Die Liebe für den ambulanten Bereich entdecken

 

Lange Arbeitszeiten, Angst vor Überschuldung und schwierige Rahmenbedingungen sind Gründe, warum immer weniger junge Ärztinnen und Ärzte den Weg in den ambulanten Bereich wagen. Dabei bietet gerade die Niederlassung sehr viele interessante Möglichkeiten von der Teilzeitarbeit bis zur Telemedizin. Im Interview berichtet Dr. Karin Rybak als niedergelassene Kardiologin über ihre Erfahrungen und gibt Tipps für den erfolgreichen Karrierestart in der Niederlassung.

Von:

Dr. Karin Rybak

Niedergelassene Kardiologin

 

Dr. Heidi Schörken

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

13.02.2024

 

Bildquelle (Bild oben): 1take1shot / Shutterstock.com

 

 

   

HERZMEDIZIN: Viele Niedergelassene werden in den nächsten Jahren aus Altersgründen ausscheiden. Wie kann man junge Kolleg:innen dazu motivieren, in den ambulanten Bereich zu gehen?

 

Rybak:  Das ist eine wirklich wichtige Frage. Junge Kolleg:innen haben oftmals wenig Einblick in den ambulanten Sektor, weil Famulaturen oder Praktika in diesem Bereich eher selten sind. Die Sorge, dass man sich verschuldet und dass man alleine für die Praxis verantwortlich ist, sind weitere Hemmschwellen. Dazu zählt auch die Angst vor Krankheiten und den damit verbundenen Schwierigkeiten in der Praxisführung. Darüber hinaus sind die Rahmenbedingungen leider nicht einfacher geworden. Dennoch muss man die Scheu überwinden. Wir haben immer wieder junge Kolleg:innen zur Hospitation, zum Praktikum oder zur Famulatur, die erst dann die Liebe für den ambulanten Bereich entdecken. Genau aus diesem Grund hat die DGK ein Mentoring-Programm entwickelt, in dem junge Kolleg:innen in ihrer Karriereplanung durch erfahrene Mentoren unterstützt werden können.

 

HERZMEDIZIN: Was waren Ihre Gründe, warum Sie sich damals für die Niederlassung entschieden haben und würden Sie das heute nochmals tun?

 

Rybak: Das war eine meiner schwersten Entscheidungen überhaupt, weil ich eigentlich mit Leib und Seele Klinikerin war. Es gab damals einen Wechsel in der Klinikleitung und das war für mich das Startsignal, es doch in der Niederlassung zu versuchen. Und ich muss sagen, ich habe es niemals bereut.

Wenn man will, dann eröffnen sich im ambulanten Bereich ganz viele Möglichkeiten.

 

Man muss es aber wollen. Beispielsweise bin ich seit langem auch interventionell im Katheterlabor tätig. Darüber hinaus implantieren wir Herzschrittmacher und Defibrillatoren. Das ist natürlich mit hohem persönlichen Aufwand verbunden, aber der Trend geht ohnehin zur Großpraxis mit mehreren angestellten Kolleg:innen oder auch Teilhaber:innen, sodass, wenn man die Invasivstrecke verfolgen will, sich dies auch gut umsetzen lässt.

 

HERZMEDIZIN: Lange Arbeitszeiten werden häufig als Argument genannt, warum junge Kolleg:innen keine eigene Praxis gründen wollen. Wie sieht Ihre Arbeitsbelastung aus?


Rybak: Als wir hier in der Praxis angefangen haben, waren die Arbeitszeiten enorm und 12-Stunden-Arbeitstage die Regel. Wenn sich aber junge Kolleg:innen für eine Anstellung entscheiden – sei es in einer privaten Praxis oder im MVZ, dann sind geregelte Arbeitszeiten möglich – anders als wenn man alleine eine Privatpraxis führt. Es ist wirklich ein wichtiges Motiv, warum sich junge Kolleg:innen eben nicht niederlassen. Sicherlich wollen und können wir diese extremen Arbeitszeiten heute nicht mehr umsetzen, auch wenn es für viele Kolleg:innen auf dem Land immer noch selbstverständlich ist.

 

HERZMEDIZIN: Was sind die positiven Aspekte, die Sie jeden Tag dazu motivieren, in Ihrer Praxis zu arbeiten?

 

Rybak: Erstens habe ich ein klasse Team. Es war sehr mühsam, die MFAs so auszubilden, dass sie wirklich einen super Job selbstständig machen können. Wir haben ein telemedizinisches Zentrum und sehr viel Medizintechnik, die hervorragend von den MFAs betreut werden. Das Zweite ist, dass der ambulante Bereich sehr interessant ist, weil man die Patient:innen langfristig über einen mehrjährigen Verlauf mitbegleitet, während sie in der Klinik schon nach kurzer Zeit entlassen werden und damit „verloren“ gehen. In der Klinik haben wir eine Akutsituation und die Patient:innen sind nach wenigen Tagen wieder weg.

Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn Patient:innen zu Ihnen kommen und sagen: „Mir geht es jetzt sehr viel besser.“

 

Entscheidungen über Therapie-Optionen kann man viel besser treffen, wenn man die Patient:innen und das Umfeld lange kennt. Wir haben heutzutage sehr viele Optionen, aber man muss auch immer mit Augenmaß entscheiden. Im ambulanten Bereich hat man das Erfolgserlebnis, dass die getroffenen Entscheidungen gut und richtig waren. In der Klinik dagegen, hilft man in einer akuten Notsituation und erfährt eher selten, wie es danach weitergeht.


HERZMEDIZIN: Der Anteil an Fachärztinnen in der Kardiologie ist gering. Wie ermutigen Sie speziell junge Frauen?


Rybak: Dieses Problem kennen wir seit Jahren. Wir haben tolle junge Frauen, die auf Kongressen ausgezeichnet werden, Promotions-, Poster- oder Vortragspreise erhalten, insbesondere auf unserer Jahrestagung in Mannheim. Und dann reduziert sich der Anteil der Frauen. Einige Kolleginnen möchten sich erstmal um ihre Kinder kümmern und tun sich dann schwer, wieder einzusteigen. Auch das Bedürfnis in Teilzeit zu arbeiten, lässt sich in der Klinik nicht immer umsetzen.

Gerade die ambulante Schiene ist sehr gut geeignet, wenn sich junge Frauen reduzierte Arbeitszeiten wünschen.

 

Wir müssen daran arbeiten, dass wir unsere Kolleginnen motivieren und den Wiedereinstieg nach einer Erziehungszeit unterstützen und fördern. Da ist sicherlich noch viel Arbeit notwendig.


HERZMEDIZIN: Was sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren bei einer Praxisgründung und was sind ihre Tipps für junge Kollegen und Kolleginnen?


Rybak: Zuerst muss man über folgendes im Klaren sein: Will ich eine Praxis, die Basisversorgung macht? Möchte ich, invasiv arbeiten oder spezielle Richtungen in der Kardiologie einschlagen? Will ich die Praxis alleine führen, oder ist es besser für mich, einen Partner zu haben? Ich selbst habe beispielsweise Kollegen in meiner Privatpraxis angestellt.

 

Weitere wichtige Faktoren sind:

  • Standort: Zumindest in kleineren Orten macht es keinen Sinn, wenn es dort schon kardiologische Praxen im Umkreis von 500 Metern gibt.
  • Team: Heutzutage sind qualifizierte MFAs schwierig zu finden, aber eine feste Basis ist wichtig – ohne ein gutes Team geht es nicht.
  • Qualifikationen: Zertifikate und Qualifikationsnachweise, vor allem für den Ultraschallbereich, sind wichtig.

Lassen Sie sich nicht entmutigen!

 

Trotz schwieriger Rahmenbedingungen lässt sich eine gesunde Praxis auch heutzutage noch führen, obwohl uns natürlich nicht gefällt, dass vorrangig Hausärzte und Hausärztinnen gesundheitspolitisch gefördert werden, während die Situation für Fachärztinnen und Fachärzte immer schwieriger wird. Es macht wirklich Spaß im ambulanten Bereich zu arbeiten, und man kann sehr viel mehr selbst entscheiden im Vergleich zum stationären Bereich. Insgesamt bietet der ambulante Bereich eine erfüllende Arbeit und ich selbst habe es nie bereut.

Zur Person

Dr. Karin Rybak

Dr. Karin Rybak hat nach der Facharztausbildung mehrere Jahre in der Klinik gearbeitet und leitete u. a. die Kardiologie am Städtischen Klinikum Dessau. Seit über 30 Jahren führt Dr. Rybak eine Praxis in Dessau und hat seit 2021 die ärztliche Leitung eines MVZ übernommen. Weiterhin leitet Dr. Rybak die AG Rhythmologie des BNK sowie die Sonografie-Kommission der KV Sachsen-Anhalt. Neben der Praxistätigkeit ist sie in zahlreichen DGK-Kommissionen aktiv und war von 2017–2019 Vorstandsmitglied der DGK. Gemeinsam mit der Young DGK entwickelt Dr. Rybak als Vorsitzende der Task Force Mentoring (TFM) Programme für eine frühzeitige Karrierebegleitung.

Dr. Karin Rybak, niedergelassene Kardiologin aus Dessau
Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

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