Auf einer der wichtigsten Tagungen in der Onkologie werden vermehrt Themen wie Prädiktion von Kardiotoxizität und prädiktive Ansätze behandelt. Ein kardiologischer Rückblick auf die Jahrestagung der American Society of Oncology (ASCO) 2023.
Auf einer der wichtigsten Tagungen in der Onkologie werden vermehrt Themen wie Prädiktion von Kardiotoxizität und prädiktive Ansätze behandelt. Ein kardiologischer Rückblick auf die Jahrestagung der American Society of Oncology (ASCO) 2023.
Von Prof. Lorenz Lehmann
26.06.2023
Kardiologische Nebenwirkungen und deren Management sind für eine langfristig erfolgreiche Therapie onkologischer Erkrankungen von Bedeutung. Bei der Jahrestagung der American Society of Oncology (ASCO) vom 2. bis 6. Juni in Chicago wurden zu diesem Thema zahlreiche Beiträge behandelt.
Für die Prädiktion einer möglichen Kardiotoxizität bei Fluorpyrimidinen wurde beispielsweise mittels einer genomweiten Assoziationsstudie ein neuer Lokus für eine Assoziation mit einer Kardiotoxizität im Gen für die D-Glutamat-Cyklase (DGLUCY) identifiziert und validiert. Die Toxizität wird mit einer Häufigkeit von 1–4 % der behandelten Patientinnen und Patienten in der Literatur beschrieben. Ein Polymorphismus in dieser Region veränderte die Expression des Gens in kardialen und nicht-kardialen Gewebeproben und könnte, bei regelhafter Bestimmung, die Hälfte der Risiko-Patienten und -Patientinnen identifizieren [1].
Eine weitere Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Mutation für BRCA1/2, die erheblich das Risiko für die Entwicklung von Brustkrebs erhöht, auch mit einem höheren Risiko für eine toxische Wirkung von Anthrazyklinen mitverantwortlich sein könnte. Der Effekt von einem Unterschied in der linksventrikulären Funktion (LVEF) bei den Mutationsträgerinnen von −4,5 % war zwar funktionell gering, aber signifikant [2]. Das Vorliegen einer BRCA-Mutation könnte daher auch langfristig das Risiko einer kardiotoxischen Nebenwirkung erhöhen.
Bei der protektiven kardiologischen Therapie bei gleichzeitiger Anthrazyklin-Therapie wurden die finalen Daten des SAFE-Trial vorgestellt. Getestet wurden Bisoprolol, Ramipril oder beide Medikamente gegen Placebo, bei Patientinnen mit Indikation für eine Anthrazyklin-haltige Therapie. In den Endpunkten Global longitudinal strain (GLS) und linksventrikuläre Pumpfunktion (LVEF) zeigen sich positive Effekte. Insgesamt wurden 262 Patientinnen eingeschlossen, so dass die Effekte insgesamt (sowohl Toxizität als auch Protektion) nur gering ausgeprägt waren [3].
Auf dem ASCO vorgestellte Daten von Pharma-Herstellern stellen einen breiteren Einsatz von HER2-Antagonisten als Antikörper, kovalent verknüpft mit dem Topoisomerase-1-Inhibitor Deruxtecan in Aussicht (DESTINY-PanTumor02-Trial). Das heißt ein Einsatz könnte u. a. auch beim Blasenkarzinom, Zervixkarzinom, Ovarialkarzinom, Endometriumkarzinom und Pankreaskarzinom effektiv sein. Zuletzt wurde schon eine Effektivität beim Mammakarzinom mit relativ geringer HER2-Expression gezeigt. HER2-Antagonisten haben bekannte kardiotoxische Nebenwirkungen. Patientinnen und Patienten müssen unter dieser Therapie, entsprechend der Leitlinie für Kardio-Onkologie der ESC 2022 regelmäßig echokardiographisch nachverfolgt werden. In der bisher vorgelegten Studie zum Mammakarzinom mit relativ geringer HER2-Expression zeigte sich eine Kardiotoxizität bei 4,6 % der Patientinnen, einhergehend mit einer Verschlechterung der LVEF [4].
Weitere Themen waren mögliche Protektion von RAAS-Inhibitoren bei Immuncheckpoint-Inhibitor-assoziierten kardiovaskulären Ereignissen, kardiovaskuläre Nebenwirkungen von Androgen-Antagonisten und kardiovaskuläre Nebenwirkungen von Tyrosinkinase-Inhibitoren. Zusammengefasst werden auch auf dem ASCO-Kongress vermehrt Themen zur Prädiktion, Prävention und Therapie möglicher kardiovaskulärer Nebenwirkungen onkologischer Therapien stärker wahrgenommen.