Orforglipron: Abnehmen mit Tabletten statt Spritzen

 

EASD 2025 | ATTAIN-1: Orforglipron ist ein neuer GLP-1-Rezeptoragonist mit oraler Bioverfügbarkeit. In der Phase-3-Studie ATTAIN-1 wurde die Gewichtsabnahme mit Orforglipron (1 x tgl.) gegenüber Placebo nach 72 Wochen bei Personen mit Übergewicht (ohne Diabetes) untersucht. Prof. Sean Wharton (Toronto, Kanada) stellte die Ergebnisse auf der Jahrestagung der EASD (European Association for the Study of Diabetes) in Wien vor.1 Gleichzeitig wurden die Daten im New England Journal of Medicine publiziert.2

Von:

Dr. Heidi Schörken

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

Expertenkommentar

Prof. Nikolaus Marx

Rubrikleiter Herz & Diabetes 

 

 

23.09.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Panorama Images / Shutterstock.com

Studiendesign und Methodik

 

In der internationalen, randomisierten, doppelblinden Phase-3-Studie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Orforglipron (1 x tgl.) in 3 Dosierungen (6 mg, 12 mg oder 36 mg) im Vergleich zu Placebo als Ergänzung zu einer gesunden Ernährung und körperlichen Aktivität über einen Zeitraum von 72 Wochen untersucht. Eingeschlossen wurden Personen ohne Diabetes, aber mit Adipositas (BMI ≥30 kg/m2 oder BMI 27-30 kg/m2 und mindestens eine Komorbidität, einschließlich Hypertonie, Dyslipidämie, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder obstruktiver Schlafapnoe) sowie mindestens eine vorhergehende erfolglose Diät. Primärer Endpunkt war der prozentuale Gewichtsverlust von Baseline bis Woche 72 (ITT-Population).

Ergebnisse 

 

Insgesamt wurden 3.127 Personen randomisiert (mittleres Alter 45 Jahre, 64,2 % Frauen, mittlerer BMI 37,0 kg/m2 und mittleres Körpergewicht 103 kg). In den Orforglipron-Gruppen nahm der mittlere Gewichtsverlust nach 72 Wochen dosisabhängig zu und betrug jeweils für 6 mg, 12 mg und 36 mg Orforglipron: −7,5 % (95%KI [−8,2; −6,8]), −8,4 % (95%KI [−9,1; −7,7]) und −11,2 % (95%KI [−12,0; −10,4]) versus Placebo −2,1 % (95%KI [−2,8; −1,4]), p<0,001 für alle Vergleiche mit Placebo.
In der 36-mg-Orforglipron-Gruppe betrug der Personenanteil in den Gewichtsverlust-Kategorien jeweils: 54,6 % (≥10 % Gewichtsverlust), 36,0 % (≥15 % Gewichtsverlust) und 18,4 % (≥20 % Gewichtsverlust) versus jeweils 12,9 %, 5,9 % bzw. 2,8 % für Placebo. Zusätzlich verbesserten sich in den Orforglipron-Gruppen versus Placebo signifikant kardiometabolische Marker, wie systolischer Blutdruck sowie Triglycerid- und Nicht-HDL-Cholesterin-Spiegel. 


In den Orforglipron-Gruppen (6 mg, 12 mg und 36 mg) führten unerwünschte Ereignisse bei jeweils 5,3 %, 7,9 % und 10,3 % der Personen zum Studienabbruch versus 2,7 % in der Placebo-Gruppe. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse unter Orforglipron waren gastrointestinale Nebenwirkungen, die meist mild bis moderat ausgeprägt waren.

