HU6 - ein neues Abnehmmittel bei HFpEF?

 

HFSA Annual Scientific Meeting 2024 | HuMAIN-HFpEF: Die Ergebnisse der Phase-2-Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit des neuen Stoffwechselbeschleunigers HU6 bei Patientinnen und Patienten mit Adipositas-bedingter HFpEF wurden auf dem jährlichen Meeting der HFSA (Heart Failure Society of America) vorgestellt und anschließend unter Vorsitz von Dr. Amanda Verst (Cleveland Clinic) diskutiert.  


Prof. Florian Kahles (RWTH Aachen) kommentiert.

Von:

Dr. Heidi Schörken

Redaktion Herzmedizin

 

Expertenkommentar

Prof. Florian Kahles

RWTH Aachen

 

09.12.2024

Hintergrund und Zielsetzung

 

Überschüssiges Körperfett spielt eine zentrale Rolle in der Pathogenese der Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF). So ließ die Behandlung mit dem GLP1-Rezeptor-Agonisten Semaglutid bei übergewichtigen Menschen mit HFpEF nicht nur die Pfunde purzeln, sondern verbesserte auch die Lebensqualität und die körperliche Leistungsfähigkeit ohne Hinweise für relevante Sicherheitsbedenken. Diese Studien (STEP-HFpEF und STEP-HFpEF DM) waren nicht für harte Endpunkte gepowert. In der jüngst publiziertem SUMMIT-Studie konnte gezeigt werden, dass der GLP-1/GIP-Rezeptor-Koagonist Tirzepatid bei Adipositas-assoziierter HFpEF neben Gewichtsabnahme, verbesserter Lebensqualität und Leistungsfähigkeit auch harte kardiovaskuläre Endpunkte wie Hospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz verhinderte.1 Da die Adipositas nicht nur ein relevanter kardiovaskukärer Risikofaktor ist, sondern auch die weltweiten Gesundheitssysteme vor große Herausforderungen stellt, werden neben den Inkretin-basierten Therapien auch andere neue Therapie-Targets untersucht.  


HU6 ist der erste Vertreter der Wirkstoffklasse der kontrollierten Stoffwechselbeschleuniger oder CMA (Controlled Metabolic Accelerator). Es handelt sich dabei um ein Prodrug, das in der Leber zum mitochondrialen Entkoppler 2,4-Dinitrophenol (DNP) umgewandelt wird. HU6 könnte den Vorteil haben, dass nur die Fettmasse und spezifische Fettgewebedepots, aber nicht die Muskelmasse reduziert wird. Neben den allgemeinen Vorteilen einer Gewichtsreduktion könnte die geringere Zytokinproduktion aus überschüssigem, dysfunktionalem Fettgewebe auch systemische Entzündungen reduzieren.2,3

 

Der mitochondriale Entkoppler DNP war bereits in den 1930er Jahren in den USA als Schlankmacher verbreitet, bis die Diät-Pille nach einigen Todesfällen verboten wurde. Es stellte sich heraus, dass hohe DNP-Peak-Konzentrationen zu schwerwiegenden, lebensbedrohlichen Vergiftungen führen. Dass diese Risiken ernst zu nehmen sind, zeigten in den letzten Jahren auch mehrere Todesfälle in Deutschland nach dem Verzehr von DNP-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln.4

 

Das Prodrug HU6 wurde entwickelt, um die schnelle Absorption und hohe Peak-Konzentrationen zu vermeiden, und somit die therapeutische Anwendung zur Gewichtsabnahme mit hoher Sicherheit zu ermöglichen.2,3 In der Phase-2a-Studie HuMAIN-HFpEF (Hepatic Uncoupler Mitochondrial Accelerator IN HFpEF) wurde die Sicherheit Wirksamkeit (Gewichtsverlust und körperliche Leistungsfähigkeit) von HU6 bei Personen mit chronisch stabiler, Adipositas-bedingter HFpEF untersucht.5

Studiendesign

 

In die multizentrische randomisierte Placebo-kontrollierte doppelblinde Phase-2a-Studie wurden Erwachsene mit Adipositas-bedingter HFpEF entweder mit Placebo oder mit ansteigenden HU6-Dosierungen behandelt: 150 mg über 3 Wochen, 300 mg über 3 Wochen und 450 mg über 3 Monate.
Haupteinschlusskriterien waren: Alter ≥ 30 Jahre, BMI ≥ 30 kg/m2, KCCQ-OSS ≤ 80 Punkte und die Diagnose einer chronischen Herzinsuffizienz. Primärer Endpunkt war die Änderung des Körpergewichts von Baseline bis Woche 19 und sekundärer Hauptendpunkt die Peak-Sauerstoff-Aufnahme unter Maximalbelastung (Peak VO2).

