Herzoperationen sind für Betroffene häufig ein gravierendes Ereignis – für Herzchirurginnen und -chirurgen jedoch sind sie Alltag. Vom Routine-Eingriff bis hin zur mehrstündigen Operation: So sieht der Ablauf in der Herzchirurgie aus.
Herzoperationen sind für Betroffene häufig ein gravierendes Ereignis – für Herzchirurginnen und -chirurgen jedoch sind sie Alltag. Vom Routine-Eingriff bis hin zur mehrstündigen Operation: So sieht der Ablauf in der Herzchirurgie aus.
Von Jonas Heinrich
07.11.2023
Bildquelle (Bild oben): iStock/Georgiy Datsenko
Als Lebensmotor kommt dem Herzen eine besondere Rolle im menschlichen Körper zu. Ist das Organ schwer erkrankt oder geschädigt, ist unter Umständen ein chirurgischer Eingriff die einzige Möglichkeit, das Leben der betroffenen Person zu retten. Eine solche Operation machen Herzchirurginnen und -chirurgen gemeinsam mit einem Team aus Expertinnen und Experten, das ihnen zur Seite steht.
Je nachdem, um welche Operation es sich handelt, ist ein kleineres oder größeres Team nötig. Jede einzelne Person erfüllt dabei wichtige Aufgaben, die zum Gelingen beitragen. „Für eine Herzoperation sind neben der Operateurin oder dem Operateur noch ein bis zwei Assistierende anwesend. Des Weiteren zwei OP-Pflegekräfte, die dafür sorgen, dass die benötigten Instrumente steril und im richtigen Moment zur Hand sind“, sagt Prof. Volkmar Falk vom Deutschen Herzzentrum der Berliner Charité. „Hinzu kommt eine Anästhesistin oder ein Anästhesist für die Narkose.“ Zusätzlich gibt es eine Anästhesie-Pflegekraft sowie Kardiotechnikerinnen beziehungsweise Kardiotechniker: „Sie bedienen etwa die Herz-Lungen-Maschine, falls diese benötigt wird. Viele Eingriffe können wir zwar ohne Herz-Lungen-Maschine machen. Wir haben sie jedoch immer auf Stand-By, falls Probleme auftreten sollten“, erklärt der Direktor der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie.
Selbst der kleinste Routineeingriff muss gründlich geplant sein – es geht schließlich um das Herz. Je gründlicher die Vorbereitung, umso höher die Erfolgschancen. Hierfür ist es wichtig, die zu operierende Person und ihr Herz so gut wie möglich zu kennen: „Mit entsprechenden Bildgebungsverfahren können wir viele wichtigen Fragen schon vor dem Eingriff klären: Wie ist der Zustand der Herzklappen? Wie sieht die Aorta aus? Bei Bypass-Operationen kann etwa ein MRT darüber Aufschluss geben, wo sich noch gesundes, intaktes Herzgewebe befindet“, sagt Prof. Falk. Allerdings können auch mit der besten Vorbereitung während einer Herzoperation einmal Fehler passieren und Komplikationen oder unvorhergesehene Zwischenfälle auftreten. Daher entwirft das OP-Team stets alternative Handlungsoptionen: „Falls etwas nicht so gelingt, wie wir es uns vorgenommen hatten, müssen wir flexibel darauf reagieren. Wir haben stets einen Plan B und Plan C parat“, so der Herzchirurg.
Bei aller Routine: Keine Herzoperation gleicht der anderen. Denn nicht nur jede Patientin und jeder Patient ist unterschiedlich, auch die benötigten Maschinen, Instrumente und Handgriffe sind je nach Art des Eingriffs verschieden. „Wenn wir das Herz während der OP stilllegen müssen, kommt eine Herz-Lungen-Maschine zum Einsatz, welche die Funktion der beiden Organe für den Operationszeitraum übernimmt. Zudem bekommen fast alle unsere Patientinnen und Patienten ein sogenanntes ‚Schluckecho‘“, sagt Prof. Falk. Dabei handelt es sich um ein kleines Ultraschallgerät, das über die Speiseröhre bis nah ans Herz eingeführt wird und in Echtzeit Bilder vom Herzen und den anliegenden Gefäßen liefert. Weil während der OP auch die Atemmuskulatur der Patientinnen und Patientinnen stillgelegt wird, ist ein Beatmungsgerät nötig.
Viele Herzoperationen können endoskopisch, also mit stabförmigen Instrumenten durchgeführt werden, ohne dass dafür der Brustkorb vollständig geöffnet werden muss. Dank dieser schonenden „Schlüsselloch-Chirurgie“ können die Patientinnen und Patienten oft schneller das Krankenhaus wieder verlassen.
