Verkehrslärm und sozioökonomische Benachteiligung belasten Herz mehrfach

 

Eine neue Studie der Harvard Medical School aus den USA zeigt eindrücklich, wie die Kombination aus hoher Verkehrslärmbelastung und niedrigem sozioökonomischem Status (SES) das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erheblich steigern kann.1 Dr. Omar Hahad von der Universitätsmedizin Mainz ist Mitautor der Studie und berichtet.

Von:

Dr. Omar Hahad

Universitätsmedizin Mainz

 

10.01.2025

 

Bildquelle (Bild oben): TierneyMJ / Shutterstock.com

Verkehrslärm und soziale Benachteiligung gelten jeweils als bekannte Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine aktuelle Untersuchung geht jedoch einen Schritt weiter: Sie analysiert, wie diese beiden Stressoren gemeinsam wirken und welche Mechanismen dabei zugrunde liegen.

 

Die Studie wertete die Daten von 507 Personen aus, die zwischen 2005 und 2008 mithilfe von PET/CT-Bildgebung untersucht wurden. Die Verkehrslärmbelastung wurde anhand von Wohnortdaten bestimmt, wobei eine Lärmbelastung ab 55 dBA als hoch eingestuft wurde. Der sozioökonomische Status wurde durch das Median-Einkommen der Wohngegend und einen Deprivationsindex ermittelt.

Deutliche Ergebnisse: 5-faches Risiko

 

Die Ergebnisse zeigen: Personen, die sowohl einer hohen Lärmbelastung als auch einem niedrigen sozioökonomischen Status ausgesetzt sind, haben etwa 5-fach erhöhtes Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse, darunter Herzinfarkt und Schlaganfall – dies im Vergleich zu Personen ohne oder mit nur einem der beiden Stressoren. Zudem wiesen die Betroffenen eine signifikant höhere Aktivität stressbezogener Hirnregionen und verstärkte entzündliche Prozesse in den Arterien auf.

Mechanismen hinter der Gefahr

 

Die Studie beleuchtet auch die physiologischen Hintergründe. Die Kombination aus Lärm und sozialer Benachteiligung aktiviert die „neuronale-arterielle Achse“: Stresssignale im Gehirn – insbesondere in der Amygdala – steigern Entzündungsreaktionen in den Blutgefäßen, was das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht. Diese Mechanismen erklären rund 8 % des gesamten Zusammenhangs zwischen den Stressoren und kardiovaskulären Ereignissen.

Ein Appell an die Prävention

 

Die Ergebnisse sind ein Weckruf, Umwelt- und soziale Faktoren bei der Gesundheitsvorsorge stärker zu berücksichtigen. Maßnahmen zur Lärmminderung und gezielte Unterstützung sozial benachteiligter Gruppen könnten helfen, das Risiko in betroffenen Bevölkerungsgruppen zu senken. Die Studie verdeutlicht die Dringlichkeit einer integrierten Strategie, die sowohl Umwelt- als auch soziale Stressoren adressiert, um die Herzgesundheit in gefährdeten Gruppen nachhaltig zu verbessern. Umweltfaktoren wie Lärm belasten insbesondere sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen überproportional, wie die Ergebnisse klar zeigen. Um gesundheitliche Ungleichheiten zu reduzieren, sollten Strategien zur Förderung von Umweltgerechtigkeit und zur Bekämpfung sozialer Benachteiligung eng miteinander verbunden werden.


Die Studie liefert neue, wichtige Impulse für die Präventionsforschung und zeigt, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch die Wechselwirkungen von Umwelt- und sozioökonomischen Stressoren noch besser verstanden werden können.

Zur Person

Dr. Omar Hahad

Dr. Omar Hahad ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Kardiologie an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen umweltbedingte Risikofaktoren für Herz-Kreislauf- und neuropsychiatrische Erkrankungen. Er ist Mitglied des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) und Gastwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. 


Referenzen

 

  1. Abohashem S, Aldosoky W, Hahad O, et al. Additive effect of high transportation noise exposure and socioeconomic deprivation on stress-associated neural activity, atherosclerotic inflammation, and cardiovascular disease events. J Expo Sci Environ Epidemiol. Published online November 22, 2024. doi:10.1038/s41370-024-00734-2

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