Fachärzte und Fachärztinnen fordern Entlastungen

 

Digitalisierungsprobleme, Personalmangel, steigende Kosten und fehlender Inflationsausgleich – die Frustration aber auch die Kampfbereitschaft (und Wut) von Fachärzten und Fachärztinnen ist groß. Auch der Krisengipfel von Karl Lauterbach Anfang Januar ergab keine relevanten Verbesserungen. Dr. Norbert Smetak berichtet als niedergelassener Kardiologe und berufspolitisches Schwergewicht im Interview über die Forderungen der Fachärzt:innen und über weitere Schritte.

Von:

Dr. Heidi Schörken

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

24.01.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Africa Studio / Shutterstock.com

HERZMEDIZIN: Nach dem Krisengipfel Anfang Januar kündigte Karl Lauterbach die Entbudgetierung der Hausärzte an, aber Fachärzte gingen leer aus. Wie haben Sie dieses Krisentreffen erlebt?

 

Dr. Smetak: Ich habe das Krisentreffen leider so erlebt, wie häufig: relativ viele Versprechungen mit relativ wenig Substanz. Erstmal ist die Entbudgetierung der Hausärzte kein Riesengeschenk, weil in Deutschland nur sehr wenige KVen überhaupt eine Budgetierung der Hausärzte haben – allen voran Hamburg. In vielen anderen Bundesländern sind die Hausärzte nicht budgetiert – das ist der eine Punkt. Außerdem verspricht Karl Lauterbach nur etwas, was im Koalitionsvertrag steht, also was schon seit 2 Jahren umgesetzt werden sollte. Bisher wurde aber nur die Entbudgetierung bei Kinderärzten und Kinderpsychiatern umgesetzt, weil dort besonders große Not herrscht und natürlich auch zu Recht, da es sich bei Kindern um eine sehr sensible Gruppe handelt.

Die Anhebung der Bagatellgrenze bringt nichts für Niedergelassene in der Kardiologie.

 

Die Fachärzte wurden aber wieder außen vorgelassen oder nur minimal eingebracht über die Regressankündigung mit Bagatellgrenze. Es soll eine Anhebung der Bagatellgrenze geben, was allerdings auch nicht viel bringt, weil wir Kardiolog:innen relativ hochpreisige Medikamente verschreiben müssen, wie z.B. PCSK9-Hemmer oder Kombinationspräparate aus Sacubitril und Valsartan. Da hilft die Bagatellgrenze gar nichts, da oft Einzelfallprüfungen erfolgen.

Die Digitalisierung verursacht zunächst mehr Arbeit als Erleichterung.

 

Bis die Entbürokratisierung über die Digitalisierung eintritt, bin ich zumindest in Rente oder auf dem Friedhof. Aus meiner Sicht ist z. B. die angekündigte ePA (elektronische Patientenakte) ab 2025 mit sehr vielen Pflichten verbunden – sowohl was die Einstellungen der Dokumente betrifft als auch die Aufklärungspflicht von Patienten und Patientinnen. Das heißt, wir erwarten deutlich mehr Arbeit am Anfang. Außerdem werden die ePA zunächst großteils nur pdf-Friedhöfe darstellen und damit eben nicht das umsetzen, was man unter Digitalisierung versteht, also alle Daten schnell in die Praxis-Software einzufügen. Ich erlebe die Digitalisierung sehr kritisch.

 

HERZMEDIZIN: Ein Argument von Karl Lauterbach dafür, dass nur Hausärzte vom Honorardeckel befreit werden sollen, ist, dass Fachärzte ein relativ gutes Einkommen haben. Wie sehen Sie das?

 

Dr. Smetak: Der Durchschnittswert des Einkommens von Hausärzten generiert sich auch aus vielen Hobby- und Kleinpraxen. Das darf man nicht vergessen. Das heißt, der Arbeitsaufwand in den Praxen ist zum Teil sehr gering. Wir haben auch sehr viele Teilzeitpraxen bei den Hausärzten. Das ist der eine Aspekt. Der andere Aspekt ist, dass das durchschnittliche Nettoeinkommen der Fachärzte um die 80.000 Euro beträgt. Bei der Diskussion stehen aber immer die 200.000 Euro im Raum. Dabei handelt es sich allerdings um den Ertrag vor Steuern. Nach Abzug der Steuern und der eigenen Zulagen, die man für Kranken- und Rentenversicherungen leisten muss, kommt ein durchschnittliches Netto-Einkommen von etwas über 80.000 Euro heraus. Dabei muss man jedoch auch die hohen Arbeitszeiten der niedergelassenen Fachärzte betrachten.

Niedergelassene Kardiolog:innen arbeiten durchschnittlich 51 Stunden pro Woche.

 

Außerdem haben wir natürlich eine große Spannbreite: Es gibt relativ gutverdienende Fachärzte, die noch mehr arbeiten und Fachärzte, die weniger verdienen und weniger arbeiten. Im Vergleich dazu liegt das Oberarztgehalt in der Klinik bei bis zu 150.000 Euro – und das gönne ich den Oberärzten. Auch wenn man das Nettogehalt betrachtet, ist das von manchen Klinikärzten höher im Vergleich zu Niedergelassenen, da die Zulagen im Angestelltenverhältnis vom Arbeitgeber mitgetragen werden. Ich glaube, wenn man das alles zusammenrechnet, ist der Verdienst der niedergelassenen Fachärzte gerechtfertigt.

