Quick Dive: Chronische Nierenkrankheit

 

In unserer Reihe "Quick Dive" stellen die Autorinnen und Autoren von Publikationen medizinischer Fachgesellschaften prägnant die wichtigsten Hintergründe und Inhalte der jeweiligen Veröffentlichung vor. Dieses Mal wird eingetaucht in:

 

Konsensuspapier zu "Management kardiovaskulärer Erkrankungen bei chronischer Nierenkrankheit"

Aus der Kommission für Klinische Kardiovaskuläre Medizin der DGK in Kooperation mit der DGfN

15.01.2025 | Verfasst von: Katharina Marx-Schütt, Ulrich Kintscher, Johannes Dahm, Danilo Fliser, Gunnar Henrik Heine, Joachim Hoyer, Christian Jung, Felix Mahfoud, Ilka Ott, Georg Schlieper, Boris Schmidt, Vedat Schwenger, Jens Wiebe, Nikolaus Marx


Von:

Melissa Wilke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

28.01.2025

 

Bildquelle (Bild oben): vovan / Shutterstock.com

5 Fragen an die Erstautorin

Prof. Katharina Marx-Schütt, Universitätsklinikum Aachen

 

Was sind Anlass und Ziel der Publikation?

 

Die Chronische Nierenkrankheit (CKD) ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD; manifestiert durch koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Arrhythmien und plötzlichen Herztod), und das gleichzeitige Vorliegen sowohl von CVD und CKD hat einen erheblichen Einfluss auf die Prognose der Betroffenen. Die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten kardiovaskulärer Erkrankungen sind bei fortgeschrittener CKD häufig eingeschränkt und für viele interventionelle und medikamentöse Therapien besteht wenig oder keine Evidenz aus großen klinischen Studien. Das Konsensuspapier gibt einen Überblick über die Besonderheiten kardiovaskulärer Erkrankungen bei CKD und fasst die aktuelle Evidenz und Empfehlungen zur Therapie von Patientinnen und Patienten mit CVD und CKD zusammen.

 

Was sind die wichtigsten Take-Home Messages?

 