Generell sind das Alter, der körperliche Zustand sowie anatomische Besonderheiten der Patientinnen und Patienten Faktoren, die bei jeder Herz-OP berücksichtigt werden müssen. „Herzoperationen bei Neugeborenen sind eine äußerst filigrane Angelegenheit. Das Herz ist sehr klein, die Gefäßverhältnisse sind anders als bei Erwachsenen. Die Chirurgin oder der Chirurg muss entsprechende Techniken beherrschen und auch das Anschließen einer Herz-Lungen-Maschine ist komplizierter“, sagt Prof. Falk. „Bei Säuglingen oder Kleinkindern werden in der Regel angeborene Herzfehler korrigiert. Das sind sehr komplexe anatomische Veränderungen, die ein erhebliches Spezialwissen erfordern.“ Am anderen Spektrum des Lebensalters warten ebenfalls besondere Herausforderungen auf das OP-Team: „Bei betagten Patientinnen und Patienten liegen oft bereits eine fortgeschrittene Herzschwäche, Arteriosklerose sowie Erkrankungen anderer Organe vor.“ Um jeder Zielgruppe gerecht zu werden und eine hohe Zahl an möglichst sicheren Eingriffen anbieten zu können, spezialisieren sich Herzchirurginnen und -chirurgen in der Regel auf Untergebiete der Herzchirurgie. Wer etwa nur Herzfehler bei Säuglingen behebt, kann dies routinierter, schneller und sicherer tun. „Keine Chirurgin, kein Chirurg kann sämtliche Operationen optimal durchführen. Eine gewisse Spezialisierung ist somit notwendig“, sagt Prof. Falk.
Ob das Herz stillgelegt und an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen werden muss, hängt vor allem davon ab, in welchen Bereichen des Herzens und seiner Gefäße die Chirurgin oder der Chirurg arbeitet. „Bypass-Operationen, also Umleitungen an den Herzkranzgefäßen, können wir oft auch am schlagenden Herzen vornehmen. Bei Eingriffen an den Klappen der rechten Herzseite müssen wir zwar die Herz-Lungen-Maschine anschließen, aber das Herz kann weiterschlagen“, sagt Professor Falk. „Wenn wir allerdings die linke Seite des Herzens eröffnen, müssen wir meist sowohl eine Herz-Lungen-Maschine anschließen als auch das Herz stilllegen.“
Vor, während und auch noch nach einer Herzoperation müssen Patientinnen und Patienten engmaschig betreut werden. Nur so kann ein möglichst hohes Maß an Sicherheit gewährleistet werden. Für Prof. Falk steht und fällt alles mit der Vorbereitung: „Für mich ist entscheidend, völlige Klarheit über eventuelle Begleiterkrankungen zu haben, die den Verlauf beeinträchtigen könnten. Wenn jemand etwa einen insulinpflichtigen Diabetes hat, ist es essenziell, während und nach der Operation den Blutzuckerspiegel gut einzustellen“, erklärt Prof. Falk. „Hat die Patientin oder der Patient bereits eine schwere Herzschwäche, müssen wir etwa den Übergang von der Herz-Lungen-Maschine zum körpereigenen Kreislauf optimal orchestrieren. Das sind kritische Momente, in denen das Team perfekt zusammenarbeiten muss“, so der Herzchirurg.
Herzoperationen unterscheiden sich hinsichtlich ihres zeitlichen Aufwands und des benötigten medizinischen Knowhows zum Teil sehr stark voneinander. Die Spanne reicht von kürzeren Routineeingriffen bis hin zu mehrstündigen, höchst komplexen Operationen. „Normalerweise macht ein Operateur zwei Eingriffe pro Tag, wenn es sich um ‚Routineeingriffe‘ wie anderthalbstündige, minimalinvasive Bypass-Operationen handelt. Komplexere Operationen wie etwa bei einer Infektion einer künstlichen Herzklappe können jedoch sechs Stunden oder auch noch länger lang dauern. Dann führt die Chirurgin oder der Chirurg an dem Tag natürlich nur diese eine Operation durch“, schildert Prof. Falk.
Die Medizin macht ständig Fortschritte: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwerfen schonendere Operationsmethoden, wirksamere Medikamente und aufschlussreichere diagnostische Untersuchungen. Auch in der Herzchirurgie können einzelne Erfindungen den Operationsalltag komplett verändern: „Eine der größten Innovationen der Herzmedizin in den letzten 20 Jahren war die kathetergestützte Klappenintervention. Sie kommt etwa bei einer Mitral- oder Aortenklappenstenose zum Einsatz“, sagt Prof. Falk. So können Herzklappen ersetzt oder repariert werden, ohne den Brustkorb eröffnen zu müssen. Bahnbrechende Errungenschaften wie diese erleichtern Chirurginnen und Chirurgen die Arbeit – und retten unzähligen Patientinnen und Patienten das Leben.