Ergebnisse

 

Jeweils 33 Personen wurden entweder mit HU6 oder Placebo über 18 Wochen behandelt. In der Wirkstoff-Gruppe lag das mittlere Alter bei 63,8 Jahren, der mittlere Body-Mass-Index bei 38,8 kg/m2 und das mittlere Körpergewicht bei 110 kg. Mehr als 42 % der Patienten hatten Diabetes. Die Ausgangscharakteristika waren insgesamt typisch für Personen mit Adipositas-bedingter HFpEF und in beiden Gruppen vergleichbar.
Während das Gewicht in der Placebo-Gruppe konstant blieb, verloren die Personen der HU6-Gruppe im Studienverlauf kontinuierlich an Gewicht um insgesamt 2,9 kg bzw. 2,7 % bis Woche 19 (p = 0,003). Messungen mit einer Körperfettwaage zeigten, dass nur die Fettmasse signifikant vermindert wurde (-6,9 % vs. Placebo; p = 0,0001) im Gegensatz zur übrigen Körpermasse, die in beiden Gruppen unverändert blieb.
Die sekundären Endpunkte (Peak VO2, 6-Minuten-Gehstrecke und Lebensqualität) unterschieden sich jedoch nicht signifikant zwischen beiden Vergleichsgruppen, wie auch die kardialen Biomarker, NT-proBNP, Troponin und C-reaktives Protein. Einige signifikante Verbesserungen wurden in der HU6-Gruppe in der Echokardiographie festgestellt.
Die Sicherheitsanalyse ergab eine deutlich höhere Inzidenz an schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen in der HU6-Gruppe, wobei Diarrhoe und Dyspnoe am häufigsten auftraten. Studienabbrüche kamen zu 6 % ausschließlich in der Wirkstoffgruppe vor.

Fazit

 

Die Behandlung mit HU6 war mit einer signifikanten, aber moderaten Reduktion des Körpergewichts gegenüber Placebo assoziiert, wobei ausschließlich Fettmasse verloren ging. Signifikante Verbesserungen der sekundären Endpunkte wurden jedoch nicht beobachtet. Der kontrollierte Stoffwechselbeschleuniger war laut den Autoren und Autorinnen gut verträglich, allerdings kamen Studienabbrüche und schwerwiegende unerwünschte Ereignisse deutlich häufiger in der Wirkstoffgruppe vor. Wie Dr. Amanda Vest in der Diskussion betonte, müssen die numerisch erhöhten Fälle an Dyspnoe in zukünftigen Studien mit größter Vorsicht weiter beobachtet werden, insbesondere angesichts der lebensbedrohlichen Vergiftungsfälle durch den mitochondrialen Entkoppler DNP in der Vergangenheit.

Expertenkommentar Prof. Florian Kahles

 

Die HuMAIN-HFpEF-Studie führt uns nochmals deutlich vor Augen, welche Herausforderung es darstellt, ein sicheres aber gleichzeitig effektives Medikament gegen Adipositas und deren Komorbiditäten wie HFpEF zu entwickeln, das im besten Fall auch noch kardiovaskuläre Ereignisse verhindern kann. Während es sicherlich spannend ist, mitochochondriale Signalwege als neue Therapie-Targets zur Gewichtsabnahme zu untersuchen, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch unklar, ob sich HU6 langfristig in der Therapie der Adipositas-induzierten HFpEF durchsetzen wird. Um diese Frage zu beantworten, werden größere Studien mit längerer Nachbeobachtungszeit benötigt. Basierend auf den im Rahmen des HFSA-Meetings vorgestellten Daten zu HU6 teile ich die Bedenken der Diskutantin Frau Dr. Amanda Verst. Im Vergleich zu Inkretin-basierten Therapien war die Gewichtsabnahme unter HU6 deutlich moderater ausgeprägt (Inkretin-basierte Therapien führen im gleichen Zeitraum zu einer mehr als doppelten so hohen Gewichtsabnahme), und es zeigten sich unter HU6 keine signifikanten Effekte auf Symptome, Leistungsfähigkeit oder kardiale/inflammatorische Biomarker. Weiterhin zeigte die Therapie mit HU6 deutlich mehr unerwünschte Ereignisse und numerisch mehr Todesfälle. Zur endgültigen Beurteilung dieses neuen Therapie-Ansatzes der Adipositas-assoziierten HFpEF müssen größere Studien abgewartet werden.

Zur Person

Prof. Florian Kahles

Prof. Florian Kahles ist Oberarzt in der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin des Uniklinikums der RWTH Aachen. Weiterhin leitet Prof. Kahles eine DFG-geförderte Emmy-Noether-Forschungsgruppe mit dem Fokus Inflammation bei kardiometabolischen Erkrankungen und ist stellvertretender Sprecher der DGK-Arbeitsgruppe Herz und Diabetes (AG 23).  

Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Referenzen

 

  1. Packer M et al. Tirzepatide for Heart Failure with Preserved Ejection Fraction and Obesity. N Engl J Med. 2024. doi: 10.1056/NEJMoa2410027.
  2. Kitzman DW et al. A novel controlled metabolic accelerator for the treatment of obesity-related heart failure with preserved ejection fraction: Rationale and design of the Phase 2a HuMAIN trial. Eur J Heart Fail. 2024 Jun 26. doi: 10.1002/ejhf.3305. Epub ahead of print. PMID: 38924328.
  3. Noureddin M et al. Safety and efficacy of once-daily HU6 versus placebo in people with non-alcoholic fatty liver disease and high BMI: a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 2a trial. Lancet Gastroenterol Hepatol. 2023 Dec;8(12):1094-1105.
  4. https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/nahrungsergaenzungsmittel-die-dinitrophenol-dnp-enthalten-koennen-zu-schweren-vergiftungen-bis-hin-zu-todesfaellen-fuehren.pdf
  5. Pandey A et al. A novel controlled metabolic accelerator for the treatment of obesity-related heart failure with preserved ejection fraction: HuMAIN-HF-HFpEF trial. Presented at: HFSA 2024. September 30, 2024. https://hfsa.org/asm/late-breaking-clinical-research-session-ii

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