Immer wieder liest man: Rotwein schützt das Herz. Es gibt aber auch häufig komplett gegensätzliche Meldungen. Dann heißt es: Alkohol schadet vor allem! Was stimmt denn nun? Und wie wirkt der Alkohol auf das Herz?
Immer wieder liest man: Rotwein schützt das Herz. Es gibt aber auch häufig komplett gegensätzliche Meldungen. Dann heißt es: Alkohol schadet vor allem! Was stimmt denn nun? Und wie wirkt der Alkohol auf das Herz?
Von Kerstin Kropac
Bildquelle (Bild oben): iStock / Nicolas Micolani
Karneval ist eine kritische Zeit. Ebenso Silvester. Aber auch auf große Events wie beispielsweise einer Fußball-Meisterschaft müssen sich die Notaufnahmen in Kliniken und Krankenhäusern gut vorbereiten – vor allem die Ärztinnen und Ärzte aus der Kardiologie. Denn sie wissen: An solchen Tagen melden sich immer besonders viele Menschen mit Herzproblemen.
Silvester, Sportevents und andere Feste sorgen jedes Jahr für eine Überfüllung der Notaufnahmen: Dann melden sich gehäuft Patientinnen und Patienten mit Herzklopfen, Herzstolpern oder Herzrasen, weil der exzessive Alkohol-Konsum bei ihnen Vorhofflimmern oder andere Herzrhythmusstörungen ausgelöst hat. „Das passiert sogar bei jungen Menschen, die eigentlich herzgesund sind“, sagt Prof. Christian Meyer, Chefarzt der Klinik für Kardiologie am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf. „Wir sprechen dann vom sogenannten Holiday-Heart-Syndrom, einem Ereignis, das in etwa 90 Prozent der Fälle kurzzeitig auftritt und in der Regel nicht akut lebensbedrohlich ist. Bei einigen kann das Vorhofflimmern allerdings auch andauern. Oder im Laufe des Jahres noch einmal auftreten.“
„Man spricht vom Holiday-Heart-Syndrom, wenn ein Mensch an einem Tag exzessiv trinkt und feiert und dadurch sein Herzrhythmus aus dem Gleichgewicht gerät, sodass es zu Vorhofflimmern oder einer anderen Herzrhythmusstörungen kommt“, erklärt Prof. Meyer. Die Betroffenen spüren dann ein Herzklopfen oder Herzstolpern. Kurzfristig kann es eine unangenehme Begleiterscheinung von zu viel Feiern sein – langfristig kann es aber zu ernsthaften Herzproblemen führen. Im Einzelfall sollte man prüfen, ob eine Blutverdünnung zum Schutz vor einem Schlaganfall notwendig ist.
Was genau der Alkohol mit dem Herz macht, weiß man erst seit wenigen Jahren – und noch immer gibt es offene Fragen. „Der Herzrhythmus wird durch elektrische Impulse gesteuert“, erklärt der Kardiologe. „Und wahrscheinlich verändert der Alkohol in bestimmten Bereichen des Herzens die Leitungseigenschaften. Das macht das ganze Herz elektrisch ein bisschen instabiler und begünstigt die Entstehung von Vorhofflimmern oder anderen Herzrhythmusstörungen.“ Und auch diese Erkenntnis ist neu: Sogar regelmäßig getrunkene kleine Mengen Alkohol können ein Vorhofflimmern begünstigen.
Beim Vorhofflimmern ziehen sich die beiden Herzvorhöfe nicht mehr richtig zusammen, um das Blut zu pumpen – sie flimmern nur noch. „Das unregelmäßige Schlagen führt zu gestörten Blutströmungen“, erklärt Prof. Meyer. „Dadurch können sich Blutgerinnsel im Herz bilden, die mit dem Blutstrom zum Beispiel ins Gehirn gespült werden, wo sie eine Arterie verstopfen (Embolie) und so einen Schlaganfall auslösen können.“
„Die durch Alkohol ausgelöste Herzschwäche ist ein ganz typisches Krankheitsbild“, sagt Prof. Meyer. „Wir wissen: Alkohol führt zu einer Vergrößerung des Herzens und zu einer Schwächung der Pumpleistung. Allerdings ist das noch nicht in allen Details verstanden. Wahrscheinlich kommen verschiedene Lebensstilfaktoren zusammen, die dann eine Herzschwäche begünstigen.“ Die Herzschwäche ist seit Jahren einer der häufigsten Gründe für stationäre Krankenhausaufenthalte.
