Erste Hilfe: So funktioniert eine Herzdruckmassage zur Wiederbelebung

Wenn in Deutschland ein Mensch mit einem plötzlichen Herzstillstand zusammenbricht, wissen viele Menschen nicht, wie sie helfen sollten. Dabei könnte eine Herzdruckmassage die Überlebenschance des Betroffenen erheblich erhöhen.

Von Kerstin Kropac

 

23.05.2023


Bildquelle (Bild oben): iStock / stefanamer

Jedes Jahr sterben in Deutschland etwa 60.000 Menschen nach einem plötzlichen Herzstillstand. Tausende Leben könnten gerettet werden, wenn schneller mit einer Herzdruckmassage begonnen würde. Doch dabei sind die Deutschen leider besonders zurückhaltend. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch hoch, dass jeder mindestens einmal eine Notsituation miterleben wird – meist im eigenen Familienkreis.

Was ist bei einem plötzlichen Herzstillstand zur Wiederbelebung zu tun?

Die wichtigsten und ersten Maßnahmen:

 

  • Sofort einen Notruf absetzen! Die Notärztin oder der Notarzt braucht in Deutschland durchschnittlich sieben Minuten, um vor Ort zu sein.
  • Dann mit der Herzdruckmassage beginnen.

Jedes Jahr erleben über 65.000 Menschen einen plötzlichen Herzstillstand – bei über 60 Prozent passiert das zu Hause. „Leider sehen wir im klinischen Alltag regelmäßig Familien, die mit dieser Situation konfrontiert waren, aber keine Wiederbelebung gestartet haben“, sagt Prof. Christian Jung, Leitender Arzt an der Klinik für Kardiologie und konservative Intensivmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf. „Weil zum Beispiel der 80-Jährige nicht wusste, was er machen sollte, als seine 80-jährige Frau nicht mehr ansprechbar war. Die häufigste Reaktion ist, die Nachbarn zu holen. Die wissen es aber oft auch nicht.“

Wie lässt sich erkennen, ob eine Herzdruckmassage als Erste Hilfe nötig ist?

Eine bewusstlose Person sollte zuerst in eine Rückenlage gebracht werden, um die weiteren Schritte effektiv umsetzen zu können. „Dann sollten Sie schauen: Ist der Patient oder die Patientin wirklich bewusstlos? Atmet er oder sie noch?“, erklärt Prof. Jung. „Die Leitlinien sagen, dass man darauf aber nicht länger als zehn Sekunden verwenden sollte.“ Kann man nach zehn Sekunden nicht sicher sagen kann, ob derjenige atmet, sollte man – nachdem man einen Notruf abgesetzt hat – mit der Thoraxkompression, also mit dem Drücken auf den Brustkorb, beginnen.

Wie wird die Herzdruckmassage zur Wiederbelebung durchgeführt?

Wer eine Herzdruckmassage durchführt, kniet sich am besten neben die Patientin oder den Patienten, legt eine Hand auf das Brustbein, in die Mitte der Brust. Die andere Hand sollte man als Verstärkung auf die erste legen. Dann die Arme durchstrecken und senkrecht nach unten drücken. Es ist wichtig, dass man eine Drucktiefe von fünf bis sechs Zentimetern erreicht – und dann mit den Händen wieder komplett zurückgeht. „Das soll den Kreislauf unterhalten, indem man das Blut aus dem Herz drückt und anschließend die Brust wieder entlastet, damit sich das Herz wieder mit Blut füllen kann, bis man das nächste Mal drückt“, erklärt Prof. Jung.

So führen Sie eine Herzdruckmassage durch.

In welchem Rhythmus sollte bei der Herzdruckmassage gedrückt werden?

Es gibt verschiedene Lieder, die den richtigen Rhythmus für die Herzdruckmassage vorgeben – eines von ihnen: „Stayin‘ Alive“ von den BeeGees. Drückt man im Takt, kommt man auf etwa 100-mal pro Minute. „Im Krankenhaus haben wir Instrumente, die uns zeigen, wie schnell wir drücken müssen“, sagt Prof. Jung. „Aber draußen habe auch ich das Lied im Kopf.“ Der Kardiologe empfiehlt, sich mit anderen bei der Wiederbelebung abzuwechseln. „Das ist sehr anstrengend – und das muss es auch sein. Andernfalls ist die Wiederbelebung nicht effektiv genug“, sagt er.

Wann sollte man einen Defibrillator als Erste Hilfe einsetzen?

„Ist man in einem öffentlichen Raum unterwegs, sollte man jemanden bitten, einen sogenannten AED zu holen, einen automatisierten externen Defibrillator“, sagt Prof Jung. „Ein Restaurantbesitzer zum Beispiel müsste wissen, wo sich der nächste befindet.“ Auch in Einkaufspassagen sollten AEDs hängen. Es kann die Überlebenschance der Patientin oder des Patienten deutlich verbessern, wenn als Erste Hilfe möglichst früh eine Defibrillation durchgeführt wird.

Wie wird ein Defibrillator bei der Ersten Hilfe bedient?