Zur Person

Dr. Norbert Smetak

Dr. Norbert Smetak ist niedergelassener Kardiologe und seit vielen Jahren berufspolitisch aktiv. Der 65-Jährige gilt bundesweit als sehr erfahrener und anerkannter Berufspolitiker. Dr. Norbert Smetak engagiert sich in zahlreichen Verbänden: Er ist Vorsitzender des fachübergreifenden Ärzteverbands MEDI, Vorstandsmitglied beim Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e. V. (SPIFA), Bundesvorsitzender des Bundesverbands Niedergelassener Kardiologen e. V. (BNK) sowie Vizepräsident beim Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten e. V. (BDI). Außerdem praktiziert Dr. Norbert Smetak auch weiterhin in seiner internistisch-kardiologischen Praxis in Kirchheim.

Dr. Norbert Smetak, niedergelassener Kardiologe aus Kirchheim und Berufspolitiker
Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Wenn wir die Versorgung sichern wollen, brauchen wir eine solide Finanzierung.

 

Tatsache ist, dass die Kosten für Personal, Equipment, Raummieten etc. finanziert werden müssen. Und was Termine betrifft, haben wir inzwischen bei Fachärzten einen größeren Mangel als bei Hausärzten. Dazu muss man sagen, dass über die letzten Jahre im niedergelassenen Bereich die Anhebung des sogenannten Orientierungswertes, sozusagen unsere Gegenwährung, maximal 3,84 % betrug, und zwar im Jahr 2023. Wenn man die Inflationsrate betrachtet, die deutlich darüber liegt, weiß man, dass über Jahre hinweg ein Defizit besteht. Jetzt ist einfach eine Höhe an negativen Dingen erreicht, dass die Ärztinnen und Ärzte weiter protestieren werden, wenn sich nicht etwas ändert.

 

HERZMEDIZIN: Welche weiteren Maßnahmen, außer der Endbudgetierung, wünschen sich niedergelassene Kardiologen von der Politik?

Dr. Smetak: Wir wünschen uns, § 115f rasch mit den entsprechenden OPS-Ziffern (Operationen- und Prozedurenschlüssel) auch tatsächlich ans Netz zu bringen. Und wir würden uns wünschen, dass neben diesen OPS-Ziffern, konservative wichtige Bereiche auch im Rahmen des § 115f abgehandelt werden, z. B. wie betreue ich schwer herzinsuffiziente Patient:innen?


Und was wir noch als ganz wichtig ansehen, ist das Thema Prävention. Da hätten wir gerne eine entsprechende Hinterlegung im EBM oder auch im § 115f, damit diese Möglichkeiten der Patientenversorgung auch adäquat finanziell hinterlegt sind und damit sie umgesetzt werden können, weil es immer Personal erfordert. Und eins ist sicher: Personal wird immer teurer werden. Wir haben nicht in allen Ebenen Fachpersonalmangel, aber in unseren Ebenen, wie im Krankenhaus mit Sicherheit.

HERZMEDIZIN: Wie ist die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Verbände? Sprechen alle Fachärzte mit einer gemeinsamen Stimme, obwohl es so viele unterschiedliche Fachbereiche gibt?

Dr. Smetak: Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit dem BDI (Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten), da ich selbst der Vizepräsidentin des BDI bin, und da ich der Vorstandsvorsitzende des MEDI Verbundes bin, auch mit MEDI. Das heißt, ich habe Gruppen hinter mir, mit denen man sich ganz eng abspricht. Und ich habe sehr enge Kontakte zu allen internistischen Fachgebieten.

Es geht nur zusammen.

Daher herrscht ein sehr großer Konsensus zwischen den unterschiedlichen Facharzt-Verbänden. Mir ist wichtig, dass wir nicht spalten wollen. Ich möchte klar sagen, unser Protest richtet sich nicht gegen die Klinikärzte. Wir sitzen schlussendlich in einem Boot, weil auch in der Klinik Mangel in der Versorgung herrscht. Und ich glaube, es muss von allen Seiten immer darauf hingewiesen werden, dass wir systematisch an Steuerungselemente rangehen müssen, weil wir sonst die Versorgung nicht langfristig sichern können. Da gibt es großen Konsens.


HERZMEDIZIN: Sind weitere Aktionen wie Praxisschließungen in nächster Zeit geplant?

Dr. Smetak: Wir werden jetzt erstmal von Praxisschließungen Abstand nehmen. Ich halte es im Rahmen der aktuell anderen stattfindenden Proteste, wie die der Lokführer und der Bauern nicht so gut, wenn wir in einen Topf geworfen werden, weil es immer als Streik bezeichnet wird. Wir dürfen aber gar nicht streiken. Wir haben kein Streikrecht, denn das haben wir aufgegeben, beziehungsweise abgegeben für den Sicherstellungsauftrag und die Bedarfsplanung.

Am 17. Januar wurde der Referentenentwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) veröffentlicht, der die Entbudgetierung der Hausärzte enthält. Das müssen wir uns genau anschauen. Wir haben vom Spitzenverband der Fachärzte (SPIFA) ein Friedensangebot über 2 Monate. In dieser Zeit wollen wir uns unterhalten und nochmal genau die Belange der Fachärzte durchgehen, um hier weiterzukommen. Also in den nächsten 2 Monaten müssen Gespräche stattfinden, diese Forderung besteht. Darüber gibt es eine Pressemitteilung des SPIFA, die ich auch mitunterzeichnet habe. Nur, ich sage das immer wieder, wenn man jetzt wartet, wie bei den Hausärzten bis die Not ganz groß ist, dann wird es wieder einen Riesenproblem geben. Jetzt kann man es noch prophylaktisch angehen, aber in 2 bis 3 Jahren wird es dafür zu spät sein.

HERZMEDIZIN: Wir bedanken uns für das Interview.


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