Stabhochspringerin Katharina Bauer: Profisport mit implantiertem Defibrillator

„Ich bin schon oft an meine Grenzen gekommen“, sagt Katharina Bauer. Als Kind wurde bei ihr ein Herzfehler diagnostiziert. Trotzdem schaffte sie es als Stabhochspringerin an die Weltspitze – mit einem implantierten Defibrillator. Katharina Bauer hat gelernt, auf ihren Körper zu hören und niemals den Mut zu verlieren.

Von Kerstin Kropac

 

30.11.2023

 

Bildquelle (Bild oben): privat

Katharina Bauer ist ein sportliches Ausnahmetalent. Mit vier Jahren fing sie mit Kunstturnen an. Drei Jahre später wurde sie in den Nationalkader aufgenommen. Die Freude war riesig. Doch bei einer sportmedizinischen Untersuchung stellten die Ärzte fest: Katharinas Herz macht Extraschläge. Bis zu 500 zusätzliche Schläge innerhalb von 24 Stunden gelten als normal, bei Katharina sind es bis zu 6.000 – noch nicht gefährlich. Dennoch war fortan eine stetige Überwachung nötig. „Trotzdem haben mich meine Eltern nicht gebremst, sondern mich ganz normal behandelt“, erzählt die Profisportlerin.

Katharina Bauer läuft zum Stabhochsprung an. Katharina Bauer hat trotz ihres implantierten Defis weiter Sport getrieben. Bildquelle: privat

Katharina Bauer musste regelmäßig ihr Herz checken lassen

Katharina musste früh lernen, auf ihren Körper zu hören. Sie brauchte zum Beispiel mehr Schlaf als ihre Mannschaftskolleginnen. Mehr Ruhe. Häufigere Pausen. Und sie musste regelmäßig zum Kardiologen. „Aber das alles konnte ich für mich gut annehmen“, sagt die Leverkusenerin. Als sie fürs Turnen zu groß wurde – sie ist heute fast 1,80 m – wechselte sie zur Leichtathletik, wurde Stabhochspringerin. „Ich war groß und stark, eine Turnerin, das lag mir. Ich wurde schnell sehr gut.“ Doch dann – im Abi – bekam sie plötzlich Herzrasen, ihr wurde schwindelig. „Ich hatte das Gefühl, gleich in Ohnmacht zu fallen“, erzählt sie. Die Ärzte rieten zu einem Eingriff per Herzkatheter. Dabei sollten die Stellen des Herzens verödet werden, deren falsche Impulse für die Herzrhythmusstörungen verantwortlich waren. Doch leider wurden die Punkte nicht gefunden, die diese Extraschläge auslösten.

 

„Ich hatte immer großes Vertrauen in meine Gesundheit. Dass ich heile. Dass alles gut wird“, sagt Katharina Bauer. Deshalb war sie auch voller Zuversicht, als sie sich bei der Bundeswehr als Sportsoldatin bewarb. Doch beim Check zeigte sich: Es waren mittlerweile bis zu 18.000 Extraschläge in 24 Stunden. „Wir haben dann drei EKGs gemacht, weil ich es nicht glauben konnte“, sagt die Leichtathletin. 2017 wurden die kritischen Stellen am Herzen erneut verödet: So konnten die Extraschläge auf 3.000 reduziert werden. „Das fühlte sich gut an. Plötzlich brauchte ich nicht mehr so viele Pausen, konnte intensiver trainieren“, sagt Katharina Bauer. Doch schon ein Jahr später stieg die Anzahl der Extraschläge wieder auf 15.000.

 

Plötzlich soll ein implantierter Defibrillator ihren Herzrhythmus kontrollieren

Die Ärzte veranlassten ein Langzeit-EKG, das die Herzfrequenz der Sportlerin rund um die Uhr aufzeichnete – also auch während des Trainings. „Mitten im Sprung bekam ich dann wieder dieses flaue Gefühl“, sagt Katharina Bauer. „Ich habe mich gefreut: Jetzt haben wir das endlich mal aufgezeichnet!“ Doch die Diagnose, die daraus folgte, war ein Schock: Die neuen Extraschläge können ein Kammerflimmern auslösen und zum plötzlichen Herztod führen. Die Ärzte sagten: Egal, ob Katharina weiter Sport machen möchte oder nicht – wenn sie nicht ihr Leben riskieren wolle, brauche sie schnellstmöglich einen implantierten Defibrillator, der den Herzrhythmus kontrolliert. Würde das Herz bedrohlich schnell schlagen, würde der Defi einen lebensrettenden elektrischen Schock abgeben und so einen Herzstillstand vermeiden. „Allen war klar, dass dieser Eingriff mein Karriereende bedeuten würde“, erzählt Katharina Bauer. „Weil es das noch nicht gab: eine Stabhochspringerin mit eingebautem Defi.“

 

