4 Schritte zur Behandlung des elektrischen Sturms

 

Der elektrische Sturm ist ein seltenes, aber schwerwiegendes Ereignis. Die Behandlung ist komplex und erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Auf dem ESC-Kongress 2023 wurde auf das Patientenmanagement und die Rolle der nicht ablativen Therapie eingegangen.

 

Bildquelle (Bild oben): Mr Dasenna / Shutterstock.com

Von: 

Dr. Sorin S. Popescu,1 Dr. Maria J. Marburg,1 Prof. Roland R. Tilz,1,2  

11.09.2023

 

1 Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck
2 Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, Lübeck

Der elektrische Sturm (ES) ist definiert als das Vorhandensein von mindestens 3 Episoden ventrikulärer Arrhythmien innerhalb von 24 Stunden, die mindestens 5 Minuten getrennt sind und einer therapeutischen Intervention zur Terminierung bedürfen.1 Die Behandlung der Patientinnen und Patienten ist komplex. Zahlreiche Schocks durch den implantierbaren Kardioverter-Defibrillator (ICD) gehen mit einer Verschlechterung der Lebensqualität und einer erhöhten Mortalität einher.2,3


Auf dem ESC-Kongress 2023 wurde in einem Vortrag auf das Management dieser Patientinnen und Patienten sowie auf die Rolle der nicht ablativen Therapie eingegangen.4 Die aktuellen Empfehlungen für die Behandlung des ES schlagen ein Stufenschema zur Therapie vor, das 4 wichtige Schritte enthält: ICD-Abfrage, akute Terminierung des ES, Prävention des ES und palliative/supportive Maßnahmen.1,5

1) ICD-Abfrage

Bei der ICD-Abfrage ist einerseits die Differenzierung zwischen adäquaten und inadäquaten ICD-Schocks bedeutend, andererseits die Beurteilung des Schweregrads des ES in Bezug auf arrhythmische Last und Effektivität der antitachykarden Therapien (ATPs, Schocks).5

2) Akute Terminierung des elektrischen Sturms

Als nächster Schritt ist die Terminierung des ES der wichtigste Ansatzpunkt. In diesem Fall spielen therapeutische Interventionen wie Gleichstrom-Kardioversion, präkordialer Faustschlag, antiarrhythmische Medikamente sowie die Sedierung/Anästhesie eine wichtige Rolle. Es ist zwingend notwendig die reversiblen Ursachen, wie Ischämie, Drogen und Elektrolytstörungen, zu identifizieren und ggf. zu behandeln. Eine ICD-Deaktivierung im Fall von repetitiven Schockabgaben ist sinnvoll und soll bereits in der Notaufnahme mittels Magnetauflage durchgeführt werden.5

3) Prävention des elektrischen Sturms

Zusätzlich zur Katheterablation gibt es vielfältige therapeutische Maßnahmen zur Prävention eines ES. Adäquate wie inadäquate ICD-Schocks führen gleichermaßen zu einer erhöhten Sterblichkeit und müssen daher mit allen Mitteln verhindert werden.2,5 Die ICD-Programmierung spielt in diesem Fall eine herausragende Rolle. So konnte in der MADIT-RIT-Studie gezeigt werden, dass eine intelligente Programmierung (z. B. Verlängerung der Detektionszeit) nicht nur ICD-Schocks vermeidet, sondern auch die Mortalität reduziert.6

 

Die kardiale sympathetische Denervierung (CSD) stellt eine weitere effektive Behandlungsmöglichkeit vor allem von schnellen Kammertachykardien und Kammerflimmern dar. In der Akutversorgung sind eine thorakale epidurale Anästhesie und die Stellatumblockade die Therapien der Wahl. Die häufigsten Interventionsmöglichkeiten für die Dauertherapie wiederum stellen die chirurgische und die videogestützte, thorakoskopische Denervierung dar.5,7 Bei refraktären ventrikulären Arrhythmien ersetzt die CSD nicht den ICD, aber sie reduziert die Anzahl der ventrikulären Arrhythmien und ICD-Schocks signifikant.8

 

Eine weitere Therapieoption ist die stereotaktische Strahlentherapie (die STAR-Therapie). Besonders geeignet sind Patient:innen mit therapierefraktären ventrikulären Tachykardien und lokalisiertem Substrat nach frustraner Katheterablation. Die Ergebnisse der ersten klinischen Studien zeigen eine erhebliche Reduktion der Anzahl an arrhythmischen Episoden ohne wesentliche unerwünschte akute Ereignisse.9,10 Die Sicherheit und Wirksamkeit dieser Prozedur muss jedoch noch durch randomisierte klinische Studien bewiesen werden.

