Biomarker weist auf Schutz durch mäßigen Weinkonsum hin

 

Ist Weinkonsum mit einem niedrigeren kardiovaskulären Risiko verbunden oder nicht? Eine spanische Studie hat statt auf Basis von Selbstauskünften den Zusammenhang Biomarker-basiert mit Hilfe von Weinsäure im Urin untersucht, um der heterogenen Studienlage neue Erkenntnisse hinzuzufügen. Prof. Ulrich Laufs, Rubrikleiter Prävention, ordnet die neuen Studiendaten ein.

Von:

Martin Nölke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

Expertenkommentar

Prof. Ulrich Laufs

Universitätsklinikum Leipzig

 

16.01.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Alexsander Ovsyannikov / Shutterstock.com

Der Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum, insbesondere Wein, und dem Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bleibt trotz jahrzehntelanger Forschung ein kontrovers diskutiertes Thema. Die aktuellen ESC-Leitlinien empfehlen ≤100 g/Woche reinen Alkohol, aber nach Möglichkeit zu verzichten;1 ein aktuelles Positionspapier der DGE empfiehlt grundsätzlich den Alkoholverzicht.2 Frühere Studien über die Auswirkungen von Wein auf die kardiovaskuläre Gesundheit haben zu widersprüchlichen Ergebnissen geführt. Dies kann zumindest zum Teil daran liegen, dass in der bisherigen Forschung meist nur die Selbstauskunft der Studienteilnehmenden über ihren Weinkonsum berücksichtigt wurde.

Neue Analyse mit objektivem Biomarker statt Selbstauskunft

 

Im Rahmen der PREDIMED-Studie wurde der Zusammenhang zwischen Weinsäure im Urin, als einem möglichen objektiven Biomarker für Weinkonsum, und der Häufigkeit kardiovaskulärer Erkrankungen untersucht.3 Der Beobachtungszeitraum betrug 4–5 Jahre. An der Studie nahmen 1.232 Personen teil mit Typ-2-Diabetes oder einer Kombination kardiovaskulärer Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie, hohes Cholesterin, Übergewicht und kardiovaskuläre Erkrankungen in der Familie. Das Durchschnittsalter lag bei 68 Jahren; 53 % der Teilnehmenden waren weiblich. Die Personen ernährten sich gemäß einer mediterranen Diät.

 

Der Weinkonsum wurde anhand von validierten Fragebögen zur Häufigkeit des Verzehrs erfasst. Mittels Flüssigchromatographie gekoppelt mit Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS) wurde die Weinsäure im Urin zu Beginn und nach einem Jahr gemessen. Die Hazard Ratios für kardiovaskuläre Erkrankungen wurden mit Hilfe gewichteter Cox-Regressionsmodelle geschätzt.

5 Kategorien von Alkoholverzicht bis zu hohem Konsum

 

Die gemessenen Weinsäure-Werte korrelierten mit dem selbst berichteten Weinkonsum (r = 0,46; 95%-Konfidenzintervall 0,41–0,50). Insgesamt traten 685 Fälle kardiovaskulärer Erkrankungen während des Beobachtungszeitraums ein. Zur differenzierten Darstellung der Hazard Ratios (HR) wurden post hoc 5 Kategorien hinsichtlich der Konzentration ausgeschiedener Weinsäure unterschieden (signifikante Ergebnisse gefettet):

 

  • <1 μg/mL (entspricht ca. 1 Glas Wein pro Monat; n = 306): diente als Referenz
  • 1–3 μg/mL (entspricht ca. 1–3 Gläsern Wein pro Monat; n = 363): HR 0,89 (95%-KI 0,56–1,42; p = 0,637)
  • 3–12 μg/mL (entspricht ca. 3–12 Gläsern Wein pro Monat; n = 297): HR 0,62 (95%-KI 0,38–1,00; p = 0,050)
  • 12–35 μg/mL (entspricht ca. 12–35 Gläsern Wein pro Monat; n = 179) HR 0,50 (95%-KI 0,27–0,95; p = 0,035)
  • >35 μg/mL (entspricht ca. 1,25 Gläsern Wein pro Tag; n = 165) HR 0,89 (95%-KI 0,48–1,66; p = 0,723)

Leichter bis mäßiger Weinkonsum in Studienpopulation vorteilhaft

 

Ein halbes bis ein Glas Wein pro Tag erwies sich bei den untersuchten Personen – ältere mediterrane Bevölkerung mit mediterraner Diät und hohem kardiovaskulären Risiko – als besonders förderlich für die Herzgesundheit: Der mäßige Weinkonsum war mit einem um 50 % reduzierten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse verbunden. Ein leichter Weinkonsum von einem Glas pro Woche und weniger als einem halben Glas pro Tag war verbunden mit einem um 50 % reduzierten kardiovaskulären Risiko. Bei höherem Weinkonsum, mehr als ein Glas pro Tag, war kein kardioprotektiver Effekt in der Personengruppe nachweisbar.

