Warum Frauenherzen anders krank werden als Männerherzen

Frauenherzen sind ein bisschen kleiner als Männerherzen. Und sie schlagen auch etwas schneller. Was für Frauen aber noch viel wichtiger zu wissen ist: Sie werden anders herzkrank – und vertragen Medikamente häufig weniger gut. 

Von Kerstin Kropac

 

Bildquelle (Bild oben): iStock/andreswd

Lange dachte man: Herz ist Herz. Dabei gibt es in der Herzgesundheit große Unterschiede zwischen Männern und Frauen. So haben Frauen zum Beispiel ein höheres Risiko für eine Herzschwäche, ihr Herzinfarkt zeigt oft untypische Symptome und Rauchen scheint ihnen mehr zu schaden als den Männern.

 

Was ist der Unterschied bei Herzen von Frauen und Männern?

Da das weibliche Herz etwas kleiner ist als ein Männerherz, muss es häufiger schlagen, um den Körper ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Außerdem hat die aktuelle Forschung gezeigt, dass Frauenherzen in ihren Kammern aus mehr Muskel- und weniger Bindegewebszellen bestehen. „Dazu kommen hormonelle und auch soziokulturelle Einflüsse. Frauen und Männer reagieren unterschiedlich auf ihre Umwelt, ihre Lebensstile unterscheiden sich, beide Geschlechter gehen unterschiedlich mit Beschwerden um und führen jeweils andere Gespräche“, sagt Dr. Ute Seeland, Fachärztin für Innere Medizin und Gendermedizinerin an der Berliner Charité. „Es ist noch sehr viel Forschung nötig, um zu wissen, was genau Männer- und Frauenherzen brauchen, um gesund zu bleiben – oder um wieder gesund zu werden.“

Dr. Ute Seeland Dr. Ute Seeland, Gendermedizinerin der Deutschen Gesellschaft für Geschlechtsspezifische Medizin (DGesGM) und Past-Sprecherin der AG28-Gendermedizin in der Kardiologie der DGK. Bildquelle: privat

Nicht nur beim Herzinfarkt – so unterscheiden sich Erkrankungen bei Frauen

„Es gibt kaum eine Erkrankung, bei der wir keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern finden können – und das gilt auch für die Herzkrankheiten“, sagt Dr. Seeland. Vom Herzinfarkt wissen inzwischen viele, dass er bei Frauen andere Symptome zeigen kann: So spüren viele weibliche Betroffene die Beschwerden zum Beispiel eher im Bauch – begleitet von Übelkeit oder Erbrechen. Aber auch eine koronare Herzkrankheit (KHK) verursacht bei Frauen manchmal weniger typische oder sogar gar keine Beschwerden. Und beim Bluthochdruck gibt es Unterschiede: So erhöht er bei Frauen das kardiovaskuläre Risiko schon bei niedrigeren Werten als bei Männern.

 

Wie gut schützen weibliche Geschlechtshormone das Herz?

Die weiblichen Geschlechtshormone (Östrogene) gelten allgemein als guter Herzschutz, da sie zum Beispiel entzündungshemmend und erweiternd auf die Blutgefäße wirken. So schützen die Hormone davor, dass sich atherosklerotische Ablagerungen (Plaques) in den Gefäßen bilden – und das ist auch ein Schutz vor Bluthochdruck und der koronaren Herzkrankheit. „In den Wechseljahren aber nimmt – neben vielen anderen Veränderungen – die Steifigkeit der Hauptschlagader, der Aorta, zu. Gleichzeitig lässt in allen Gefäßen die Endothelfunktion nach“, sagt Dr. Seeland. Das Endothel ist die aktive Innenschicht der Blutgefäße. Es produziert unter anderem ein schützendes Gas, das Stickstoffmonoxid, das Gefäße geschmeidig hält und verhindert, dass sich Ablagerungen bilden. Wenn das Endothel weniger Stickstoffmonoxid abgibt, erhöht sich das Risiko für Bluthochdruck oder die koronare Herzkrankheit. „In der sogenannten BEFRI-Studie, der Berliner Frauen Risikoevaluation, haben wir mehr als tausend Frauen zwischen 25 und 75 Jahren untersucht und festgestellt: Tatsächlich hatten 77 Prozent der Patientinnen mit Bluthochdruck die Menopause hinter sich“, sagt die Gendermedizinerin. Das heißt aber auch: 23 Prozent der Betroffenen waren noch vor den Wechseljahren und hatten trotz des schützenden Effekts der weiblichen Geschlechtshormone einen Bluthochdruck entwickelt. „Die hormonelle Schutzwirkung darf also auch nicht überschätzt werden“, erklärt Dr. Seeland.

