Wie gelingt es, in einer Notfallsituation nicht in Panik zu geraten?
Gerade in einer Notsituation ist es wichtig, Ruhe zu bewahren. „Ich sammle mich kurz, indem ich einmal tief durchatme und genau überlege, was ich nun machen muss“, sagt Dr. Kellner. Auch medizinischen Laien empfiehlt sie, sich diesen Moment zu nehmen – und sich den Leitspruch ins Gedächtnis zu rufen: Prüfen, rufen, drücken. Nachdem man also geprüft hat, ob der Bewusstlose atmet, ruft man den Notruf 112. „Am besten schaltet man den Lautsprecher auf laut und beginnt dann mit der Reanimation“, sagt die Medizinerin. „Die Leitstellen sind geschult und unterstützen in einer solchen Situation.“
Wie schnell sollte die Reanimation beginnen?
Unmittelbar nach einem Herzstillstand zirkuliert noch ausreichend Sauerstoff im Körper – erst nach zwei bis drei Minuten drohen Hirnschäden. „Diese Zeit ist selbstverständlich ein Mittelwert“, erklärt Maike Kellner. „Der junge, sportlich-dynamische Mann, der regelmäßig im Fitnessstudio trainiert, übersteht vielleicht sogar fünf Minuten ohne Schäden, die ältere Dame, die keine Reserven hat, eventuell nur zwei.“ Deshalb bleibt zwar genug Zeit, einmal kurz durchzuatmen und den Notruf zu wählen. Dann sollte aber umgehend mit der Herzdruckmassage begonnen werden.
Worauf sollte man achten, bevor man mit der Reanimation beginnt?
Grundsätzlich gilt: Bei einer Herzdruckmassage sollte die Person auf dem Rücken und auf einem harten Untergrund liegen. „Befindet man sich aber zum Beispiel irgendwo in der Natur, ist die Frage: Wie weit ist die Person von einem harten Untergrund entfernt? Im Zweifel sollte man sie nicht durch den Wald ziehen, sondern lieber sofort mit der Reanimation beginnen“, sagt Dr. Kellner. Idealerweise legt man dafür die Brust frei. „Vor allem, wenn die Person eine dicke Winterjacke trägt. Bei einem dünnen T-Shirt ist das nicht unbedingt nötig.“ Und dann gilt: Hände aufeinanderlegen und in der Mitte des Brustkorbs circa 5 Zentimeter tief drücken, etwa 100- bis 120-mal pro Minute. Das entspricht beispielsweise dem Rhythmus des Liedes „Stayin´ alive“ von den Bee Gees. „Wichtig ist, dass man das Herz komprimiert und dann wieder entlastet, damit es sich wieder mit Blut füllen kann“, sagt die Kardiologin. „Beatmen sollen Laien nicht mehr. Man weiß, dass man durch das Drücken den im Körper vorhandenen Sauerstoff gut verteilen kann.“
Warum sollte man sich bei einer Herzdruckmassage mit jemandem abwechseln?
Ganz egal, wie sehr man sich anstrengt – Studien zeigen: Nach etwa zwei Minuten Herzdruckmassage lässt die Effektivität nach. „Eine Reanimation ist körperlich extrem anstrengend. Man braucht Kraft, um den Thorax zu komprimieren“, sagt Dr. Kellner. „Deshalb wechseln wir uns in der Klinik nach zwei Minuten ab.“ Allerdings spricht man in der Klinik von Zyklen – ein Zyklus besteht aus 30 Herzkompressionen und zwei Beatmungen. Das entspricht ungefähr zwei Minuten. „Im Flieger habe ich den Steward gebeten, noch ein zweites Mal auszurufen, ob weiteres medizinisches Personal an Bord ist“, erzählt die Kardiologin. „Tatsächlich meldete sich daraufhin eine Ärztin, die dann mitgeholfen hat – so waren wir wenigstens zu zweit.“
Wie finde ich im Notfall Unterstützung, wenn kein medizinisches Personal in der Nähe ist?
„Einmal kam ich durch Zufall zu einem schweren Unfall dazu“, erzählt Dr. Kellner. „Da standen bestimmt 20 Menschen um den Verletzten herum. Ich fragte: 'Ist der Rettungsdienst alarmiert?' Alle versicherten: 'Ja, ja, der ist informiert.' Als keiner kam, fragte ich noch einmal genauer, wer den Notruf getätigt hat.“ Dabei stellte sich heraus: Keiner hatte die 112 gewählt. In Notsituationen ist eine eindeutige Kommunikation wichtig. „Man muss fragen: 'Wer hat den Rettungsdienst gerufen?' Und ist der nicht informiert, sollte man Umstehende direkt ansprechen: 'Die Dame in der blauen Jacke, wählen Sie bitte den Notruf.' Meine Erfahrung ist: Wenn einer die Führung übernimmt, verlieren die anderen ihre Angst“, sagt die Kardiologin.
Was kann man bei der Reanimation falsch machen?
Viele Menschen haben Angst, Sie könnten zu fest drücken und womöglich Rippen brechen. „Das kann passieren. Dann ist zwar eine Rippe gebrochen – aber der Mensch ist am Leben“, sagt Dr. Kellner. „Ein Spruch hat mich schon durch mein ganzes Medizinstudium und mein Berufsleben begleitet, er lautet: ‚Schlimmer als tot geht nicht.‘ Man kann eine solche Situation nicht verschlimmern.“