Eine Ärztin hört das Herz einer Frau ab,  Bildquelle: ©Adobe Stock/Seventyfour
Eine Ärztin hört das Herz einer Frau ab,  Bildquelle: ©Adobe Stock/Seventyfour

Herzgesundheit von Frauen: Neue Studien zu Herzinfarkt, Betablockern, Therapie

 

In Forschung und Klinik wird immer deutlicher: Einige Herzmedikamente verursachen bei Frauen andere Nebenwirkungen als bei Männern. Wenn Frauenherzen erkranken, treten häufig andere Symptome auf. Und für eine bessere Versorgung sollten manchmal andere Grenzwerte berücksichtigt werden. Was zeigen neue Studien? Wo sollten aktuelle Therapieempfehlungen angepasst werden?

Von Kerstin Kropac
 

05.11.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Seventyfour – stock.adobe.com

Warum braucht das Frauenherz manchmal eine andere Behandlung?

 

Was das Frauenherz grundlegend vom männlichen Herz unterscheidet, ist nicht nur die kleinere Größe oder die schnellere Herzfrequenz. „Auch das Risiko, zu erkranken, verändert sich über die Lebenspanne viel stärker als beim Mann“, erklärt Dr. Lena Seegers, Leiterin des Frauenherzzentrums der Uniklinik Frankfurt. Die Medizinerin erklärt: „Die junge Frau ist durch ihre Hormone, vor allem das Östrogen, meistens gut geschützt. Treten eine frühe Menopause mit 35 oder Komplikationen in der Schwangerschaft auf, erhöht sich das Risiko – und nach der Menopause steigt es dann ums Vielfache an.“ Dass beim Frauenherz vieles anders ist, bestätigen auch neue Studien, die Dr. Seegers für uns einordnet.

Zur Expertin

Dr. Lena Seegers

Dr. Lena Seegers ist Assistenzärztin für Kardiologie am Universitären Herz- und Gefäßzentrum des Universitätsklinikums Frankfurt. Dort leitet sie die Spezialambulanz für geschlechtsspezifische Herz- und Kreislauferkrankungen, das „Women Heart Health Center Frankfurt“.

Dr. Lena Seegers
Bildquelle: Universitäres Herz- und Gefäßzentrum Universitätsklinikum Frankfurt

Studie 1: Gelten für Frauen ab sofort andere Empfehlungen bei der Einnahme von Betablockern?

 

Betablocker gehören zur Standardtherapie nach einem Herzinfarkt. Diese Medikamente blockieren bestimmte Rezeptoren (Beta-Adrenozeptoren), wodurch die Schlagfolge des Herzens reduziert wird und der Herzmuskel weniger Sauerstoff verbraucht. Das soll das Herz entlasten und vor neuen Ereignissen schützen. Für Patientinnen und Patienten mit einer sogenannten reduzierten linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF ≤40 %), bei denen also die Pumpfunktion der linken Herzkammer deutlich vermindert ist, ist die Studienlage eindeutig: Sie profitieren von dieser Behandlung. Bei älteren Frauen ab 75 – ohne eingeschränkte Pumpfunktion – scheint die Therapie allerdings keinen positiven Effekt zu haben und war sogar mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert. „Mit dieser Untersuchung hat der Betablocker hat als Standardtherapie nach einem Herzinfarkt mit einer erhaltenen Pumpfunktion sicherlich an Bedeutung verloren“, sagt Dr. Seegers und ergänzt: “Das heißt: Wenn die Pumpleistung erhalten ist, würde ich gar nicht erst mit der Therapie beginnen. Aber man muss wirklich fein unterscheiden. Viele Patientinnen haben nach dem Herzinfarkt eine eingeschränkte Leistung.“ 

 

Es ist also immer eine Einzelfallentscheidung – abhängig vom individuellen Gesundheitszustand der Betroffenen. Laut der Leitlinie von 2023 gibt es für Betablocker nur eine sogenannte IIa B Empfehlung für die Langzeittherapie bei Patientinnen und Patienten mit erhaltener Ejektionsfraktion. Das heißt: Nach einem Herzinfarkt sollte die routinemäßige Behandlung mit Betablockern erwogen werden. Dagegen gibt es für Patientinnen und Patienten mit einer EF≤ 40% eine IA Empfehlung – hier wird die Behandlung empfohlen.

Was gilt künftig für die Behandlung von Frauen nach einem Herzinfarkt?

Laut Leitlinie bleibt die Betablocker-Therapie – solange es keine offiziellen Änderungen gibt – die Standard-Therapie. Bei älteren Frauen ab 75 nach Herzinfarkt kann sie in Erwägung gezogen werden, bietet aber laut aktuellen den Studien nicht unbedingt Vorteile, sondern eventuell sogar eher einen Nachteil.