Expertenkommentar Prof. Ulrich Laufs

 

Die Ergebnisse bestätigen frühere Beobachtungs- und Querschnitts-Studien, welche eine Assoziation eines moderaten Alkoholkonsums (3–35 Gläser Wein pro Monat) mit positiven Gesundheitseffekten zeigen. Stärkerer Alkoholkonsum ist ungesund. Ein Neuigkeitswert der Studie liegt in einer im Vergleich zur Selbstauskunft vermutlich etwas besseren Objektivierung der Ernährungsgewohnheiten durch die Urin-Analyse. Weinsäure kommt in den Reben, Trauben und Blättern des Weinstocks vor. Weinsäure findet sich allerdings auch in Zuckerrüben, Ananas und anderen Früchten und wird als Zusatzstoff (E 334) u. a. bei Lebensmitteln mit Obstanteil, in Limonaden und anderen Getränken, Süßigkeiten oder Backwaren verwendet. Die Autorinnen und Autoren haben in einer kleinen Vor-Studie gezeigt, dass Weinsäure im Urin bei ansonsten stabilen Ernährungsgewohnheiten nach Weinkonsum ansteigt und somit als Marker in Frage kommt.4

Keine aktive Empfehlung ableitbar

 

Die größte Limitation der Untersuchung ist die leider in den meisten Studien zu Assoziationen von Ernährung mit Gesundheit fehlende Erhebung des sozioökonomischen Status, d. h. moderater Weinkonsum als Indikator für höheres Haushaltseinkommen und für einen insgesamt gesünderen Lebensstil kann nicht ausgeschlossen werden. Daher kann aus der Studie keine aktive Empfehlung zu moderatem Weinkonsum abgeleitet werden. Das Design kann auch nicht beantworten, ob mögliche positive Effekte dem Alkohol oder anderen Wein-Inhaltsstoffen zuzuordnen sind, oder ob es Unterschiede zwischen weißem und rotem Wein gibt, d. h. ob die Hypothese der vaskulären Protektion durch spezifische Polyphenole klinisch relevant ist.5

 

Eine beruhigende Schlussfolgerung aus den Daten könnte aber sein, dass moderater Wein-Konsum, d. h. Wein-Genuss, nicht mit einer erhöhten Prävalenzrate kardiovaskulärer Probleme assoziiert war, also in dieser Hinsicht „sicher“ zu sein scheint. Gute Hinweise für eine Förderung der Herzgesundheit gibt es für Entspannung und soziale Interaktionen, Faktoren, die mit moderatem Weingenuss assoziiert sein können. Gleiches gilt auch für den Optimismus6 – in diesem Sinne bleibt abschließend festzuhalten, dass die Autorinnen und Autoren der Studie von positiven Effekten von etwas Wein zu einem mediterranen Essen überzeugt sind.

Zur Person

Prof. Ulrich Laufs

Prof. Ulrich Laufs ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig. Zu seinen Schwerpunkten gehören u. a. kardiovaskuläre Prävention und Lipoprotein-Stoffwechselstörungen. Im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) vertritt er den Bereich der Universitätskliniken.

Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Referenzen

 

  1. 2024 ESC Guidelines for the management of elevated blood pressure and hypertension. URL: https://herzmedizin.de/fuer-aerzte-und-fachpersonal/leitlinien/leitlinien-katalog/ESC-Guidelines-for-the-management-of-elevated-blood-pressure-and-hypertension-.html
  2. Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE). Oktober 2024. URL: https://www.dge.de//fileadmin/Bilder/wissenschaft/referenzwerte/DGE-Position_Alkohol_EU_2024_10.pdf
  3. Domínguez-López I, Lamuela-Raventós RM, Razquin C, et al. Urinary tartaric acid as a biomarker of wine consumption and cardiovascular risk: the PREDIMED trial. Eur Heart J. 2025;46(2):161-172. doi:10.1093/eurheartj/ehae804.
  4. Regueiro J, Vallverdú-Queralt A, Simal-Gándara J, Estruch R, Lamuela-Raventós RM. Urinary tartaric acid as a potential biomarker for the dietary assessment of moderate wine consumption: a randomised controlled trial. Br J Nutr. 2014;111(9):1680-1685. doi:10.1017/S0007114513004108
  5. Corder R, Mullen W, Khan NQ, et al. Oenology: red wine procyanidins and vascular health. Nature. 2006;444(7119):566. doi:10.1038/444566a
  6. Krittanawong C, Maitra NS, Hassan Virk HU, et al. Association of Optimism with Cardiovascular Events and All-Cause Mortality: Systematic Review and Meta-Analysis. Am J Med. 2022;135(7):856-863.e2. doi:10.1016/j.amjmed.2021.12.023

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