Genderkardiologie: Der plötzliche Herztod bei Frauen

 

Der plötzliche Herztod (srSCD) im Sport stellt ein signifikantes Risiko dar. Es zeigen sich aber deutliche Geschlechterunterschiede zugunsten der Frauen. Zusätzlich zeigen sie spezifische Risikofaktoren, die bei der Prävention und Diagnostik von srSCD im Sport berücksichtigt werden sollten. Welche Unterschiede zwischen den Geschlechtern sollten in der Praxis beachtet werden? Sportkardiologin Dr. Susanne Berrisch-Rahmel gibt einen Überblick.

Von:

Dr. Susanne Berrisch-Rahmel

KardioPro - Praxis für Kardiologie, Innere Medizin, Sportmedizin und Sportkardiologie

 

02.01.2024

 

Bildquelle (Bild oben): kovop / Shutterstock.com

 

Der plötzliche Herztod (SCD) gehört zu den schwerwiegendsten, wenn auch seltenen, Ereignissen im Zusammenhang mit sportlicher Belastung. Sportvorsorgeuntersuchungen sollen diese fatalen Ereignisse möglichst minimieren. Lange Zeit wurde der SCD vor allem im Kontext männlicher Sportler untersucht. Obwohl es mittlerweile eine Fülle von Studien gibt, die sich mit gesundheitlichen Aspekten im Leistungssport beschäftigen, sind weibliche Athleten deutlich unterpräsentiert. Dieses mag auch daran liegen, dass Frauen über viele Jahrzehnte der Zugang zum Leistungssport verwehrt war. Die Zahl der Sportlerinnen im Spitzen- und Amateursport nimmt mittlerweile stetig zu. Doch viele Fragen sind noch offen. Erst in den letzten Jahren hat die Forschung zunehmend die geschlechtsspezifischen Unterschiede erkannt, die bei der Beurteilung des Risikos für Frauen im Sport von Bedeutung sind.

 

Frauen haben zwar insgesamt ein geringeres Risiko für den plötzlichen Herztod, zeigen jedoch spezifische Risikofaktoren, die bei der kardiologischen Diagnostik und Prävention beachtet werden sollten. Frauen entwickeln beispielsweise seltener ein Athletenherz und haben auch bei hohen Sportumfängen geringere linksventrikuläre Dimensionen. Herzen von Frauen und Männer reagieren völlig unterschiedlich im Hinblick auf Vergrößerung der linksventrikulären Masse. Im Gegensatz zu männlichen Athleten haben sich aber bisher nur wenige Studien mit der kardiovaskulären Anpassung von Frauen und den Auswirkungen lebenslanger sportlicher Betätigung befasst.

Geschlechtsspezifische Faktoren für den plötzlichen Herztod bei Frauen

 

Das Risiko eines belastungsbedingten plötzlichen Herztods SrSCD ist bei Frauen deutlich geringer als bei Männern. Frauen, die sich lebenslang sportlich betätigt haben, weisen auch keine höhere Prävalenz von Vorhofflimmern, Koronarsklerose oder Myokardfibrose auf. Da jedoch ein hoher Anteil der weiblichen SrSCDs nicht strukturell bedingt ist, sollten Frauen insbesondere nach belastungsabhängigen Symptomen und in der Familienanamnese befragt werden, um mögliche Kanalopathien aufzudecken. Primär elektrische Erkrankungen, „EKG-Erkrankungen“, wie Long-QT-Syndrom, Brugada-Syndrom, CPVT (katecholaminerge polymorphe VT) und angeborenen Arrhythmien manifestieren sich oftmals erst bei höherer körperlicher Belastung oder intensivem Training, was die Diagnose in der Regel verzögert. QT-Verlängerungen, sei es medikamentenassoziiert (Psychopharmaka) oder durch Elektrolytverschiebungen, sollen vermieden werden. Um die Bedeutung kardialer Kanalopathien zu bestimmen, sind Studien mit molekularen Autopsien nach SrSCD-Fällen bei Frauen erforderlich.

