Woher kommt Herzrasen – und wann wird es gefährlich?

Beim Sport oder auch beim Treppensteigen schlägt das Herz schneller. Das ist wichtig, damit die Muskeln bei Belastung besser mit Blut versorgt werden. Was aber, wenn das Herz auch in Ruhe rast? Obwohl viele Herzrhythmusstörungen gutartig sind, könnte das Herzrasen (Tachykardie) auf eine gefährliche Herzerkrankung hindeuten.

Von Kerstin Kropac

 

30.05.2023


Bildquelle (Bild oben): iStock / DjelicS

Was ist Herzrasen?

Im Ruhezustand schlägt ein gesundes Herz etwa 60- bis 80mal in der Minute. „Von einem Herzrasen spricht man, wenn die Herzfrequenz plötzlich auf über 100 Schläge pro Minute ansteigt“, erklärt Dr. Anja Schade, Chefärztin für Rhythmologie und invasive Elektrophysiologie am Helios Klinikum Erfurt. „Und das in Ruhe, also ohne körperliche Belastung, Angst oder Aufregung.“

Wodurch entsteht Herzrasen?

Der Sinusknoten ist der natürliche Taktgeber des Herzens. Das heißt: Seine Zellen geben elektrische Impulse ab, die nach Weiterleitung über Reizleiter und Herzmuskelzellen dafür sorgen, dass das Herz sich regelmäßig zusammenzieht. „Beim Herzrasen ist diese geordnete Erregungsbildung und -leitung gestört“, sagt die Kardiologin. „Entweder können andere Zellen im Herzmuskel die Impulsgebung übernehmen oder kreisende Erregungen im Herzmuskel entstehen.“

Welche Ursachen kann Herzrasen haben?

Ein Herzrasen kann verschiedene Ursachen haben – zum Beispiel angeborene zusätzliche Leitungswege oder Vernarbungen im Herzgewebe. Schneller Herzschlag kann aber auch durch eine beschleunigte Impulsabgabe im Sinusknoten entstehen, die wiederum eine Folge von körperlichen oder psychischen Belastungen ist. „Herzrasen kann eine eigenständige Erkrankung sein, manchmal ist es aber auch nur ein Symptom anderer körperlicher Leiden“, sagt Dr. Schade.

Wie stellt man die Ursache des Herzrasens fest?

„Das wichtigste Mittel zur Abklärung ist ein EKG während des Herzrasens“, sagt Dr. Schade. „In mehr als 90 Prozent der Fälle bekommen wir einen sehr genauen Eindruck, was die Ursache des Herzrasens ist, wenn es uns gelingt, während des beschleunigten Herzschlags ein EKG abzuleiten“, erklärt die Kardiologin. Leider ist das für alle Beteiligten häufig eine große Herausforderung: Hat die Patientin oder der Patient nur zweimal im Jahr Herzrasen, ist es schwierig, genau in diesem Moment an ein EKG zu kommen.

„Häufig ist auch ein Langzeit-EKG, das 24 Stunden läuft, nicht ausreichend, um ein Herzrasen aufzuzeichnen“, sagt Dr. Schade. „Dann geben wir unseren Patientinnen und Patienten EKG-Aufzeichnungsgeräte mit, die sie mehrere Wochen in der Hosen- oder Handtasche bei sich tragen und beim Auftreten eines Herzrasens selbst benutzen können.“ Gut geeignet für die Diagnose bei Herzrasen sind auch einige Smartwatches, die ein EKG speichern können. Tritt das Herzrasen nur für Sekunden auf oder führt es sogar zu Ohnmachtsanfällen, ist den Betroffenen ein Selbstaufzeichnen manchmal nicht möglich. In diesen seltenen Fällen gibt es die Möglichkeit, einen sogenannten implantierbaren Loop-Rekorder unter die Haut zu setzen, der kontinuierlich den Herzrhythmus aufzeichnet.

Welche Untersuchungen können außerdem bei der Diagnosestellung helfen?

„Regelmäßig führen wir ein Ruhe-EKG und eine Ultraschall-Untersuchung durch, um zu sehen, ob eine Grunderkrankung vorliegt, ob das Herz also in irgendeiner Weise vorgeschädigt ist“, erklärt Dr. Schade. „Manchmal finden wir Hinweise auf eine Herzklappenerkrankung, die verantwortlich ist für die Entwicklung der Rhythmusstörungen.“ Die Ärztinnen und Ärzte können so außerdem feststellen, ob bei dem Betroffenen eine Herzinfarktnarbe oder Herzmuskelerkrankung vorliegt, die bösartige Herzrhythmusstörungen verursachen könnte.

Dr. Anja Schade, Chefärztin für Rhythmologie und invasive Elektrophysiologie am Helios Klinikum Erfurt. Dr. Anja Schade, Chefärztin für Rhythmologie und invasive Elektrophysiologie am Helios Klinikum Erfurt. Bildquelle: Helios Klinikum Erfurt/ Schmidt

Wie können Patientinnen und Patienten zur Diagnosestellung beitragen?

„Zur Basis der Abklärung gehört immer auch eine genaue Befragung der Patientin oder des Patienten nach Art, Häufigkeit, Dauer, Begleitsymptomen und Vorerkrankungen“, sagt die Kardiologin. „Sind sowohl Beginn als auch Ende der Herzrhythmusstörung plötzlich und nicht schleichend, hilft uns das, echte Herzrhythmusstörungen von sogenannten Sinustachykardien zu unterscheiden“, erklärt die Kardiologin.

Was ist eine Sinustachykardie?

