Herzinsuffizienztherapie bei Krebs – Signal für Lebensqualität trotz hoher Mortalität

 

ESC Congress 2025 | EMPATICC: Personen mit fortgeschrittenem Krebs leiden oft nicht nur unter Tumorprogression, sondern auch unter Symptomen, die einer Herzinsuffizienz ähneln: Dyspnoe, Müdigkeit, Muskelschwund (kardiale und nichtkardiale Kachexie). Könnte eine gezielte Herzinsuffizienztherapie in dieser vulnerablen Patientengruppe Lebensqualität verbessern? Diese Frage untersuchte die EMPATICC-Studie (EMPower the heArt of patients with TermInal Cancer using Cardiac medicines), präsentiert von Dr. Markus Anker (Charité Universitätsmedizin Berlin).1,2

 

Prof. Markus Totzeck (Universitätsklinikum Essen) berichtet und kommentiert.

Von:

Prof. Markus Totzeck

Rubrikleiter Kardio-Onkologie

 

 

02.10.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Songquan Deng / Shutterstock.com

Hintergrund: Eine evidenzfreie Zone

 

Während die Kardiologie für onkologische Patientinnen und Patienten vor allem Strategien zur Prävention von Chemotherapie-bedingter Kardiotoxizität kennt, ist für Personen in palliativer Versorgung mit metastasiertem Krebs und HF-ähnlicher Symptomatik kaum Evidenz verfügbar. Viele Medikamente werden in dieser Phase abgesetzt. „Gerade für diese Patientinnen und Patienten wollten wir prüfen, ob Herzinsuffizienztherapie sinnvoll sein kann“, so Anker.

Studiendesign und Endpunkte

 

Die randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie rekrutierte Betroffene mit metastasierten soliden Tumoren und Lebenserwartung von 1–6 Monaten an fünf deutschen Zentren. Alle wiesen zwei kardiovaskuläre Risikofaktoren (z. B. NT-proBNP ≥ 600 pg/ml, erhöhte Herzfrequenz) und funktionelle Einschränkungen auf.


Das Therapieschema umfasste Sacubitril/Valsartan, Empagliflozin, Ivabradin und intravenöses Eisen, individuell angepasst.


Primärer Endpunkt: Hierarchische Kombination aus (1) Tagen mit Selbstwaschfähigkeit, (2) Gehfähigkeit über 4 m und (3) Patient Global Assessment (PGA) nach 30 Tagen.

Ergebnisse: Kein Unterschied im primären Endpunkt, aber Signal in Subgruppen

 

Nach 30 Tagen zeigte sich kein signifikanter Unterschied im primären Endpunkt (Win-Ratio 0,95; 95 %-KI 0,57–1,58; p=0,83). 


Doch bei Überlebenden traten klare Verbesserungen auf:

 

  • NT-proBNP sank um mehr als ein Drittel
  • LVEF stieg leicht an
  • PGA zeigte signifikant bessere Werte (OR 0,22; p=0,016)


Die Therapie war insgesamt gut verträglich; schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten nicht häufiger als unter Placebo auf.

Interpretation: Patientenselektion entscheidend

 

„Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass wir die richtigen Patientinnen und Patienten finden müssen – jene, die noch genügend Zeit haben, von der Therapie zu profitieren“, resümierte Anker. Ein Überleben von mindestens 30 Tagen scheint Voraussetzung für messbare Verbesserungen von Lebensqualität und kardialer Funktion.

Bedeutung für die Praxis

 

EMPATICC ist eine der ersten randomisierten, placebokontrollierten Studien in einer Palliativpopulation und zeigt, dass kardiologische Studien selbst in diesem Setting machbar sind. Sie liefert Hypothesen für ein Umdenken:

 

  • Individualisierte HF-Therapie kann auch in palliativer Versorgung sinnvoll sein.
  • Interdisziplinarität zwischen Onkologie, Palliativmedizin und Kardiologie wird gestärkt.
  • Prognosemodelle zur besseren Patientenselektion sind dringend notwendig.

Kommentar

 

EMPATICC öffnet eine neue Perspektive: Während der primäre Endpunkt nicht erreicht wurde, weisen Biomarker- und Lebensqualitätsdaten bei Überlebenden auf einen relevanten Nutzen hin. Die Studie fordert dazu auf, das „therapeutische Niemandsland“ am Lebensende neu zu denken.

Zum Autor

Prof. Markus Totzeck

Prof. Matthias Totzeck ist als Stellvertretender Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie mit Leitung des Bereichs Allgemeine- und Akutkardiologe am Universitätsklinikum Essen tätig. Innerhalb der DGK engagiert er sich als stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe AG 40 Onkologische Kardiologie. Zudem ist er Mitglied der European Society of Cardiology und der Heart Failure Association. 
Bildquelle: UDE/Frank Preuß

Referenzen

 

  1. Anker MS. EMPATICC: Optimized Heart Failure Therapy in Terminal Cancer to Improve Self Care Ability. Late-Breaking Clinical Science, 30.08.2025, Madrid, ESC 2025
  2. Anker MS et al. Heart failure therapy in patients with advanced cancer receiving specialized palliative care (EMPATICC trial). Eur Heart J. 2025; doi:10.1093/eurheartj/ehaf705.

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