Das Wichtigste am AED ist, dass man keine Angst vor ihm hat. Es gibt einen großen Schalter. Wenn man den betätigt, erklärt eine Stimme genau, was zu tun ist: Man klebt die Elektroden am besten auf die nackte Brust. „Der AED analysiert dann den Herzrhythmus und wird das entsprechend kommentieren“, erklärt Prof. Jung. „Beispielsweise sagt er auch eine Schockabgabe an und bittet die Helfenden, einen Moment zurückzutreten.“ Meist ist es so, dass man diese Schockabgabe noch mit einem Knopfdruck bestätigen muss. Anschließend sollte die Reanimationsmaßnahme fortgesetzt werden.

Wie wichtig ist die Mund-zu-Mund-Beatmung bei der Wiederbelebung?

„Wer darin Übung hat, sollte nach 30 Kompressionen den Hals überstrecken und das Kinn anheben – und dann zwei effektive Beatmungen ausüben“, sagt der Herzexperte. Im Idealfall sieht man dabei, dass sich die Brust hebt und wieder senkt, wenn der Patient passiv ausatmet. Falls man aber nicht trainiert ist, sollte man bei der Wiederbelebung lieber die Kompression fortsetzen. „Heute wissen wir: Es ist für die Patientin oder den Patienten wichtiger, die Kompression durchzuführen, als diese für zwei nicht gut durchgeführte Beatmungen zu unterbrechen.“

Warum ist die Herzdruckmassage wichtiger als die Mund-zu-Mund-Beatmung?

Bei einem plötzlichen Herzstillstand sinkt die Sauerstoffkonzentration im Körper ab. Und gerade das Gehirn reagiert sehr empfindlich auf einen Sauerstoffausfall. Allerdings sind die Organe durchaus in der Lage, Restsauerstoff aus dem Blut zu schöpfen. „Daher ist es wichtig, für eine ständige Zirkulation zu sorgen“, sagt Prof. Jung. „Und in Deutschland haben wir ja das Glück, dass die professionelle Hilfe – im Vergleich zu vielen anderen Regionen auf der Welt – schnell da sein kann. Man muss also nur wenige Minuten überbrücken.“

Prof. Christian Jung Prof. Dr. Dr. med. Christian Jung, Leitender Arzt an der Klinik für Kardiologie und konservative Intensivmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf. Bildquelle: Uniklinik Düsseldorf

Wie sind die Überlebenschancen durch eine Herzdruckmassage?

Studien zeigen: Beginnen Umstehende nach einem Herzstillstand sofort mit der Herzdruckmassage, verdoppelt das die Überlebenswahrscheinlichkeit in den ersten 30 Tagen. Patientinnen und Patienten, die nicht umgehend wiederbelebt werden, haben dagegen eine deutlich schlechtere Perspektive. „Sie haben nicht nur eine geringere Chance, zu überleben. Sie sind häufig auch gesundheitlich stärker beeinträchtigt“, sagt der Kardiologe. „Es ist jedes Mal tragisch, zu hören, dass viele dabeistanden, als jemand beispielsweise im Restaurant umgefallen ist – aber keiner hat etwas gemacht.

Kann jeder eine Herzdruckmassage durchführen?

„Da es sehr wahrscheinlich ist, irgendwann in diese Situation zu kommen, sollte sich jeder damit auseinandersetzen und gedanklich darauf vorbereiten“, sagt Prof. Jung. „Leider ist Deutschland in dieser Hinsicht ein Entwicklungsland. In Deutschland helfen etwa 40 Prozent der Umstehenden – in Dänemark zum Beispiel sind es etwa doppelt so viele.“ In vielen anderen Ländern ist es üblich, Wiederbelebung in jährlichen Auffrischungsübungen zu trainieren. Auch in Schulklassen finden regelmäßig Trainings statt. „Dann wachsen die Kinder mit dem Selbstverständnis auf, dass es wichtig ist, in einer Notsituation schnell zu reagieren. Und sie wissen: Helfen kann jeder. Und es gilt der Spruch: Nichtstun kann töten.“

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, einmal im Leben eine Herzdruckmassage durchführen zu müssen?

Laut Statistik wird jede oder jeder vierte Deutsche einmal im Leben auf eine Erste-Hilfe-Maßnahme angewiesen sein. „Mir selbst ist das – außerhalb des Krankenhauses – einmal auf einem Flug von Stockholm nach Düsseldorf passiert“, sagt Prof. Jung. „Da wurde wegen eines Notfalls an Bord ein Arzt ausgerufen.“ Der Passagier hat den Herzstillstand überlebt. „Ein anderes Mal war ich – ebenfalls mit dem Flugzeug – auf dem Weg zu einem Kardiologen-Kongress in Amerika, als die Durchsage kam. Ich bin wieder sofort aufgestanden. Aber als ich mich beim Bordpersonal melden wollte, standen dort schon 35 andere Kardiologen. Da habe ich mich wieder hingesetzt. Der Passagier war bereits bestens versorgt …“

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