HERZMEDIZIN: Welche Rolle spielen glykämischer Index und glykämische Last für die Herzgesundheit?
Lorkowski: Wenn wir über Herz-Kreislauf-Patient:innen sprechen, sind Typ-2-Diabetiker:innen eine große Risikogruppe, die meist mit dem Körpergewicht und auch mit einem metabolischen Syndrom zu kämpfen haben. Der glykämische Index und die glykämische Last sind Instrumente, um den Patient:innen zu zeigen, auf welche Kohlenhydratquellen sie zurückgreifen sollten – nämlich solche mit niedrigem glykämischen Index beziehungsweise niedriger glykämischer Last: „Kohlenhydrate darf ich essen, wenn sie aus ballaststoffreichen Lebensmitteln stammen und möglichst wenig verarbeitet sind, wie bei Gemüse, Obst und Vollkornprodukten.“ Denn in dieser Form wirken die Kohlenhydrate im Körper anders als zugesetzter Zucker oder raffinierte Stärke, wie sie zum Beispiel in Weißmehlprodukten vorkommt. Und aufgrund des besseren Sättigungseffekts von ballaststoffreichen Lebensmitteln wird meist auch eine Gewichtsnormalisierung unterstützt.
Die Basis der Ernährungstherapie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist also eine ausgewogene Ernährung (Vollkost). Das kann eine vollwertige Ernährungsweise nach der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sein oder auch eine mediterrane Kost oder eine vegetarische, wenn sie regelmäßig mit tierischen Lebensmitteln angemessen ergänzt wird.
HERZMEDIZIN: Im Juni publizierte Cochrane einen Review zu Diäten mit niedrigem glykämischen Index und niedriger glykämischer Last, wie die Glyx-Diät. Das Ergebnis war ernüchternd …
Lorkowski: Es stellte sich heraus, dass Diäten mit niedrigem glykämischen Index und niedriger glykämischer Last wahrscheinlich nur zu geringen oder keinen Gewichtsunterschieden im Vergleich zu anderen Diätformen führen.1 Viele Expert:innen, wie auch ich selbst, hatten sich größere Effekte erhofft.
Eine Limitation war die geringe Stichprobengröße der betrachteten Studien, was die Evidenzqualität beeinträchtigt. Dazu kommen kurze Beobachtungszeiträume und als wiederkehrendes Problem in der Ernährungsforschung die Heterogenität der Studien, was zu großen Konfidenzintervallen führt. Im Gegensatz zur Medikamentenforschung sind randomisierte, doppelblinde Studien in der Ernährungsforschung kaum durchführbar.
Aber unabhängig von den grundsätzlichen Schwächen der Ernährungsstudien reiht sich diese Analyse gut in die Erkenntnisse der letzten Jahre ein. Es gibt zwar durchaus Unterschiede, wie die Studienteilnehmenden mit ihrem Körpergewicht und den kardiovaskulären Risikofaktoren bei verschiedenen Diäten reagieren, aber am Ende lautet die kurze Botschaft: „Ich nehme nur das ab, was ich bei der Energiezufuhr einspare.“