 

Was sollten Frauen über ihren Blutdruck wissen?

Frauen haben in der Jugend und im jungen Erwachsenenalter meist niedrigere Blutdruckwerte als Männer – dafür steigen ihre Werte dann im späteren Erwachsenenalter deutlich steiler an. „Dieser Effekt kann durch einige typisch weibliche Risikofaktoren verstärkt werden“, sagt Dr. Seeland. „Zum Beispiel steigt das Risiko für Bluthochdruck um das Zwei- bis Dreifache an, wenn eine Frau mit der Pille verhütet und zusätzlich unter Übergewicht leidet.“ Auch hohe Blutdruckwerte während der Schwangerschaft machen es wahrscheinlicher, dass eine Frau innerhalb der nächsten zehn Jahre einen Bluthochdruck entwickelt. „Und mit einem erhöhten Blutdruck steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, sagt die Expertin für funktionelle Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

 

Wie wirkt ein hoher Blutdruck bei Frauen auf die Gefäße?

Ein erhöhter Blutdruck verringert die Elastizität der Gefäßwände des Herzens. Das führt dazu, dass der Blutdruck noch weiter ansteigt. Ein Teufelskreis. Denn: Je höher der Blutdruck, desto mehr muss das Herz gegen diesen Druck arbeiten. Es muss gegen die steifen Gefäße mehr Kraft aufwenden, um das Blut hindurchzupumpen. „Frauen leiden häufiger unter einer vorzeitigen Gefäßwand-Steifigkeit. Aber leider wirken die verwendeten blutdrucksenkenden Medikamente nicht speziell auf die arterielle Gefäßwandelastizität, um eine solche vorzeitige Gefäßwandsteifigkeit zu verhindern“, erklärt Dr. Seeland. „Den Blutdruck bei Frauen einzustellen, die sich in der Perimenopause befinden, ist oft schwieriger als bei Männern im gleichen Alter.“ Als Perimenopause wird die Übergangsphase des Körpers in die Menopause bezeichnet. Auf Dauer drohen den Betroffenen Gefäßschäden, die Entzündungen und die Bildung von Blutgerinnseln begünstigen können, wodurch sich das Risiko eines Herzinfarkts erhöht. In Deutschland sterben jedes Jahr etwa 20.000 Frauen an einem Herzinfarkt – damit gehört der Herzinfarkt auch beim weiblichen Geschlecht zu den häufigsten Todesursachen.

 

Wie wirkt Stress auf das Frauenherz?

Vor etwa 20 Jahren hat die INTERHEART-Studie gezeigt, dass durch psychosoziale Faktoren – dazu zählen neben Stress zum Beispiel auch Depressionen – das Risiko eines Herzinfarkts deutlich ansteigt. Das gilt sowohl für Männer als auch für Frauen. „Allerdings sind mehr Frauen von Depressionen betroffen“, sagt Dr. Seeland. „Und auch psychischer Stress, sowohl akuter als auch chronischer, wird von Frauen im Vergleich zu Männern durchweg häufiger angegeben.“ Das extremste Beispiel für eine potenziell lebensbedrohliche Funktionseinschränkung des Herzens – ausgelöst durch Stress – ist das Takotsubo- oder Broken-Heart-Syndrom, von dem zu etwa 85 Prozent Frauen betroffen sind.

 

Was ist das Broken-Heart-Syndrom?

Beim Broken-Heart-Syndrom (fachsprachlich: Takotsubo-Kardiomyopathie) zieht sich die linke Herzkammer von der Mitte bis zur Spitze kaum noch zusammen und kann dadurch nicht mehr richtig pumpen. Die Beschwerden erinnern an einen Herzinfarkt – nur findet sich kein verstopftes Herzkranzgefäß, das die Versorgung des Herzmuskels mit Sauerstoff und Nährstoffen unterbindet. „Der Takotsubo-Kardiomyopathie geht in den meisten Fällen ein stark belastendes emotionales Ereignis voraus: der Tod eines nahestehenden Menschen, ein Unfall oder eine schwere Erkrankung, der Verlust des Arbeitsplatzes, zwischenmenschliche Konflikte, große finanzielle Probleme oder Angsterlebnisse“, erklärt Dr. Seeland. „Die Stresshormone bewirken, dass sich feine Herzkranzgefäße so stark verengen, dass kein Blut mehr hindurchfließen kann.“ Weil die Gefäße von Frauen kleiner und empfindlicher sind, neigen sie eher zu solchen sogenannten Mikrospasmen als Männer. „Bei den meisten Patientinnen heilt die Krankheit ohne Folgen aus“, sagt die Gendermedizinerin. „In der akuten Phase kann es aber wie beim normalen Herzinfarkt zu tödlichen Komplikationen wie schweren Herzrhythmusstörungen, Herzversagen und Herzschwäche kommen.“