  1. Alle Patientinnen und Patienten mit hohem Risiko für eine CKD (bekannte arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, bekannte kardiovaskuläre Erkrankung) sollten regelmäßig auf das Vorliegen einer Nierenerkrankung gescreent werden. Das Screening umfasst die Bestimmung der eGFR nach der CKD-EPI Formel sowie die Bestimmung der UACR im Spontanurin.
  2. Bei den meisten Patientinnen und Patienten mit CKD sollte der systolische Blutdruck auf Werte von 120-129 mmHg gesenkt werden.
  3. Personen mit CKD sollten insbesondere bei Vorliegen einer Albuminurie eine RAS-Inhibition mit ACE-Hemmern oder AT1-Rezeptorblockern erhalten.
  4. Eine intensive Senkung des LDL-C mit Statinen oder einer Kombination aus Statinen und Ezetimib wird empfohlen. Eine Senkung des LDL-C < 70 mg/dl (ApoB < 80 mg/dl; Non-HDL-C < 100 mg/dl) bei CKD-Stadium 3 und LDL-C < 55 mg/dl (ApoB < 65 mg/dl; Non-HDL-C < 85 mg/dl) bei CKD-Stadien 4/5 in Kombination mit einer mindestens 50 %-igen Reduktion des Ausgangs-LDL-C-Wertes werden empfohlen.
  5. Personalisierte HbA1c-Ziele zwischen 6,5 und 7,5 % (48-58 mmol/ml) werden empfohlen, ein Zielwert von < 7,0 % (< 53 mmol/ml) kann unter Berücksichtigung des individuellen Risikoprofils und insbesondere des Hypoglykämierisikos angestrebt werden.
  6. Eine niedrig dosierte ASS-Therapie (75–100 mg täglich) wird bei Patientinnen und Patienten mit chronischem Koronarsyndrom unabhängig vom Vorliegen einer CKD empfohlen.
  7. Patientinnen und Patienten mit CKD und Albuminurie profitieren von einer SGLT2 Inhibitor (Empagliflozin, Dapagliflozin) Therapie zur Reduktion kardiovaskulärer und renaler Endpunkte.
  8. Finerenon wird zusätzlich zu ACE-Hemmer oder ARB bei Personen mit T2DM und einer eGFR > 60 ml/min/1,73m² mit einer UACR von ≥ 300 mg/g oder eGFR 25–60 ml/min/1,73 m² und UACR ≥ 30 mg/g empfohlen, um das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und die Progression des Nierenversagens zu reduzieren.
  9. Patientinnen und Patienten mit Typ 2-Diabetes und CKD (mit Albuminurie) profitieren von einer Semaglutid Therapie zur Reduktion kardiovaskulärer und renaler Endpunkte.
  10. In der Therapie der HFrEF besteht bei Betroffenen mit CKD 1-3 gute Evidenz für den Einsatz von ACE-Hemmer /ARNIs, MRAs, Beta-Blockern und SGLT2-Inhibitoren. Bei Patienten mit CKD-Stadien 4/5 liegt außer für SGLT2-Inhibitoren gar keine oder nur begrenzte Evidenz vor. Die Therapie dieser Patienten mit HFrEF und fortgeschrittener CKD sollte idealerweise interdisziplinär zwischen Fachärztinnen und Fachärzten der Kardiologie und Nephrologie abgestimmt werden.
  11. Patientinnen und Patienten mit HFmrEF/HFpEF (mit und ohne CKD) sollten einen SGLT2-Inhibitor (Dapagliflozin, Empagliflozin) zur Reduktion des kardiovaskulären Todes oder der Herzinsuffizienz-Hospitalisierung erhalten. Personen mit HFmrEF/HFpEF (mit und ohne CKD) profitieren von einer Finerenon Therapie zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos (aktuell besteht die Zulassung nur für Patientinnen und Patienten mit Diabetes und CKD).
  12. Bei Personen mit CKD können normale hsTroponin-Werte einen Infarkt ausschließen (Rule-out); erhöhte Werte sind in der Rule-in Diagnostik weniger prädiktiv.
  13. Für NOAKs konnte in bisherigen Studien bei höhergradiger CKD inklusive Dialyse kein auffälliges Risikoprofil detektiert werden. Seitens der europäischen Empfehlungen sind NOAKs bei Dialysepatienten nicht empfohlen, Phenprocoumon ist in Deutschland bei “manifester Nierenerkrankung” kontraindiziert. Amerikanische bzw. internationale Empfehlungen sehen bei begrenzten Sicherheitsdaten eine Gleichwertigkeit von NOAKs und VKA. Bei Patientinnen und Patienten mit einer eGFR > 30 ml/min/1,73m² sind NOAKs bzgl. Effizienz und Sicherheit einer Therapie mit VKA überlegen. 

 

Eine zentrale Abbildung aus der DGK-Publikation:

Abbildung 1: Verlauf der Hormonspiegel in verschiedenen Lebensphasen bei Frauen und Männern und geschlechterspezifische kardiovaskuläre Risikokonstellationen, den Lebensphasen entsprechend farblich markiert.  - Positionspapier Geschlechterspezifische Kardiologie

Abb.: Übersicht zum Screening, der Diagnosestellung und Therapie bei CKD. Bildquelle: Marx-Schütt K., Kintscher U., Dahm J., et al.
Konsensuspapier zum Management kardiovaskulärer Erkrankungen bei chronischer Nierenkrankheit. Aus der Kommission für Klinische Kardiovaskuläre Medizin der DGK in Kooperation mit der DGNF
Kardiologie (2025) https://doi.org/10.1007/s12181-024-00716-6

 

Einige dieser Aspekte finden sich entsprechend in den kardiologischen Leitlinien wieder: die 2023 ESC Leitlinie zum Management kardiovaskulärer Erkrankungen bei Patienten mit Diabetes empfiehlt  ein regelmäßiges Screening auf das Vorliegen einer Nierenerkrankung durch Bestimmung der eGFR nach der CKD-EPI Formel sowie eine Bestimmung der UACR (Klasse I Empfehlung). 

Was sind Herausforderungen bei der Umsetzung und mögliche Lösungen?

 

Einer der entscheidenden Herausforderungen aus Sicht der Kardiologie ist die stringente Implementierung des Screenings auf CKD im klinischen Alltag. Hier sollten die Messung der UACR aus dem Spontanurin aufgenommen werden. Ferner ist für es Kardiologinnen und Kardiologen nötig, sich mit den Besonderheiten bei CKD (z.B. Dosierung oder auch die Wahl des Dialysezugangs bei Herzinsuffizienz) vertraut zu machen. Zusätzlich ist es wichtig, multidisziplinäre Strukturen zu etablieren, die das Wissen und die Fähigkeiten der verschiedener Behandelnden in der Versorgung dieser Hochrisikopatienten kombinieren.

