Sie sprechen einen extrem wichtigen Punkt an. Die Laienpresse, wo die Statine oft verteufelt werden bzw. deren Effektivität, die durch mehrere Studien gut belegt ist, angezweifelt wird, ist leider sehr weit bei vielen Patientinnen und Patienten vorgedrungen und beeinflusst ihre Haltung gegenüber einer effektiven Statintherapie. Wir sind als Medizinerinnen und Mediziner verpflichtet mit Vorträgen und Patientenveranstaltungen, aber auch in unserem Alltag mit Aufklärungsgesprächen gegenzusteuern, weil wir nämlich genau vom Gegenteil überzeugt sind, das ist aber oft ein mühsamer und sehr zeitintensiver Prozess.


Referenzen

 

Weichsel L et al.; LOCATE Investigators. Effects of high- versus low-intensity lipid-lowering treatment in patients undergoing serial coronary computed tomography angiography: results of the multi-center LOCATE study. Clin Res Cardiol. 2024 Jul 30. doi: 10.1007/s00392-024-02502-6.

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