Rivaroxaban bei VHF verringert Demenzrisiko nicht

 

AHA-Kongress 2024 | BRAIN-AF: In der verblindeten Placebo-kontrollierten Studie verminderte die Antikoagulation mit Rivaroxaban (15 mg) weder kardioembolische Ereignisse noch das Risiko für Demenz bei Vorhofflimmern mit sehr niedrigem Schlaganfallrisiko. Die Studie, die vorzeitig wegen Nutzlosigkeit abgebrochen wurde, wurde von Prof. Lena Rivard aus Montreal in der Late-Breaking Session 2 auf dem AHA-Kongress präsentiert.

 

 

Von:

 

Prof. Rolf Wachter

Universitätsklinikum Leipzig

 

09.01.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Rudy Balasko / Shutterstock.com

Hintergrund und Zielsetzung

 

Der Nutzen einer Antikoagulation bei Personen mit Vorhofflimmern und mit einem sehr niedrigen Schlaganfallrisiko ist unklar. Skandinavische Registerdaten legen nahe, dass bei Vorhofflimmern und einem niedrigen Schlaganfallrisiko das Risiko für die Entwicklung einer Demenz reduziert werden kann. Prospektiv randomisierte Daten zu dieser Fragestellung fehlen.

 

Ziel der Untersuchung war es, zu zeigen, dass eine Antikoagulation mit Rivaroxaban (15 mg) im Vergleich zu Placebo das Risiko für den kombinierten Endpunkt aus kognitiver Verschlechterung, Schlaganfall oder tranitorisch ischämischer Attacke bei Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern und niedrigem Schlaganfallrisiko reduziert.

Studiendesign

 

BRAIN-AF war eine prospektive randomisierte, Placebo-kontrollierte doppelt-verblindete Studie mit Patientinnnen und Patienten mit Vorhofflimmern zwischen 30 und 62 Jahren ohne CHADS-Risikofaktor (d. h. ohne Hypertonie, Diabetes, Z. n. Schlaganfall/TIA). Personen mit einer vaskulären Erkrankung (z. B. KHK oder pAVK) erhielten Acetylsalicylsäure anstelle von Placebo.2

Ergebnisse

 

1.235 Patientinnen und Patienten wurden über einen Zeitraum von 8,5 Jahren in 53 Studienzentren in Kanada randomisiert und im Mittel über 3,7 Jahre nachverfolgt. Die Studie wurde auf Empfehlung des Data Safety Monitoring Boards abgebrochen wegen Zwecklosigkeit (futility). Die Patientinnen und Patienten waren im Schnitt 53 Jahre alt, 25 % waren Frauen. Es gab insgesamt 256 primäre Endpunkt-Ereignisse (234 Fälle einer kognitiven Verschlechterung, 13 Schlaganfälle und 9 TIAs).

 

Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Studienarmen, numerisch kam es im Rivaroxabanarm häufiger zu primären Endpunkt-Ereignissen als im Kontrollarm: Hazard Ratio 1,10 (95%-KI 0,86-1,40). Auch die einzelnen Komponenten des primären Endpunktes unterschieden sich nicht zwischen den Studienarmen.

Limitationen

 

  1. Die eingesetzte Dosis von 15 mg Rivaroxaban liegt unter der für die Indikation Vorhofflimmern zugelassenen und empfohlenen Standarddosis von 20 mg. Ein mangelnder Effekt könnte deshalb (auch) an dieser Unterdosierung liegen.
  2. Das Risiko für Schlaganfälle bei Personen ohne CHADS-Risikofaktor ist so niedrig (13 Schlaganfälle bei > 40.000 Patientenjahren), dass es schwierig ist, hier einen Nutzen einer Antikoagulation zu zeigen.
  3. Die lange Rekrutierungszeit zeigt, dass diese Patientengruppe auch entweder sehr selten ist und/oder sehr schwer zu überzeugen ist, sich randomisieren zu lassen (durchschnittliche Randomisierung von 3 Personen/Jahr/Studienzentrum).
  4. Schlaganfälle, TIAs und kognitive Verschlechterung können aus einer ganzen Reihe von Ursachen entstehen, nicht alle davon kann man durch eine Antikoagulation verhindern.

Fazit

 

Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern ohne CHADS-Risikofaktoren profitieren nicht von einer Antikoagulation mit Rivaroxaban (15 mg), um eine kognitive Verschlechterung, einen Schlaganfall oder eine transitorisch ischämische Attacke zu verhindern.

Expertenkommentar

 

Diese Studie zeigt sehr deutlich, dass bei Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern und mit einem sehr niedrigen Risiko für Schlaganfälle (CHADS 0) durch eine Antikoagulation keine kardioembolische Ereignisse verhindert werden können und auch die Entwicklung einer Demenz nicht verhindert werden kann. Das deckt sich mit der aktuellen Empfehlung der Leitlinie, die von einer Antikoagulation bei diesen Patientinnen und Patienten abrät.  

Zum Autor

Prof. Rolf Wachter

Prof. Rolf Wachter ist stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig. Seine klinische Tätigkeit umfasst die gesamte Kardiologie mit Schwerpunkten in der interventionellen Kardiologie und der Herzinsuffizienz. Zusätzlich nimmt er diverse Funktionen in wissenschaftlichen Fachgesellschaften wahr. (Bildquelle: Universitätsklinikum Leipzig)

Referenz

Léna Rivard et al. Blinded Randomized Trial of Anticoagulation to Prevent Ischemic Stroke and Neurocognitive Impairment in Atrial Fibrillation (BRAIN AF). AHA Scientific Sessions 2024, Late Breaking Clinical Trials, main session I.

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