 

Geschlechtsspezifische Anpassungen des Herzens an körperliche Belastung könnten möglicherweise die Unterschiede in der SrSCD-Inzidenz erklären. Auch hormonelle Einflüsse und postmenopausale Veränderungen sind Gründe für die unterschiedliche kardiale Anpassung. Zusätzlich sind geschlechtsspezifische soziokulturelle Faktoren zu beachten, so könnten, z. B. die Neigung von Männern, leistungssteigernde Medikamente zu nehmen oder sich zu überanstrengen, ebenfalls zu der unterschiedlichen Häufigkeit von SrSCD beitragen. 

Präventive Maßnahmen und Interdisziplinäre Zusammenarbeit


Insbesondere bei Frauen mit familiärer Vorbelastung oder einer bekannten genetischen Prädisposition für Arrhythmien sollte eine intensivere Kontrolle erfolgen, um das Risiko des plötzlichen Herztodes zu minimieren. Sportkardiolog:innen, Hausärzt:innen und auch Trainer:innen sollten dabei eng zusammenarbeiten. Außerdem sollte ein präventives Screening-Programm individuell auf das Geschlecht, die Sportart und die familiäre Vorgeschichte abgestimmt sein.

 

Zu den wichtigsten diagnostischen Verfahren gehören regelmäßige EKG-Kontrollen, Echokardiographien und genetische Tests, um Erkrankungen wie das Long-QT-Syndrom oder die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie frühzeitig zu erkennen. Zudem sollten Sportlerinnen bei körperlichen Beschwerden oder Anzeichen von Arrhythmien umfassend untersucht werden. Eine der größten Herausforderungen in der Sportkardiologie ist die unzureichende Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede in der Diagnostik. Viele kardiologische Screening-Verfahren, wie das EKG und die Echokardiographie, wurden ursprünglich auf männliche Sportler ausgerichtet und berücksichtigen nicht die speziellen Bedürfnisse von Frauen. Ein gezieltes Screening von Sportlerinnen, insbesondere in Hochrisikosportarten, könnte die Früherkennung dieser Erkrankungen und die gezielte Prävention von srSCD verbessern.

Fazit für die Praxis

 

Der plötzliche Herztod im Sport stellt für Männer und Frauen ein ernstzunehmendes Risiko dar. Es wird jedoch immer deutlicher, dass Frauen aufgrund ihrer geschlechtsspezifischen biologischen, hormonellen und physiologischen Merkmale besondere Risikofaktoren aufweisen. Eine differenzierte Herangehensweise in der Diagnostik und Prävention, die die spezifischen Bedürfnisse von Frauen berücksichtigt, ist entscheidend, um das Risiko von SCD zu minimieren. Die Entwicklung und Implementierung geschlechtsspezifischer Leitlinien in der Sportkardiologie sowie eine verstärkte Forschung zu den Risikofaktoren für Frauen im Sport sind erforderlich, um ihre Gesundheit und Sicherheit zu gewährleisten.

Zur Autorin

Dr. Susanne Berrisch-Rahmel

Dr. Susanne Berrisch-Rahmel ist niedergelassen in Düsseldorf als Ärztin für Innere Medizin, Kardiologie, Sportmedizin in der Praxis KardioPro und hat die Zusatzqualifikation Sportkardiologie Stufe 3 der DGK. Sie ist Mitglied in der Projektgruppe Prävention der DGK und Kommissionsmitglied. Der Schwerpunkt liegt auf Themen zu Sportkardiologie und genderspezifischer Medizin.


Referenzen

 

  1. Regitz-Zagrosek V, Gebhard C. Gender medicine: effects of sex and gender on cardiovascular disease manifestation and outcomes. Nat Rev Cardiol. 2023 Apr;20(4):236-247. doi: 10.1038/s41569-022-00797-4. Epub 2022 Oct 31. PMID: 36316574; PMCID: PMC9628527.
  2. Castelletti S, Gati S. The Female Athlete's Heart: Overview and Management of Cardiovascular Diseases. Eur Cardiol. 2021 Dec 2;16:e47. doi: 10.15420/ecr.2021.29. PMID: 34950243; PMCID: PMC8674625.
  3. Rajan D, Garcia R, Svane J, Tfelt-Hansen J. Risk of sports-related sudden cardiac death in women. Eur Heart J. 2022 Mar 21;43(12):1198-1206. doi: 10.1093/eurheartj/ehab833. PMID: 34894223.

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