„Wir werden von unseren Patientinnen und Patienten oft gefragt, ab welcher Menge Alkohol schadet“, sagt der Kardiologe. „Die genaue Dosis kann ich leider nicht nennen, weil es dazu in der Literatur unterschiedliche Angaben gibt.“ Was man sagen kann: Die klassische Aufteilung zwischen Mann und Frau hat man mittlerweile verlassen. Stattdessen scheinen das Alter und die persönliche Veranlagung eine Rolle zu spielen. Zum Beispiel die Frage: Wie schnell baut der Körper den Alkohol ab? „Wahrscheinlich ist man mit einem kleinen Glas pro Tag noch auf der sicheren Seite, ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu begünstigen“, sagt Prof. Meyer. „Jüngere Daten legen jedoch nahe, dass bereits 330 ml Bier oder 120 ml Wein am Tag das Risiko für das Auftreten von Vorhofflimmern steigern können.“
Es gibt Hinweise darauf, dass Alkohol in geringen Mengen durchaus positive Auswirkungen hat – doch demgegenüber stehen eine ganze Reihe von negativen Faktoren. „Aus gesundheitlichen Gründen würden wir niemandem dazu raten, Alkohol zu trinken“, sagt Prof. Meyer. „Zumal – und das haben wir noch gar nicht erwähnt – mit einem regelmäßigen Alkoholgenuss oft auch ein insgesamt ungesunder Lebensstil einhergeht: Dann wird vielleicht geraucht, man hat ein verändertes Appetitverhalten, nimmt vermehrt Kalorien auf.“ All das schadet der Herzgesundheit ebenfalls.
Über viele Jahre wurde gepredigt, dass ein moderater Konsum von Rotwein gesund für das Herz sei. Damals hat man in verschiedenen französischen Weinbauregionen trotz eines hohen Fett- und Nikotinkonsums eine deutlich niedrigere Herz-Kreislauf-Sterblichkeit beobachtet. Dieses Phänomen – das auch das Französische Paradox genannt wird – wurde von einigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit dem erhöhten Rotweinkonsum erklärt. „Tatsächlich enthält Rotwein beispielsweise Polyphenole, die möglicherweise einen positiven Effekt haben“, erklärt Prof. Meyer. „Trotzdem geht man davon aus, dass nicht der Wein, sondern vermutlich eher der Gesamtlebensstil in diesen Regionen herzschützend wirkt: Die Menschen haben vielleicht weniger Stress, sind häufig sozial gut eingebunden und ernähren sich besser.“
„Ich würde unbedingt von einem exzessiven Alkoholkonsum abraten“, sagt Prof. Meyer. „Vor allem die Kombination aus Alkohol, Rauchen und womöglich noch Energy-Drinks bedeutet eine enorme Belastung für das Herz. Zudem rate ich, vorab die Beipackzettel der regelmäßig eingenommenen Medikamente anzuschauen oder sich mit der Ärztin oder dem Arzt zu besprechen.“ Sonst kann das Medikament zusammen mit dem Alkohol zu einem toxischen Cocktail werden, Wirkungen können sich potenzieren. „Und es kann dann auch schwierig für die Leber werden, das alles zu verarbeiten“, erklärt Prof. Meyer. „Ich rate meinen Patientinnen und Patienten – abhängig von ihrer individuellen Vorgeschichte: ‚Genießen Sie ein Glas Alkohol, aber übertreiben Sie es nicht!‘“