Dr. Fokko de Haan spricht im Interview über die Aufgaben und neue Publikationen des Historischen Archivs der DGK, warum eine historische Rückbetrachtung so wichtig für die aktuelle Praxis ist und was die Vergangenheit über die Zukunft aussagt.
Dr. Fokko de Haan spricht im Interview über die Aufgaben und neue Publikationen des Historischen Archivs der DGK, warum eine historische Rückbetrachtung so wichtig für die aktuelle Praxis ist und was die Vergangenheit über die Zukunft aussagt.
Von:
Romy Martínez
HERZMEDIZIN-Redaktion
22.04.2025
Bildquelle (Bild oben): Janaka Dharmasena / Shutterstock.com
HERZMEDIZIN: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jahrestagung können sich wieder auf kostenfreie Bücher aus dem Historischen Archiv freuen. Diesmal mit einem neuen Thema: „Historie der coronaren Interventionskardiologie“.
de Haan: Genau. Dies ist das zweite Projekt. Das erste Projekt war „Herzschrittmachertherapie + Elektrophysiologie, die Geschichte der Rhythmologie in Deutschland", von dem wir noch weitere 1.250 Exemplare am Stand des Historischen Archivs verteilen werden, nachdem es bei der Jahrestagung im vergangenen Jahr wie auch bei der Jahrestagung der Herzchirurgie und Kinderkardiologie sehr gut angenommen wurde. Ein drittes Projekt ist aktuell noch in der Pipeline.
HERZMEDIZIN: Und was hat Sie dazu bewegt, sich genau diesem Thema zuzuwenden und wie ist das Buch aufgebaut?
de Haan: Die Idee zu diesen Projekten ist, dass eine Gesellschaft wie die DGK, die fast 100 Jahre alt ist, zwischendurch reflektieren sollte – eine Zäsur, die Kapitel wie Herzrhythmusstörungen, Schrittmacherimplantationen oder die Koronarintervention betrifft. Damit hat die interventionelle Kardiologie begonnen und ohne diesen Vorlauf wären heutige Vorgänge wie Klappeninterventionen oder elektrophysiologische Interventionen nicht denkbar.
Insofern halte ich den Zeitpunkt jetzt für richtig, weil sich das Augenmerk von den Koronarien zu diesen Behandlungen verlagert. Deswegen bieten wir mit dem Buch einen Rückblick zu den Fragen wie es anfing, was geleistet wurde, welche falschen Wege zu Beginn beschritten wurden und welche Hürden dazwischen auftauchten. Es war ja kein Selbstläufer, das soll mit der Publikation übermittelt werden.
Da starten wir mit der Ballonangioplastie und Prof. Martin Kaltenbach, der das Verfahren in Deutschland vorangebracht hat. Dann geht es zu den Alternativen zu dieser Methode: Was hat sich durchgesetzt? Welche Erwartungen haben sich nicht erfüllt? Und schließlich geht es noch um Stents und in der Folge um bioresorbierbare Scaffolds, bei denen sich die ursprüngliche Hoffnung, die Stents abzulösen, nicht erfüllt hat. Man muss abwarten, wie die Zukunft aussieht, aber ich denke bei den Koronarien ist sozusagen das, was erreichbar ist, erreicht worden.
HERZMEDIZIN: Ist das auch eine Besonderheit dieses Formats, Lehren aus dem, was es gab und wie der Weg dorthin war, zu ziehen?
de Haan: Absolut. Eine historische Rückbetrachtung bedeutet immer, kritisch zu sein. Was hat sich bewährt, was war sozusagen ein Hype, was waren Sackgassen und wie war es zwischendurch – war es immer eine Erfolgsstory, die nur bergauf ging? Nein, es gab auch Rückschläge. Deswegen glaube ich, dass es für jeden, der sich mit Koronarien beschäftigt, insbesondere natürlich mit denen, die interventionell arbeiten, eine historische Rückschau ist.
HERZMEDIZIN: Sie waren im Februar auf dem Kongress der Herzchirurgie, da spielt das Thema „Robotics“ eine große Rolle. Was denken Sie, wie wird das Katheterlabor der Zukunft aussehen, so in 100 Jahren?
de Haan: 100 Jahre ist ein weiter Zeitraum. Ich denke mal, die Roboterchirurgie oder die Roboter-interventionelle Medizin hat ihren Stellenwert, aber sie kann nicht ohne den Menschen auskommen. Der Mensch muss die Grenzen der Roboterchirurgie kennen, aber auch die Vorzüge: Zum Beispiel kann die Roboterchirurgie viel feiner nähen als dies die menschliche Hand kann, oder die Roboterchirurgie ist von der Bildqualität her unschlagbar gut.