 

Warum leiden Frauen häufig unter einer anderen Art von Herzschwäche als Männer?

Frauenherzen sind etwas kleiner und steifer als die Herzen von Männern. Dadurch entwickeln sie eine besondere Form der Herzschwäche: Das Herz pumpt zwar noch sehr kräftig, aber aufgrund der Steifigkeit, kann es sich nicht mehr ausreichend mit Blut füllen – man spricht von einer diastolischen Herzinsuffizienz. Die hat zur Folge, dass nicht mehr genug nähr- und sauerstoffreiches Blut durch den Körper transportiert wird. „Wir wissen, dass sich Bluthochdruck, die Blutzuckerkrankheit Diabetes mellitus und Übergewicht negativ auf die Elastizität des Herzgewebes auswirken“, sagt Dr. Seeland. „Deshalb ist es gerade bei Frauen wichtig, diese Risikofaktoren gut einzustellen, um die Entstehung oder das Fortschreiten einer sogenannten diastolischen Herzinsuffizienz zu verhindern.“

 

Gibt es weitere Herzkrankheiten, unter denen überwiegend Frauen leiden?

Die mikrovaskuläre Angina Pectoris oder auch Small Vessels Disease ist eine weitere typische Herzkrankheit von Frauen nach den Wechseljahren. Früher wurde diese Herzerkrankung „Syndrom X“ genannt, weil sich trotz eindeutiger Symptome einer KHK wie Brustschmerzen, Brustenge und Atemnot keine verengten Herzkranzgefäße finden ließen. „Mittlerweile weiß man, dass sich diese verengten Gefäße in der sogenannten Mikrovaskulatur befinden, dem Teil des herzversorgenden Adergeflechts, dessen Gefäßdurchmesser weniger als einen Millimeter beträgt“, sagt Dr. Seeland. Mit dem EKG ist die mikrovaskuläre Angina Pectoris oft nicht zu diagnostizieren. Viele Frauen leiden daher eine längere Zeit unter Atemnot und Erschöpfung, bis endlich die richtige Diagnose gestellt werden kann. Dann helfen Medikamente, die kleinen Gefäße wieder zu entkrampfen.

 

Müssen Herzkrankheiten bei Frauen mit anderen Medikamenten behandelt werden?

Bislang gibt es keine Unterschiede bei der Auswahl und Dosierung von Medikamenten für Männer und Frauen. „Dabei ist bekannt, dass es bei Frauen und Männern unterschiedliche Wirkungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln gibt“, sagt Dr. Seeland. Zum Beispiel entwickeln Frauen durch die Einnahme von ACE-Hemmern häufiger einen Reizhusten als Männer. Und bei Betablockern sind bei Frauen oft geringere Dosierungen ausreichend. „Das Problem ist, dass in den großen klinischen Studien Frauen meist deutlich unterrepräsentiert sind: Nur etwa ein Drittel der Teilnehmenden sind weiblich. Sogar die Versuchstiere sind zu 75 Prozent männlich.“, sagt Dr. Seeland. „Und wenn in neueren Studien endlich zu 50 Prozent Frauen berücksichtigt wurden, dann wird vergessen, die Daten getrennt nach den Geschlechtern auszuwerten. Das muss sich dringend ändern!“

 

Warum ist Rauchen für das Frauenherz besonders schädlich?

Die negativen Auswirkungen des Rauchens auf die Herzgesundheit sind bei Frauen ausgeprägter als bei Männern. So reicht zum Beispiel eine geringere Menge Zigarettenrauch aus, um die Gefäßsteifigkeit bei Frauen – im Vergleich zu männlichen Rauchern – zu erhöhen. „Alkohol scheint bei Männern stärker zur Gefäßalterung beizutragen als bei Frauen“, sagt Dr. Seeland. „Beim Rauchen ist es andersherum: Das schädigt stärker die weiblichen Gefäße.“

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