 

Welche Punkte sind offengeblieben?

 

Insbesondere Patientinnen und Patienten mit schwer eingeschränkter Nierenfunktion sind von den meisten kardiovaskulären Studien ausgeschlossen worden. Hier fehlt eine suffiziente Datenlage, um evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen. Hier besteht die klare Notwendigkeit mehr Daten zu generieren.

 

Ausblick: Welche Entwicklungen zum Thema zeichnen sich ab?

 

Die wachsende Zahl von Betroffenen mit kardiovaskulären Erkrankungen und chronischer Niereninsuffizienz sowie die eingeschränkte Prognose dieser Personen unterstreichen die Notwendigkeit, interdisziplinär zu arbeiten und Strukturen zu etablieren, die eine umfassende Versorgung möglich machen, um die Prognose und Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern.

Weiter zur vorgestellten Publikation:

Konsensuspapier zum Management kardiovaskulärer Erkrankungen bei chronischer Nierenkrankheit – Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN)

Literaturnachweis: Marx-Schütt K., Kintscher U., Dahm J., et al.
Konsensuspapier zum Management kardiovaskulärer Erkrankungen bei chronischer Nierenkrankheit. Aus der Kommission für Klinische Kardiovaskuläre Medizin der DGK in Kooperation mit der DGNF
Kardiologie (2025) https://doi.org/10.1007/s12181-024-00716-6

Zur Person

Prof. Katharina Marx-Schütt

Prof. Dr. med. Katharina Marx-Schütt ist Fachärztin für Innere Medizin - Kardiologie und als Oberärztin am Universitätsklinikum Aachen tätig. Sie ist Teil des Nukleus der AG 23 Herz und Diabetes, der AG 10 Herzinsuffizienz sowie der AG 41 Atherosklerose in der Klinik.

Bildquelle: Privat

Kurzinfo: Die Formate der DGK-Publikationen

Leitlinien sind für Ärztinnen und Ärzte eine wichtige Stütze im klinischen Alltag, um ihre Patientinnen und Patienten nach neuestem Stand der Wissenschaft bestmöglich zu behandeln. Dabei dienen die Leitlinien als verlässliche Handlungsempfehlungen in spezifischen Situationen.

Pocket-Leitlinien sind Leitlinien in kompakter, praxisorientierter Form. Bei Übersetzungen von Pocket-Leitlinien der ESC werden alle Empfehlungsklassen und Evidenzgrade der Langfassung übernommen.

Master Pocket-Leitlinien stellen eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte der Leitlinienempfehlungen in Form von grafischen Diagnose- und Therapiealgorithmen dar. Als Quelle der Empfehlungen dienen dabei vorwiegend die nach strengen wissenschaftlichen Kriterien erstellten Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) sowie deren deutsche Übersetzung durch die DGK.

CardioCards behandeln im Wesentlichen Themen der Diagnostik und Akuttherapie für den ambulanten Bereich. Hier werden die essenziellen Informationen von Leitlinien komprimiert und übersichtlich zusammengefasst.

Kommentare beinhalten Hinweise, wie sich die neuen von den alten Leitlinien unterscheiden, Hinweise auf wesentliche Neuerungen, die seit dem Erscheinen der ESC-Leitlinien bekannt geworden sind, Diskussion kontroverser Empfehlungen in den ESC-Leitlinien sowie Möglichkeiten und Grenzen der Leitlinienumsetzung im Bereich des deutschen Gesundheitswesens.

Ein Positionspapier behandelt eine Fragestellung von großem allgemeinen Interesse, für die keine aktuelle Leitlinie vorliegt.

Bei einem Konsensuspapier handelt es sich um ein von mehreren Fachgesellschaften getragenes Statement.

Diese Veröffentlichungen enthalten Empfehlungen einer DGK-Arbeitsgruppe zu einer speziellen Frage von großem Interesse.

Stellungnahmen der DGK beziehen sich auf gesundheitspolitische Fragestellungen und erfolgen durch den Vorstand, gemeinsam mit Kommissionen und Projektgruppen. Sofern möglich und sinnvoll, werden auch Fachgesellschaft-übergreifende Stellungnahmen ausgearbeitet.

Ein Manual ist eine praktisch orientierte Expertenempfehlung für wesentliche kardiovaskuläre Prozeduren.

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