Gentherapie bei hypertropher Kardiomyopathie

 

Die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) ist eine angeborene Erkrankung des Herzmuskels mit äußerst hoher Variabilität. Das Krankheitsbild reicht von asymptomatischen Verläufen bis hin zur Notwendigkeit einer Herztransplantation. Häufigste Ursache der HCM sind Mutationen im MYBPC3-Gen. Kinder mit MYBPC3-assoziierter neonataler Kardiomyopathie leben kaum länger als ein Jahr. Im Rahmen der DGK Herztage 2023 in Bonn stellte Prof. Lucie Carrier, Institut für Experimentelle Pharmakologie und Toxikologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), eine Gentherapie vor, die für Kinder mit neonataler Kardiomyopathie entwickelt wurde.

Von:

Dr. Heidi Schörken

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

23.10.2023

 


Bildquelle (Bild oben): Sopotnicki / Shutterstock.com

Die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) tritt mit einer Prävalenz von ca. 1:500 in der Bevölkerung auf. Die HCM ist durch das Vorliegen einer maximalen linksventrikulären Wanddicke von mindestens 15 mm definiert, die nicht allein durch abnorme Belastungsbedingungen (Bluthochdruck und Aortenstenose) erklärt werden kann. Der klinische Verlauf und die Symptomatik der HCM sind hoch variabel.1

MYBPC3-Gendefekt als häufigste Ursache der HCM

 

In den letzten 10 Jahren wurden ca. 1.200 Genvarianten beschrieben, die zur Entstehung der der HCM beitragen. In 40-50% der Fälle mit nachgewiesenen Gendefekten ist das MYBPC3-Gen betroffen, das somit die häufigste Ursache der erblich bedingten HCM darstellt. MYBPC3 kodiert für ein multimodulares Strukturprotein (cMyBP-C), das als Bestandteil des Sarkomers essenziell für die Aufrechterhaltung der Sarkomerstruktur und für die Regulierung der Kontraktion und Relaxation ist.2 Die Mehrheit der MYBPC3-assoziierten HCM-Mutationen ist heterozygot, und die Patienten haben häufig einen späten Krankheitsbeginn mit einem gutartigen Krankheitsverlauf. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Betroffenen, die das junge Erwachsenenalter erreichen, unterscheidet sich kaum von der Normalbevölkerung. Allerdings kann es bei jungen Erwachsenen zum plötzlichen Herztod kommen, insbesondere bei Sportlern, oder zu einer schweren systolischen Dysfunktion oder zu Herzversagen.3

Betroffene Neugeborene versterben im ersten Lebensjahr

 

Eine biallelische Mutation des MYBPC3-Gens, die zu niedrigen cMyBP-C-Spiegeln oder zu gänzlich fehlendem cMyBP-C-Protein führt, ist durch einen sehr schweren HCM-Verlauf gekennzeichnet. Die von der MYBPC3-assoziierten Neugeborenen-Kardiomyopathie betroffenen Kinder entwickeln eine systolische Herzinsuffizienz und überleben kaum das erste Lebensjahr. Da es außer einer Herztransplantation bisher keine Behandlungsmöglichkeiten gibt, wurde das Forschungsprojekt zur Entwicklung einer MYBPC3-Gentherapie durch Lucie Carrier ins Leben gerufen.3,4

Erfolgreiche Gentherapie im Mausmodell

 

Die Gentherapie wurde in homozygoten Mäusen mit MYBPC3-Gendefekt durchgeführt. Die Tiere hatten in beiden Allelen eine beim Menschen häufig vorkommende Punktmutation für das MYBPC3-Gen, die zu einem weitgehenden Fehlen des Proteins führt. Das intakte MYBPC3-Gen wurde in einen rekombinanten Adenoviren-assoziierten Vektor Serotyp 9 (AAV9) verpackt. Tatsächlich reichte bei den neugeborenen Mäusen mit Gendefekt eine einzige systemische Verabreichung des AAV9-MYBPC3-Virus an Tag 1 nach der Geburt aus, um die Entwicklung von Herzhypertrophie und -dysfunktion zu verhindern. Während des Beobachtungszeitraums über 34 Wochen produzierten die Herzmuskelzellen rund zwei Drittel des korrekten cMyBP-C-Proteins, während es ohne die Behandlung nur etwa 10 % waren.3

Von der Laborbank zur klinischen Studie

 

Vor dem Beginn des klinischen Studienprogramms sollte die Gentherapie in einem nächsten Schritt zunächst in einem größeren Tiermodell erprobt werden. Analog zum Mausmodell wurden dafür homozygote Schweine mit MYBPC3-Gendefekt benötigt. Diese Entwicklungsstufe wurde allerdings frühzeitig abgebrochen, nachdem 2 Schwangerschaften keine Lebendgeburten ergaben.4 Trotz des fehlenden Nachweises im Großtiermodell wurde die MYBPC3-Gentherapie unter der Beteiligung der beiden Firmen DiNAQOR und BioMarin weiterentwickelt.5

Erster Patient behandelt

 

Mit der MyPeak-1-Studie wurde inzwischen die erste klinische Studie zur Gentherapie der MYBPC3-assoziierten hypertrophen Kardiomyopathie mit dem AAV-basierten Wirkstoff TN-201 an der Cleveland Clinic, Ohio, begonnen. Bei der MyPeak-1-Studie handelt sich um eine multizentrische, offene, dosiseskalierende Studie zur Bewertung der Sicherheit, Verträglichkeit und klinischen Wirksamkeit einer einmaligen intravenösen Infusion von TN-201.6

 

In die Studie sollen zunächst 6 symptomatische Erwachsene aufgenommen werden, bei denen eine MYBPC3-assoziierte HCM diagnostiziert wurde und die einen implantierbaren Kardioverter-Defibrillator haben. Wie der Sponsor der Studie, Tenaya Therapeutics, bekanntgab, wurde der erste Patient bereits mit der Gentherapie TN-201 behandelt. Die ersten Daten der Studie werden im Jahr 2024 erwartet.7


Referenzen

 

  1. Carrier L. Targeting the population for gene therapy with MYBPC3. J Mol Cell Cardiol. 2021;150:101-108.
  2. Liu Y et al. Recent Advances in Hypertrophic Cardiomyopathy: A System Review [Internet]. Genetic Polymorphisms. InTech; 2017. Available from: http://dx.doi.org/10.5772/intechopen.69620
  3. Mearini G et al. Mybpc3 gene therapy for neonatal cardiomyopathy enables long-term disease prevention in mice. Nat Commun. 2014;5:5515.
  4. Carrier L. Gene therapy in HCM – From preclinical studies to clinical trials. Vortrag in der Sitzung Novel mechanisms and therapeutic options of hypertrophic cardiomyopathy (HCM)”. DGK Herztage 2023; 05.-07.10.2023, Bonn.
  5. https://www.startupticker.ch/en/news/dinaqor-and-biomarin-to-develop-gene-theapies-for-rare-heard-diseases
  6. https://clinicaltrials.gov/study/NCT05836259
  7. https://de.marketscreener.com/kurs/aktie/TENAYA-THERAPEUTICS-INC-125290483/news/Tenaya-Therapeutics-Inc-verabreicht-den-ersten-Patienten-in-der-MyPeak-1-Klinische-Phase-1b-Studi-44993053/

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