Studie 2: Sterben Frauen noch immer häufiger am Herzinfarkt?

 

Eine aktuelle Untersuchung zeigt: Auch wenn Frauen mit einem Herzinfarkt erfolgreich behandelt werden, haben sie ein deutlich höheres Sterberisiko als Männer. In den ersten 30 Tagen ist es fast dreimal, innerhalb von fünf Jahren etwa doppelt so hoch! „So ganz genau weiß man noch nicht, woran das liegt“, sagt Dr. Seegers und erklärt: “Man vermutet, dass Frauen tendenziell später ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen und dann auch noch später versorgt werden.” Ihrer Erfahrung nach versuchen Frauen häufig erst einmal, sich selbst zu therapieren, sodass wertvolle Zeit verstreicht. „Und wenn sie dann in die Klinik kommen und erzählen, dass sie mit dem Problem schon längere Zeit herumlaufen, kann es passieren, dass auch von ärztlicher Seite dementsprechend langsamer reagiert wird“, sagt die Expertin. Sie rät: Bei starken und plötzlich auftretenden Schmerzen im Brustbereich, Übelkeit und Atemnot sollten Frauen schnell den Notruf wählen. Denn: Zeit ist Herzmuskel! Jeder Brustschmerz sollte abgeklärt werden.

Studie 3: Werden Frauen auch schlechter versorgt, wenn sie über Brustschmerz klagen?

 

Eine neue Untersuchung könnte zumindest zum Teil erklären, warum die Sterblichkeit bei Frauen mit einem Herzinfarkt deutlich höher ist als bei Männern: Offenbar werden sie sowohl vom Notarzt oder von der Notärztin als auch im Krankenhaus schlechter versorgt. Bei den meisten Versorgungsmaßnahmen – darunter Verabreichung von Aspirin oder sogar Schmerzmedikamenten vor der Einlieferung ins Krankenhaus, beim Transport oder bei der Erstellung eines 12-Kanal-Elektrokardiogramms – findet seltener eine leitliniengerechte Versorgung statt. Außerdem wurden die Frauen seltener einer Herzkatheteruntersuchung unterzogen oder auf eine Herz- oder Intensivstation aufgenommen. „Viele begründen das damit, dass Frauen eben nicht die typischen Brustschmerzen haben. Aber wenn ich mit Patientinnen spreche, denke ich immer: Sie haben eben einen frauen-typischen Brustschmerz“, so die Ärztin. „Er wird einfach etwas anders beschrieben, mehr als ein Brennen oder Ziehen – während Männer meist von einem Druckgefühl hinter dem Brustbein mit Ausstrahlung im linken Arm sprechen. Das wird von Frauen offensichtlich anders wahrgenommen.“

Studie 4: Warum sind Schwangerschaftskomplikationen eine Gefahr fürs Herz?

 

Die Präeklampsie ist eine Erkrankung, die in der Schwangerschaft auftritt und zu plötzlichem Bluthochdruck und Organschäden führen kann. Sie löst häufig Früh-, Fehl- oder Totgeburten aus. Zwar klingen die Symptome in der Regel nach der Schwangerschaft wieder ab, allerdings drohen langfristig Herz-Kreislauf-Probleme: Frauen mit einer Präeklampsie während der Schwangerschaft entwickeln deutlich früher Herz-Kreislauf-Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und erhöhte Cholesterinwerte – im Schnitt acht Jahre früher als Frauen mit unauffälligen Schwangerschaften. Außerdem erhöht Präeklampsie das Risiko für Herzinsuffizienz um das 4-fache, koronare Herzkrankheit (KHK) um das 2,5-fache, kardiovaskulären Tod und Schlaganfall etwa um das 2-fache. „Eigentlich gehören diese Frauen nach ihrer Schwangerschaft in die kardiologische Nachsorge, aber das passiert bislang leider nicht“, sagt Dr. Seegers. Die Ärztin weiß: „In der Regel werden Frauen bei kardiologischen Untersuchungen nicht einmal gefragt, wie ihre Schwangerschaft verlaufen ist.“

Studie 5: Was bedeuten erhöhte Cholesterinwerte speziell für Frauen?