Grundsätzlich bedeutet Sinustachykardie: Der Sinusknoten gibt schneller Impulse ab, als es normal ist. „Das kann eine physiologische Ursache haben, also eine normale Reaktion des Körpers auf eine Belastung sein“, erklärt Dr. Schade. „Es kann aber auch eine pathophysiologische Ursache haben: Wenn der Sinusknoten beispielsweise auf Blutverlust oder eine Herzschwäche reagiert und versucht, durch ein schnelleres Pumpen, den drohenden Sauerstoffmangel auszugleichen.“ Auch viele körperliche Erkrankungen können Sinustachykardien verursachen – zum Beispiel eine Schilddrüsenüberfunktion. Andere Ursachen sind psychische Belastungen, Fehlregulationen nach Virusinfekten, Nebenwirkungen von Medikamenten oder Genussmittel wie Koffein.

Wie unterscheiden sich die Symptome von Sinustachykardien von denen echter Herzrhythmusstörungen?

„Bei Sinustachykardien steigt die Pulsfrequenz langsam an und geht langsam wieder runter. Bei echten Rhythmusstörungen können die Betroffenen einen plötzlichen Frequenzabfall haben – zum Beispiel von 180 auf 80 Schläge pro Minute.“ Symptome wie ein ‚Klopfen im Hals‘ oder ein stolpriger, schneller Herzschlag helfen, mögliche Diagnosen weiter einzugrenzen.

Was ist die häufigste Art von Rhythmusstörungen?

Die häufigste Rhythmusstörung ist das Vorhofflimmern. „Dabei entstehen außerhalb des Sinusknotens zusätzliche elektrische Impulse, die eine ungeordnete elektrische Aktivität in den Herzvorhöfen auslösen“, erklärt Dr. Schade. „Diese Erregung wird meist unregelmäßig und hochfrequent auf die Kammern weitergeleitet. Die Betroffenen bemerken häufig einen schnellen und unregelmäßigen Herzschlag, manchmal auch nur eine Leistungsschwäche.“ Das betrifft vor allem Menschen im mittleren und höheren Alter, besonders bei zusätzlichen Risikofaktoren wie einem erhöhten Blutdruck. Auch Patientinnen und Patienten mit Herzklappenerkrankungen oder einer koronaren Herzkrankheit können Vorhofflimmern entwickeln.

Kann Herzrasen auch psychisch bedingt sein?

Insbesondere Sinustachykardien können auch psychische Ursachen haben. So steigt zum Beispiel bei einer Panikattacke die Herzfrequenz deutlich an. „Aber auch bei echten Herzrhythmusstörungen sehen wir in Stressphasen manchmal eine höhere Anfallsfrequenz“, sagt Dr. Schade. Gleichzeitig ist aber auch die Wahrnehmung von Rhythmusstörungen von der Psyche abhängig. „Es gibt Betroffene, die haben 30.000 Extraschläge in 24 Stunden – und bemerken diese nicht. Andere haben vier und können genau sagen, wann die aufgetreten sind “, sagt Dr. Schade. „Verständlicherweise verursachen Herzstolpern und Herzrasen Angst. Diese kann die Wahrnehmung und Häufigkeit von Herzrhythmusstörungen noch verstärken.“ Um das Wechselspiel zu durchbrechen, sind eine gute Aufklärung, die ursächliche Behandlung der Herzrhythmusstörung und manchmal auch eine Mitbehandlung der psychischen Belastungen erforderlich.

Wie behandelt man Herzrhythmusstörungen?

Herzrhythmusstörungen lassen sich meist gut behandeln – zum Beispiel mit Medikamenten oder einer Katheterablation. In den meisten Fällen ist die Ablation die effektivste Methode, um Herzrhythmusstörungen zu unterdrücken. Dabei werden über die Leistenvenen Katheter eingeführt, mit denen im Herzen der Ursprung der Herzrhythmusstörung genau lokalisiert und mittels Hochfrequenzstrom- oder Kälteabgabe verödet werden kann. „Vorhofflimmern ist zwar nicht unmittelbar lebensbedrohlich, erhöht aber das Risiko, eine Herzschwäche oder einen schweren Schlaganfall zu erleiden, die dann lebensbedrohlich werden können“, sagt die Kardiologin. „Deshalb ist beim Vorhofflimmern zusätzlich zur Rhythmusstabilisierung in den meisten Fällen eine Behandlung mit Blutverdünnern sinnvoll.“

Gibt es einen Geheimtipp, um ein Herzrasen zu beenden?

Manche Arten von Herzrasen kann man durch das Trinken von eiskaltem Wasser oder ein Valsalva-Manöver (kräftiger Ausatemversuch bei Zuhalten von Nase und geschlossenem Mund) beenden. „Das sind Manöver, die den Parasympathikus, den beruhigenden Teil des vegetativen Nervensystems, stärken “, erklärt die Kardiologin. „Auch wenn diese Manöver nicht immer helfen – einen Versuch sind sie wert.“

Wann sollte man bei Herzrasen den Notruf wählen?

„Die meisten Herzrhythmusstörungen sind nicht gefährlich“, sagt Dr. Schade. „Trotzdem sollten Anfälle von Herzrasen, die ohne äußere Anlässe auftreten, ärztlich abgeklärt werden!“ Besondere Warnsignale, die auf lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen hinweisen können, sind Ohnmachtsanfälle oder starker Schwindel im Zusammenhang mit Herzrasen. „Treten diese Symptome auf, sollte eine unmittelbare weitere Abklärung erfolgen“, sagt Dr. Schade. „Im Falle von begleitender starker Luftnot, Brustschmerz oder Blutdruckabfall sollte man umgehend den Notruf wählen.“

Mögliche Ursachen von Herzrasen außerhalb des Herzens

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