Semaglutid bei Patienten mit fettleibigkeitsbedingter Herzinsuffizienz und Typ-2-Diabetes

 

GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1RA) führen bei Patientinnen und Patienten mit Typ-2 Diabetes mellitus mit hohem kardiovaskulären Risiko neben ihrer blutzuckersenkenden Wirkung zu einer Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse.1 Entsprechend sind GLP-1RA mit einer Klasse-IA Empfehlung in den europäischen Leitlinien zur Therapie von kardiovaskulären Risikopatientinnen und -patienten mit Diabetes genannt.2

Von:

Dr. Florian Kahles

Stellvertretender Sprecher AG 23

 

28.06.2024

 

Bildquelle (Bild oben): StudioMolekuul/ Shutterstock.com

Hintergrund

 

Patientinnen und Patienten mit Typ-2 Diabetes mellitus weisen ein deutlich erhöhtes Risiko auf, um eine Herzinsuffizienz zu entwickeln - sowohl mit reduzierter (HFrEF) als auch mit erhaltener (HFpEF) systolischer Pumpfunktion.

Studien Design

 

Im Rahmen des diesjährigen ACC-Kongresses in Atlanta (USA) wurden die Ergebnisse der STEP-HFpEF-DM Studie3 vorgestellt. Die STEP-HFpEF-DM Studie war eine randomisierte, doppelblinde und Placebo-kontrollierte multizentrische Studie, in welcher 616 Patientinnen und Patienten mit Adipositas (BMI ≥ 30), Typ 2 Diabetes mellitus und symptomatischer Herzinsuffizienz (NYHA II - IV) mit erhaltener Pumpfunktion (LVEF ≥ 45 %) mit weiteren Parametern für strukturelle Pathologien eingeschlossen wurden. Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer wurden entweder auf Semaglutid 2,4 mg s.c. 1 x / Woche (mit schrittweiser Aufdosierung) oder auf Placebo randomisiert. Der primäre Endpunkt beinhaltete die Verbesserung der Lebensqualität (KCCQ-CSS: Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire clinical summary score) sowie die Gewichtsabnahme. In den sekundären Endpunkten wurden der 6-Minuten-Gehtest sowie u.a. ein hierarchischer kombinierter Endpunkt (Tod, Herzinsuffizienz-Ereignisse, Veränderung des KCCQ und Effekte auf den Inflammationsmarker hoch-sensitives C-reaktives Protein) untersucht. 

Baseline-Daten

 

Das Patientenkollektiv war im Mittel 69 Jahre alt, mit einem Frauenanteil von 44 % und der mediane BMI lag bei 37 kg/m2. 71 % der Patientinnen und Patienten waren im Stadium NYHA II, und das mediane NT-proBNP lag bei 490 pg/ml mit einer baseline LV-EF von 56 %. Die Patientinnen und Patienten nahmen zu 83 % Betablocker, zu je 81 % RAAS-Inhibitoren und Diuretika und zu je 33 % MRA und SGLT-2-Inhibitoren in der Dauermedikation ein. 

Primärer Endpunkt

 

Im primären Endpunkt zeigte sich ein signifikanter Unterschied bei der Lebensqualität (Anstieg des KCCQ-CSS um 13,7 Punkte unter Semaglutid vs. 6,4 Punkte bei Placebo; mittlere Differenz 7,3 Punkte; 95%-CI, 4,1–10,4; p < 0,001) sowie in der Gewichtsreduktion (−9.8 % unter Semaglutid und −3.4 % unter Placebo; mittlere Differenz −6.4 %; 95%-CI, −7.6 bis −5.2; p < 0,001) zugunsten von Semaglutid vs. Placebo nach 52 Wochen. 

Weitere Endpunkte

 

Auch in den sekundären Endpunkten zeigten sich signifikante Unterschiede zugunsten von Semaglutid von 14,3 m (95%-CI 3,7–24,9; p = 0,008) im 6-Minuten Gehtest, ein signifikanter Vorteil in der hierarchisch stratifizierten Win-Ratio von 1,58 (95%-CI 1,29–1,94, p < 0,001; umfassend den kombinierten Endpunkt bestehend aus Zeit bis zum Tod, Anzahl der Herzinsuffizienz-Ereignisse, Zeit bis zum ersten Herzinsuffizienz-Ereignis, Veränderung des KCCQ,  Verbesserung im 6 Minuten-Gehtest um ≥ 30 m), sowie eine signifikante Reduktion von hsCRP um 33 % (95%-CI 0,55-0,80, p < 0,001). Weiterhin führte Semaglutid in einem explorativen Endpunkt zu einer stärkeren Reduktion von NT-proBNP als Placebo (Semaglutid: –23,2 %; Placebo: –4.6).