 

Das sogenannte LDL-Cholesterin wird als das „schlechte“ Cholesterin bezeichnet, da ein zu hoher Wert im Blut zu Ablagerungen an den Gefäßwänden und damit zur Atherosklerose (Gefäßverkalkung) führen kann – und das wiederum erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle. Eine Studie, deren Teilnehmerinnen über 30 Jahre lang beobachtet wurden, kommt zu folgendem Ergebnis: Frauen mit erhöhtem LDL (>160 mg/dL) hatten ein signifikant erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse – vor allem, wenn zusätzlich erhöhte Entzündungswerte (hsCRP >2 mg/L) vorlagen. „Diese Studie ist nicht nur deshalb wichtig, weil sie ausschließlich an Frauen durchgeführt wurde“, sagt Dr. Seegers. Sie zeige auch, wie wichtig die Behandlung der Hypercholesterinämie ist, also, wie wichtig es ist, hohe LDL-Cholesterinwerte zu senken – und dass auch die Entzündungswerte eine Rolle spielen und das Herzrisiko zusätzlich erhöhen können.

Studie 6: Was sollten Frauen über Cholesterinsenker wissen?

 

Verschiedene Studien belegen, dass Frauen seltener mit hochintensiven Statinen behandelt werden – und auch seltener die empfohlenen Zielwerte für Gesamt- und LDL-Cholesterin erreichen. „Bei Frauen ist die Compliance, also die Bereitschaft, Cholesterinsenker einzunehmen, leider eher niedrig“, erklärt Dr. Seegers. Das könnte unter anderem damit zusammenhängen, dass Frauen häufiger unter Nebenwirkungen wie Muskelschmerzen leiden. In der Folge setzen viele ihre Medikamente vorzeitig ab. Umso wichtiger ist die sogenannte CLEAR-Outcome-Studie, an der beinahe so viele Frauen wie Männer teilgenommen haben, und die Bempedoinsäure mit anderen Lipidsenkern wie Statinen bezüglich Effektivität und Sicherheit verglichen hat. Das Ergebnis: Die Bempedoinsäure eignet sich als Ergänzung oder Alternative zu Statinen, wenn diese nicht vertragen oder wenn LDL-Ziele nicht erreicht werden. Und das wurde auch in der Leitlinie für die Behandlung von Hypercholesterinämie aufgenommen. „Für viele meiner Patientinnen ist das ein wichtiges Argument, wenn ich sagen kann: Dieser Wirkstoff ist intensiv an Frauen getestet worden“, sagt Dr. Seegers.

Studie 7: Brauchen Frauen andere Grenzwerte bei Klappenerkrankungen?

 

Erkrankungen der Herzklappen teilt man in verschiedene Schweregrade ein – also beispielsweise in leicht-gradig, mittelgradig und hochgradig. Von dieser Einordnung hängt es ab, welche Therapien den Patientinnen und Patienten empfohlen werden. „In dieser neuen Studie hat man nun festgestellt, dass Erkrankungen der Triskuspidalklappe bei Frauen häufig zu spät erkannt werden, weil die Grenzwerte für Männer stimmen, für Frauen aber nicht passen“, erklärt Dr. Seegers. „Wenn man bei Frauen den Schweregrad erreicht, der eine Intervention rechtfertigt, hat schon ein Umbau des Herzens stattgefunden. Meinen Patientinnen erkläre ich immer: Das ist wie das T-Shirt, das ausgeleiert ist. Das zieht sich dann nicht mehr zusammen.“ Das heißt: Die Frauen profitieren dann nicht mehr von dem Eingriff, sondern leiden weiterhin unter Beschwerden wie Luftnot. „Diese Studie zeigt sehr gut, dass das Frauenherz nicht einfach ein kleines Männerherz ist, sondern, dass auch die strukturellen Dimensionen sich unterscheiden – und Frauen daher eigene Grenzwerte brauchen“, erklärt Dr. Seegers.

FAQ: Neue Studien zur Frauengesundheit

Das Frauenherz ist nicht nur kleiner, es schlägt auch schneller und das Risiko, zu erkranken, verändert sich über die Lebenspanne viel stärker als beim Mann.

Treten zum Beispiel eine frühe Menopause mit 35 oder Komplikationen in der Schwangerschaft auf, erhöht sich das Risiko, eine Herzerkrankung zu entwickeln.

Patientinnen mit deutlich eingeschränkter Pumpfunktion des Herzens (LVEF < 40 %) oder mit leichter Einschränkung (LVEF 40 bis 50 %) profitieren deutlich von der Einnahme von Betablockern nach einem Herzinfarkt.

Frauen beschreiben den Brustschmerz beim Herzinfarkt als ein Brennen oder Ziehen – während Männer meist von einem Druckgefühl hinter dem Brustbein mit Ausstrahlung im linken Arm sprechen. Das wird von Frauen offensichtlich anders wahrgenommen.

Bei Frauen treten häufiger Nebenwirkungen wie Muskelschmerzen auf. Dennoch sollten Cholesterinsenker nicht einfach abgesetzt werden. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin über andere Therapiemöglichkeiten!

Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, wenn Sie Fragen oder Unsicherheiten zur Einnahme Ihrer Medikamente haben!

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