Fazit

 

Für Orforglipron wurde eine statistisch signifikante und klinisch relevante Gewichtsabnahme von mehr als 10 % für die höchste Dosis (36 mg, 1 x tgl.) nach 72 Wochen nachgewiesen. Das Sicherheitsprofil von Orforglipron entsprach den bekannten Nebenwirkungen von GLP-1-Rezeptoragonisten. Wie der Hersteller vor Kurzem bekanntgab, wurde auch in der Phase-3-Studie, ATTAIN-2, mit 1.600 Personen mit Übergewicht und Diabetes, der primäre Endpunkt erreicht: In der höchsten Dosis-Gruppe (36 mg Orforglipron) betrug die Gewichtsabnahme 10,5 % nach 72 Wochen versus 2,2 % in der Placebo-Gruppe. Laut Hersteller liegen jetzt alle klinisch notwendigen Daten vor, um die weltweiten Zulassungsanträge für Orforglipron noch in diesem Jahr zu stellen.3

Expertenkommentar

 

Orforglipron ist ein niedermolekularer, nicht peptidischer GLP-1-Rezeptoragonist, der oral eingenommen werden kann. Die meisten kardiovaskulären Outcome-Studien mit GLP-1-Rezeptoragonisten haben bislang subkutan zu applizierende Substanzen verwendet. Der einzige bislang verfügbare orale GLP-1-Rezeptoragonist ist Semaglutid, für den in der kardiovaskuläre Outcome-Studie SOUL bei Personen mit Typ-2-Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen oder chronischer Nierenerkrankungen eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse gezeigt werden konnte. 


In der jetzt veröffentlichten Studie konnte gezeigt werden, dass es – wie für andere GLP-1-Rezeptoragonisten zuvor gezeigt – auch durch Orforglipron zu einer Reduktion des Gewichts, zu einer Reduktion des systolischen Blutdrucks und einer Reduktion des Triglycerid-Spiegels bei Individuen mit einem BMI ≥30 kg/m2 oder Übergewicht mit einem BMI ≥27 kg/m2 und einer Komorbidität kam. Die Studie ist dergestalt bedeutsam, dass erstmals für einen nicht peptidischen oral verfügbaren GLP-1-Rezeptoragonisten eine vergleichbare Wirkung zu den anderen GLP-1-Rezeptoragonisten gezeigt werden konnte. Zukünftig wird dies bedeuten, dass Patientinnen und Patienten zwischen einer Injektion und einer Tablette wählen können. Nichtsdestotrotz müssen in Bezug auf die kardiovaskuläre Risikoreduktion die Ergebnisse kardiovaskulärer Endpunktstudien abgewartet werden.

Zum Autor

Prof. Nikolaus Marx

Prof. Nikolaus Marx ist als Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Aachen tätig. Seine fachlichen Zusatzqualifikationen erwarb er in den Bereichen Interventionelle Kardiologie, Herzinsuffizienz sowie Kardiovaskuläre Intensiv- und Notfallmedizin. 


Referenzen

 

  1. Wharton S. Orforglipron, an Oral Small-Molecule GLP-1 Receptor Agonist for Obesity Treatment. 17.09.2025, Wien, EASD 2025
  2. Wharton S et al. Orforglipron, an Oral Small-Molecule GLP-1 Receptor Agonist for Obesity Treatment. N Engl J Med. 2025 Sep 16. doi: 10.1056/NEJMoa2511774. Epub ahead of print. PMID: 40960239.
  3. https://investor.lilly.com/news-releases/news-release-details/lillys-oral-glp-1-orforglipron-successful-third-phase-3-trial 

Zur Übersichtsseite Prävention

Das könnte Sie auch interessieren

Feldphase des Impfakzeptanz-Monitorings beginnt

Im Rahmen des RKI-Projekts IMPRESS startet die Erhebung saisonaler Daten zur Impfakzeptanz. Projektleiterin Dr. Greta Steckhan im Interview.

Keine Antikoagulation bei DDAF?

ESC 2025 | NOAH-AFNET 6: Win-Ratio-Analyse zur oralen Antikoagulation bei Device-detektiertem VHF (DDAF). Von Dr. N. Becher und kommentiert von Prof. R. Wachter.

Dauer der Antihypertensiva-Therapie und CV-Risiko

ESC 2025 | Meta-Analyse: Hat die Dauer der blutdrucksenkenden Therapie Einfluss auf das CV-Risiko? Von Prof. M. Schulz.

Laden, bitte warten.
Diese Seite teilen