4) Palliative/supportive Maßnahmen

Als palliative/supportive Maßnahmen kommen die ICD-Deaktivierung bei terminaler Herzinsuffizienz, die Implantation linksventrikulärer Unterstützungssysteme und die Herztransplantation in Frage.5


Die aktuellen ESC-Leitlinien für das Management der Patient:innen mit ventrikulären Arrhythmien und die Prävention des plötzlichen Herztodes unterscheiden zwischen monomorphen und polymorphen ventrikulären Tachykardien. Abhängig von den Ursachen gibt es verschiedene therapeutische Maßnahmen, wie Antiarrhythmika, autonomische Modulation, Pacing-Manöver, Optimierung der ICD-Programmierung, Sedierung und Intubation, mechanische Kreislaufunterstützung und Katheterablation.  Die Identifizierung und ggf. Behandlung einer transienten Ursache sind insbesondere für die Patient:innen mit polymorphen ventrikulären Tachykardien von großer Bedeutung und sollten immer berücksichtigt werden.1

Fazit

Trotz aller Empfehlungen der kardiologischen Gesellschaften, gibt es Patient:innen, die nicht nach den aktuellen Leilinien behandelt werden können. In diesen Fällen sind die klinische Beurteilung sowie eine patientenindividualisierte Behandlungsstrategie die Grundsteine einer erfolgreichen Intervention.

 

Der elektrische Sturm ist ein seltenes, aber schwerwiegendes Ereignis. Es betrifft vor allem Patient:innen mit struktureller oder primär elektrischer Herzerkrankung. Trotz einer Vielzahl an Therapieoptionen bleibt die Prognose dieser Patient:innen schlecht. Die Behandlung dieser Krankheit ist komplex und erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit.


Referenzen

  1. Zeppenfeld K, Tfelt-Hansen J, de Riva M, Winkel BG, Behr ER, Blom NA, et al. 2022 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death. Eur Heart J 2022;43:3997–4126. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac262.
  2. Poole JE, Johnson GW, Hellkamp AS, Anderson J, Callans DJ, Raitt MH, et al. Prognostic Importance of Defibrillator Shocks in Patients with Heart Failure. New England Journal of Medicine 2008;359:1009–17. https://doi.org/10.1056/NEJMoa071098.
  3. Guerra F, Shkoza M, Scappini L, Flori M, Capucci A. Role of electrical storm as a mortality and morbidity risk factor and its clinical predictors: a meta-analysis. Europace 2014;16:347–53. https://doi.org/10.1093/europace/eut304.
  4. Tilz RR. Managing patients with electrical storm: the role of non-ablative treatment and prognosis of electrical storm. ESC-Kongress, Amsterdam, 25.–28. August.
  5. Dinov B, Darma A, Nedios S, Hindricks G. Management of patients with electrical storm: an educational review. Eur Heart J Acute Cardiovasc Care 2023;12:69–73. https://doi.org/10.1093/ehjacc/zuac160.
  6. Moss AJ, Schuger C, Beck CA, Brown MW, Cannom DS, Daubert JP, et al. Reduction in Inappropriate Therapy and Mortality through ICD Programming. New England Journal of Medicine 2012;367:2275–83. https://doi.org/10.1056/NEJMoa1211107.
  7. Collura CA, Johnson JN, Moir C, Ackerman MJ. Left cardiac sympathetic denervation for the treatment of long QT syndrome and catecholaminergic polymorphic ventricular tachycardia using video-assisted thoracic surgery. Heart Rhythm 2009;6:752–9. https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2009.03.024.
  8. Yalin K, Liosis S, Palade E, Fink T, Schierholz S, Sawan N, et al. Cardiac sympathetic denervation in patients with nonischemic cardiomyopathy and refractory ventricular arrhythmias: a single-center experience. Clinical Research in Cardiology 2021;110:21–8. https://doi.org/10.1007/s00392-020-01643-8.
  9. Cuculich PS, Schill MR, Kashani R, Mutic S, Lang A, Cooper D, et al. Noninvasive Cardiac Radiation for Ablation of Ventricular Tachycardia. New England Journal of Medicine 2017;377:2325–36. https://doi.org/10.1056/NEJMoa1613773.
  10. Krug D, Zaman A, Eidinger L, Grehn M, Boda-Heggemann J, Rudic B, et al. Radiosurgery for ventricular tachycardia (RAVENTA): interim analysis of a multicenter multiplatform feasibility trial. Strahlentherapie Und Onkologie 2023;199:621–30. https://doi.org/10.1007/s00066-023-02091-9.

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