Katharina Bauer steht lachend vor einem Raps-Feld. Katharina Bauer lebt mit einem implantierten Defibrillator. Bildquelle: privat

Drei Wochen nach der Implantation des Defis trieb Katharina Bauer wieder Sport

Viele Studien zeigen: Herzkrankheiten sind eine große Belastung für die Psyche. „Auf einmal fing bei mir das Kopfkino an“, erzählt Katharina Bauer. „Ich war topfit, kam gerade aus dem Trainingslager. Aber ich habe mich gefühlt wie eine alte Oma.“ Ständig spürte Katharina Bauer ihr Herz. Sie fühlte sich vollkommen erschöpft. „Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, was die Psyche ausmacht“, sagt sie. „Ich habe immer nur gedacht: Lass mich die Tage bis zum Eingriff überleben!“ Ihre Mutter kam zu Besuch, eine Mentaltrainerin. Sie half Katharina, wieder Mut zu fassen. Zuversichtlich zu sein. „Nach einem wundervollen letzten defifreien Tag mit meiner Mutter war ich dann bereit, die Herausforderung anzunehmen“, sagt Katharina Bauer. „Ich dachte: Ich werde es schon schaffen!“

 

Katharina Bauers Ziel: die Europameisterschaften in Berlin, nur wenige Monate nach dem Eingriff. Die Ärzte hielten das für utopisch. Sie glaubten: Mit Defi geht kein Stabhochsprung! „Aber das wollte ich selbst herausfinden“, sagt Katharina Bauer. „Hätte es nicht geklappt, wäre es okay gewesen. Aber ich wollte es zumindest probieren! Schließlich konnte der Defi überall losgehen: auf dem Sofa, am Strand. Ich dachte: Ich vertraue jetzt mal mir, meinem Körper und meinem Leben.“ Drei Wochen nach dem Eingriff ging sie wieder joggen. Sechs Wochen später ist ihr erster Wettkampf. Nach einem halben Jahr gelangte sie ganz knapp an ihre Bestleistung und übersprang 4,55 m – mit Defi.

 

Was hilft, einen implantierten Defibrillator annehmen zu können?

Am Anfang fürchtete Katharina Bauer, der Defi könnte sie einschränken. Sie war verunsichert. „Inzwischen bin ich vor allem dankbar für meinen neuen Beschützer“, sagt sie. „Ich habe die Situation akzeptiert, in der ich mich befinde. Sie lässt sich eh nicht ändern. Deshalb versuche ich, all meine Gedanken und Gefühle dahin zu lenken, meinen neuen Lebensweg mit vollem Optimismus zu bestreiten. Dafür stelle ich mir den Ort, wo der Defi Platz gefunden hat, genau vor und schicke so viel Liebe und Dankbarkeit wie möglich dorthin.“

 

Einmal hat der Defibrillator ausgelöst. Drei Monate nach der Implantation. Katharina hatte gerade eine Strombehandlung beim Physiotherapeuten. „Das hat richtig wehgetan! Man soll das ja nicht bewusst mitbekommen“, erzählt sie. „Aber bei mir war das in der Ruhe. Ich lag auf der Bank – und auf einmal war es, als ob mir ein Pferd in die Brust treten würde. Ich flog durch die Luft und bin auf den Füßen gelandet.“ Zum ersten Mal bekam Katharina Angst vor dem Gerät in ihrem Körper. „Ich dachte: Was ist das für ein Monster in mir? Das ist doch gefährlich. Was hat der für eine Wucht!“ Sie brauchte eine Weile, um zu verstehen: „Sei dankbar, dass er es erkannt hat. Er wollte mir nur das Leben retten.“

 

Was macht Katharina Bauer heute?

Bis zum Sommer 2023 blieb Katharina Bauer professionelle Stabhochspringerin – dann beendete sie ihre Karriere. Zwar aus eigenem Antrieb, dennoch war es ein schwieriger Schritt. „Ich bin dankbar für jeden erfolgreichen Sprung, den ich machen durfte. Für das Gefühl, dass man den Sprung richtig erwischt hat, dass man im Flow ist und weiß: Man ist über die Latte … Es gibt nichts Schöneres.“ Gerade trainiert sie noch langsam ab, dann möchte sie sich neuen Aufgaben widmen: Yoga-Retreats anbieten, weil sie merkt, wie gut ihr Yoga tut. Sie möchte als Rednerin davon erzählen, wie man es schafft, trotz Tiefschlägen optimistisch zu bleiben. Und sie möchte Menschen mit Herzproblemen Mut machen, ihr Leben – trotz der Krankheit – möglichst unbeschwert zu genießen. „Im Moment geht es mir gut“, sagt sie. „Ich versuche, jeden Tag das Beste für mich herauszuholen. Voller Liebe und Dankbarkeit für mein Herz – und das Gerät, das es schützt.“

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