Aber irgendjemand muss diesen Roboter kontrollieren, das ist genau wie bei der Künstlichen Intelligenz und das geht nicht ohne die Kardiologinnen und Kardiologen. Das wird Einzug halten, gar keine Frage, aber das Schöne ist eben, dass wir genau spüren, dass man diese Techniken nicht allein laufen lassen kann.
HERZMEDIZIN: Sie erwähnten eingangs drei Projekte. Wir haben die Elektrophysiologie, dann die Interventionskardiologie und worum dreht sich also das dritte Buch?
de Haan: Die Echokardiographie. Ein Untersuchungsverfahren, das unglaublichen Erfolg in der Kardiologie gefunden hat. Damals gab es große Widerstände von Seiten der Radiologie, die natürlich sagten, die Bildgebung gehöre zu ihnen.
Gut ist auch, dass der Stellenwert der nuklearmedizinischen Diagnostik zurückgedrängt wurde durch die neuen bildgebenden Verfahren, die Magnet-Resonanztomographie (MRT) und die Computertomographie (CT). Dabei haben sich Kardiologinnen und Kardiologen frühzeitig eingeklinkt. Diese neuen bildgebenden Verfahren sind aus der Kardiologie nicht mehr wegzudenken, die brauchen wir.
HERZMEDIZIN: In einem Interview mit Prof. Andreas Hagendorff, Programmkommission Deutscher Echokardiographie-Kongress, ging es darum, dass in Deutschland in der Echokardiographie nicht genug in Richtung Forschung passiert. Sehen Sie Bedarf, dass man hier wieder mehr investiert, sowohl in die Forschung als auch in die Fortbildung?
de Haan: Die Echokardiographie hat den primären Stellenwert in der ambulanten Kardiologie. Dort kommt es aber sofort zu einem Missmanagement mit dem Zeitfaktor und mit dem Abrechnungsfaktor, denn die Kardiologie muss viel mehr als die Forschung auf die Vergütung achten. Wir haben viele gute Tools, die wir in der Echokardiographie benutzen, die aber nicht vergütet werden und deswegen haben sie nie die Breite in der ambulanten Kardiologie erhalten, die sie brauchen.
Es wäre schön, wenn wir zum Beispiel die modernen Echoverfahren zur Früherkennung von systolischen Kontraktionsstörungen einbauen könnten. Das macht aber keiner, weil er es umsonst machen müsste. Beispielsweise hat die Gynäkologie eine Basisstufe A, die bekommen alle Gynäkologinnen und Gynäkologen. Wenn sie Level B oder C haben wollen, müssen sie besondere Verfahren beherrschen und bekommen dafür dann aber auch eine höhere Vergütung. Wenn wir das in der Kardiologie hätten, dann brauchen wir dafür auch eine Vergütung on top, sonst macht es niemand. Diese Entwicklung ist leider versäumt worden.
Was die Forschung angeht, gebe ich Prof. Hagendorff natürlich Recht, dass er sagt, wir brauchen mehr Forschungseinrichtungen. Aber das muss auch finanziert werden. Dass das die Ultraschallgesellschaften generell machen, glaube ich eher nicht, weil es sich um ein Spezialgebiet handelt. Denn es gibt in der Echokardiographie keine Universitätsklinik, die schwerpunktmäßig darauf spezialisiert ist.
HERZMEDIZIN: Sie bieten auf Anfrage auch Führungen an ins Historische Archiv der DGK. Wie verhält es sich denn insgesamt mit dem Interesse an der Geschichte der Kardiologie?
de Haan: Das Interesse ist grundsätzlich groß, aber man muss es vermitteln. Die Historie ist etwas, das bei vielen im aktuellen Alltag keine große Rolle spielt. Aber wenn man die Kardiologinnen und Kardiologen – beispielsweise bei Kongressen – darauf anspricht, dann blüht das Interesse auf. Daher ist die Idee, Führungen des Archivs jeweils vor den Kommissionssitzungen anzubieten.