Überblick: 2023-Leitlinie zum Management kardiovaskulärer Erkrankungen bei Patienten mit Diabetes

 

Die wesentlichen Neuerungen der ESC Leitlinie 2023 gegenüber der Version von 2019 beinhalten:

 

  • eine verbesserte kardiovaskuläre Risikoeinschätzung bei Patienten mit Typ 2 Diabetes (T2DM) mit Hilfe eines neuen Scores (SCORE2-Diabetes)
  • sowie dezidierte, evidenzbasierte und personenzentrierte Therapie-Strategien für Patienten mit T2DM und atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung, Herzinsuffizienz oder chronischer Niereninsuffizienz.

 

Die aktualisierte Leitlinie wurde auf dem ESC-Kongress 2023 in Amsterdam, 25.–28. August, vorgestellt.1,2

Von:
Prof. Nikolaus Marx
Herausgeber der Rubrik Herz und Diabetes
 

28.08.2023

Kardiovaskuläre Risikoeinschätzung: Was tun?

Bei allen Patienten mit Diabetes soll das Vorliegen von kardiovaskulären Erkrankungen und schweren Endorgan-Schäden evaluiert werden. Schwere Endorgan-Schäden werden anhand der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR), der Albumin-Kreatinin-Ratio im Spontan-Urin (UACR) oder dem Vorhandensein von mikrovaskulären Erkrankungen an mindestens drei verschiedenen Stellen (z. B. Mikroalbuminurie plus Retinopathie plus Neuropathie) definiert. Patienten mit T2DM und kardiovaskulären Erkrankungen oder schweren Endorgan-Schäden werden als Patienten mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko kategorisiert.

 

Für Patienten mit T2DM ohne atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen oder schwere Endorgan-Schäden, führen die neuen Leitlinien einen neuen 10-Jahres-kardiovaskulären-Risikoscore (SCORE2-Diabetes) ein. SCORE2-Diabetes integriert Informationen zu konventionellen kardiovaskulären-Risikofaktoren (d. h. Alter, Raucherstatus, systolischer Blutdruck, Gesamt- und High-Density-Lipoprotein-Cholesterin) mit diabetesbezogenen Informationen (d. h. Alter bei der Diabetesdiagnosestellung, HbA1c und eGFR), um Patienten in die Kategorien geringes, moderates, hohes oder auch sehr hohes kardiovaskuläres Risiko (ohne manifeste kardiovaskuläre Erkrankung) einzustufen.

Angesichts der hohen Prävalenz von unentdecktem Diabetes bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen sowie dem erhöhten Risiko und der therapeutischen Konsequenzen, wenn beide Komorbiditäten gemeinsam vorliegen, empfehlen die neuen Leitlinien ein systematisches Screening auf Diabetes bei allen Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen.

Evidenz-basierte Behandlungsempfehlungen zur Reduzierung des kardiovaskulären Risikos bei Patienten mit Typ-2-Diabetes

Bezüglich der Therapieempfehlungen bei Patienten mit Diabetes liegt in der neuen Leitlinie ein besonderes Augenmerk auf dem in klinischen Endpunktstudien nachgewiesenen kardiovaskulären Nutzen und/oder der kardiovaskulären Sicherheit von blutzuckersenkenden Medikamenten. Die neue Leitlinie empfiehlt, den Einsatz von Wirkstoffen mit nachgewiesenem kardiovaskulärem Nutzen zu priorisieren und Substanzen ohne nachgewiesenen kardiovaskulären Nutzen entsprechend umzusetzen oder zu ersetzen.

 

In den letzten zehn Jahren wurden verschiedene große kardiovaskuläre Endpunktstudien mit SGLT2-Inhibitoren, GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1RAs) oder dem nicht-steroidalen Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten Finerenon bei Patienten mit T2DM und hohem kardiovaskulären Risiko durchgeführt. Die Resultate dieser Studien haben die verfügbaren therapeutischen Optionen erheblich erweitert. Basierend auf den Erkenntnissen dieser Studien geben die aktuellen Leitlinien klare Empfehlungen zur Behandlung von Patienten mit T2DM und kardio-renalen Begleiterkrankungen.

Patienten mit Typ-2-Diabetes und atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung

Bei Patienten mit Diabetes und atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung wird die Behandlung mit GLP-1RAs und/oder SGLT2-Inhibitoren empfohlen (Klasse-IA-Empfehlungen), um das kardiovaskuläre Risiko unabhängig von der Glukosekontrolle und zusätzlich zur Standardtherapie, z.B. Thrombozytenaggregationshemmung, antihypertensiver Therapie und Lipidsenkung, zu reduzieren.

Patienten mit Typ-2-Diabetes und Herzinsuffizienz

Eine systematische Untersuchung auf Symptome und Zeichen einer Herzinsuffizienz wird bei jedem klinischen Kontakt für alle Patienten mit Diabetes empfohlen. Basierend auf Daten großer klinischer Studien wird empfohlen, dass Patienten mit T2DM und chronischer Herzinsuffizienz, unabhängig von der linksventrikulären Auswurffraktion, mit einem SGLT2-Inhibitor behandelt werden, um Krankenhausaufenthalte wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulären Tod zu reduzieren (Klasse-IA-Empfehlung).

Patienten mit Typ-2-Diabetes und chronischer Niereninsuffizienz

Ein spezielles Kapitel wurde für das Management des kardio-renalen Risikos bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (CKD) und Diabetes aufgenommen. Es wird empfohlen, dass alle Patienten mit Diabetes routinemäßig auf das Vorliegen einer CKD durch Messung der glomeruläre Filtrationsrate (eGFR nach CKD-EPI) und der Albumin-Kreatinin-Ratio (UACR) gescreent werden. Bei Patienten mit T2DM und CKD wird eine Therapie mit einem SGLT2-Inhibitor und/oder Finerenon empfohlen, um das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Nierenversagen zu reduzieren (Klasse-IA-Empfehlungen).

Die Betreuung von Patienten mit Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen erfordert einen interdisziplinären Ansatz, der Gesundheitsfachkräfte verschiedener Disziplinen und Fachgebiete einbeziehen sollte. Ziel ist es, gemeinsame Entscheidungsprozesse zu unterstützen und eine Patienten-zentrierte und personalisierte Behandlungsstrategie zu implementieren, um so die Krankheitslast jedes einzelnen Patienten zu reduzieren und die Prognose zu verbessern.


Referenz

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