Vorhofohrverschluss: Die Alternative zu Blutverdünnern

Wer an Vorhofflimmern leidet, der lebt immer auch mit einem erhöhten Risiko von Schlaganfällen. Üblicherweise werden dagegen Blutverdünner verabreicht. Diese kommen allerdings für viele Patienten nicht in Frage. In diesen Fällen kann ein Vorhofohrverschluss die Lösung sein.

Von Benjamin Müller

 

05.06.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Adobe Stock / coolnina

Was ist ein Vorhofohrverschluss?

In Deutschland leben zwischen 1,5 und zwei Millionen Menschen, die an Vorhofflimmern leiden. Für sie alle gilt: Vorhofflimmern steigert das Risiko eines Schlaganfalls deutlich. Etwa jeder fünfte Schlaganfall in der Bundesrepublik lässt sich auf diese Herzrhythmusstörung zurückführen.

 

Grund dafür ist der insbesondere im linken Vorhof des Herzens verlangsamte Blutstrom. Dieser führt dazu, dass sich in einer als „Herzohr“ bezeichneten Ausstülpung in der Wand des linken Vorhofs leichter Blutgerinnsel bilden können. Löst sich ein solches Gerinnsel, besteht die Möglichkeit, dass es in den Blutstrom gelangt, eine Hirnarterie verstopft und einen Schlaganfall verursacht.

 

Um dem bei Vorhofflimmern erhöhten Schlaganfallrisiko entgegenzuwirken, gibt es eine Reihe von Behandlungsmöglichkeiten. Dazu zählt die Gabe von blutverdünnenden Medikamenten (orale Antikoagulation) genauso wie das chirurgische Abnähen oder Entfernen des Herzohrs.

 

Eine der gängigsten Behandlungsmethoden ist der kathetergestützte Vorhofohrverschluss, bei dem ein Verschlussimplantant in das Vorhofohr eingebracht und verankert wird, um es dauerhaft zu verschließen. Die Vorteile dieses Verfahrens kennt Prof. Dr. Heyder Omran, Chefarzt der Kardiologie der GFO Kliniken Bonn: „Nach einem Vorhofohrverschluss reduziert sich das jährliche Blutungsrisiko um bis zu 70 Prozent. Aufwendige Laborkontrollen entfallen und bei operativen Eingriffen muss keine Rücksicht auf blutverdünnende Medikamente genommen werden.“

 

Für welche Patienten kommt ein Vorhofohrverschluss in Frage?

Ein Vorhofohrverschluss ist für all jene Patienten eine Option, bei denen eine medikamentöse Behandlung mit Blutverdünnern zu schwerwiegenden Komplikationen führt. Diese Komplikationen nehmen in den meisten Fällen die Form von Magen- oder Darmblutungen an.

 

„Grundsätzlich können alle blutverdünnenden Medikamente auch Blutungen verursachen.“, so Dr. Omran, „Bei einigen Patienten ist das Risiko aufgrund begleitender Erkrankungen, wie etwa einer chronischen Magenschleimhautentzündung oder erniedrigten Blutplättchenmenge im Blut erhöht.

 

Auch andere, notwendige Medikamente können das Risiko für Blutungen steigern: „Besonders gilt dies für Kortikosteroide oder bestimmte entzündungshemmende Schmerzmittel. Gelegentlich bestehen auch Allergien gegen blutverdünnende Medikamente.“

 

Bei einem chirurgischen Abnähen oder Entfernen des linken Herzohrs handelt es sich um einen sehr invasiven Eingriff. Dieser wird in der Regel nur durchgeführt, wenn eine Herz-Operation aus anderen Gründen (z. B. Herzklappen-Ersatz) zwingend notwendig ist. Der kathetergestützte Vorhofohrverschluss ist weniger invasiv und bietet Patienten eine nebenwirkungsarme Alternative zur medikamentösen Behandlung.

 

Wie wird ein Vorhofohrverschluss durchgeführt?

 

„Aufwendige Voruntersuchungen sind in der Regel nicht notwendig. Es werden Blutuntersuchungen vorgenommen und eine Bildgebund des Vorhofohres ist notwendig. Dies kann entweder durch eine CT-Untersuchung des Herzens oder mit Hilfe einer Herzultraschalluntersuchung von der Speiseröhre erfolgen“, erklärt Dr. Omran.