 

Im Rahmen der Sicherheitsendpunkte zeigten sich weniger schwerwiegende Ereignisse (adverse events) unter Semaglutid (17,7 %) als unter Placebo (28,8 %). Wie zu erwarten kam es unter Semaglutid zu vermehrten gastrointestinalen Nebenwirkungen (Semaglutid: 6,5% vs. Placebo: 2,9 %). 

Fazit

 

Im Vergleich zur STEP-HFpEF Studie (ein vergleichbares Patientenkollektiv ohne das Einschlußkriterium Typ-2 Diabetes mellitus) zeigte sich ein vergleichbarer Effekt auf die Lebensqualität jedoch ein geringerer Effekt auf die Gewichtsreduktion sowie die Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest.

Kommentar

 

Insgesamt verdeutlichen die Ergebnisse der STEP-HFpEF-DM- und der STEP-HFpEF Studie, dass Semaglutid nicht nur blutzuckersenkende Effekte aufweist und kardiovaskuläre Ereignisse bei Hochrisikopatientinnen und -patienten mit Diabetes oder Adipositas senkt, sondern auch in der Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) bei begleitender Adipositas als neues Therapietarget identifiziert werden konnte (unabhängig vom Vorliegen eines Diabetes). Die genauen Mechanismen sind noch unzureichend verstanden. Möglicherweise sind die günstigen Effekte von Semaglutid auf die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit nicht alleine durch die Gewichtsreduktion zu erklären. Aktuell wird intensiv untersucht, ob direkte antiinflammatorische Effekte von Semaglutid den zugrundeliegenden Mechanismus darstellen könnte. Die nummerisch deutlich reduzierte Ereignisrate an Herzinsuffizienz-Ereignissen in beiden Studien (STEP-HFpEF-DM- und STEP-HFpEF) ist sehr vielversprechend, muss hier jedoch als Hypothesen-generierend gesehen werden, da keine ausreichende Power hierfür vorlag. 

Zur Person

Dr. Florian Kahles

Dr. Kahles ist Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Notfallmedizin und arbeitet als Oberarzt (Schwerpunkt Interventionelle Kardiologie und Intensivmedizin) in der Medizinischen Klinik 1 des Uniklinikums der RWTH Aachen (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. Nikolaus Marx). Weiterhin leitet Dr. Kahles eine DFG geförderte Emmy-Noether-Forschungsgruppe mit dem Fokus „Inflammation bei kardiometabolischen Erkrankungen“. 

Dr. Kahles, Aachen
Bildquelle: Privat

Referenzen

  1. Cardiovascular, mortality, and kidney outcomes with GLP-1 receptor agonists in patients with type 2 diabetes: a systematic review and meta-analysis of randomised trials. Sattar N, Lee MMY, Kristensen SL, Branch KRH, Del Prato S, Khurmi NS, Lam CSP, Lopes RD, McMurray JJV, Pratley RE, Rosenstock J, Gerstein HC. Lancet Diabetes Endocrinol. 2021 Oct;9(10):653-662. doi: 10.1016/S2213-8587(21)00203-5. Epub 2021 Aug 20.
  2. 2023 ESC Guidelines for the management of cardiovascular disease in patients with diabetes. Marx N, Federici M, Schütt K, Müller-Wieland D, Ajjan RA, Antunes MJ, Christodorescu RM, Crawford C, Di Angelantonio E, Eliasson B, Espinola-Klein C, Fauchier L, Halle M, Herrington WG, Kautzky-Willer A, Lambrinou E, Lesiak M, Lettino M, McGuire DK, Mullens W, Rocca B, Sattar N; ESC Scientific Document Group. Eur Heart J. 2023 Oct 14;44(39):4043-4140. doi: 10.1093/eurheartj/ehad192.
  3. Semaglutide in Patients with Obesity-Related Heart Failure and Type 2 Diabetes. Kosiborod MN, Petrie MC, Borlaug BA, Butler J, Davies MJ, Hovingh GK, Kitzman DW, Møller DV, Treppendahl MB, Verma S, Jensen TJ, Liisberg K, Lindegaard ML, Abhayaratna W, Ahmed FZ, Ben-Gal T, Chopra V, Ezekowitz JA, Fu M, Ito H, Lelonek M, Melenovský V, Merkely B, Núñez J, Perna E, Schou M, Senni M, Sharma K, van der Meer P, Von Lewinski D, Wolf D, Shah SJ; STEP-HFpEF DM Trial Committees and Investigators. N Engl J Med. 2024 Apr 18;390(15):1394-1407. doi: 10.1056/NEJMoa2313917. Epub 2024 Apr 6.PMID: 38587233

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