 

Ist das Vorhofohr frei von Gerinnseln, wird ein Herzkatheter verwendet, um ein Vorhofohrverschluss-System („Okkluder“) über die Leistenvene in den rechten Herzvorhof einzuführen. Anschließend werden über eine Punktion der Vorhof-Scheidewand der linke Herzvorhof und das Vorhofohr erreicht. Mittels Röntgen und Ultraschall wird das Vorhofohr ausgemessen und die optimale Größe des Okkluders bestimmt. Dieser wird dann über den Katheter ins Vorhofohr eingebracht und fest verankert, wo er das Vorhofohr vollständig verschließt.

 

Treten keine Komplikationen auf, sollte der Okkluder lebenslang im Körper verbleiben und innerhalb von drei Monaten komplett einwachsen. Dadurch können sich im Vorhofohr keine Blutgerinnsel mehr bilden, was das Schlaganfallrisiko wie bei der medikamentösen Behandlung verringert.

 

Der Katheter wird nach dem Eingriff zurückgezogen und die Einstichstelle mit einer Naht und einem Druckverband verschlossen. Der Eingriff geschieht unter lokaler Narkose der Leistengegend.

 

Kann es beim Vorhofohrverschluss zu Komplikationen kommen?

 

Wie bei jedem Eingriff in den Körper, insbesondere bei Eingriffen am Herzen, lassen sich Komplikationen auch bei einem Vorhofohrverschluss nicht vollständig ausschließen. So ist durch die Einführung des Herzkatheters sowie die Punktion der Vorhof-Scheidewand eine Verletzung des Herzens mit Einblutung in den Herzbeutel (Perikardtamponade) möglich.

 

Auch Blutungskomplikationen in der Leistengegend können auftreten, ebenso wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall während des Eingriffs. Darüber hinaus kann der Okkluder nach dem Eingriff verrutschen oder sich ganz lösen. Beim Einführen der Ultraschallsonde in die Speiseröhre kann es zu Verletzungen an Zähnen, Rachen und Speiseröhre kommen.

 

„Mittlerweile liegt das Risiko relevanter Komplikationen in geübter Hand nur noch bei etwa zwei bis drei Prozent“, erklärt Prof. Dr. Omran. Vor diesem Hintergrund ist der Vorhofohrverschluss per Herzkatheter also ein sehr risikoarmer Eingriff.

 

Zum Experten

Prof. Dr. Heyder Omran

Prof. Dr. Heyder Omran, Chefarzt der Kardiologie der GFO Kliniken Bonn. Bildquelle: privat

Dr. Heyder Omran. Bildquelle: privat

Das ist nach einem Vorhofohrverschluss zu beachten

 

Im Regelfall ist mit einem Krankenhausaufenthalt von drei bis vier Tagen zu rechnen. Danach sollte die Punktionsstelle für etwa eine Woche geschont werden. Von schwerem Heben oder zu starkem Pressen beim Stuhlgang ist in dieser Zeit abzuraten. Bei zunehmender Schwellung oder anhaltenden Schmerzen in der Leistengegend sollte ein Arzt aufgesucht werden.

 

Wurden vor dem Eingriff Blutverdünner eingenommen, werden diese in den meisten Fällen abgesetzt. Dafür werden für begrenzte Zeit Acetylsalicylsäure („ASS“) und Clopidogrel verschrieben, um das Schlaganfallrisiko weiter zu senken. Bis der Okkluder vollständig eingeheilt ist, sollte bei Eingriffen, die Bakterien ins Blut schwemmen können, ein Antibiotikum eingenommen werden.

 

„Nach einem Vorhofohrverschluss ist ein unbeschwertes Leben möglich.“, so Dr. Omran, „Nach einer kurzen Karenz von circa einer Woche kann man wieder Sport treiben und sich belasten. Da die Blutungsgefahr sinkt, können auch wieder Aktivitäten aufgenommen werden, die unter einem Blutverdünner nur beschränkt möglich sind.“

 

Der Sitz des Okkluders und eine mögliche Gerinnselbildung auf ihm sollten nach etwa sechs Wochen sowie nach sechs Monaten mittels Schluckultraschall kontrolliert werden.

 

Diese Seite teilen